Nikolausmarkt

von Cornel Nistorescu (13.12.2003)

Am Rand des Marktes, neben der Brücke über den Fluß Orastiei, verkauft ein älterer Mann vier kleine Hasen. Sie sind klein, verkümmert, ein Zeichen, daß man sie eher mit den Blättern der Blumen vor dem Eingang zum Block gefüttert hat. Das Aussehen dieser Kaninchen ähnelt eher einem Kinderweinen, sie stecken ihre Näschen unter das Schwänzchen des anderen.

Es ist kalt, Rauch von Mici, gemischt mit Zigeunermusik, das ist das Spektakel des Nikolausmarktes von Orastie, zu dem alle Bauern der Umgebung hinstreben, aus den Dörfern von drei Landkreisen, alle Erzeuger von Schuhen aus Plastik, plus die Verkäufer von gefälschten Markensportschuhen. Auf dem reifigen Beton des Marktes verkaufen die Russen Ketten für Motorsägen, runde und feine Feilen, Werkzeugkoffer und Schlösser. Die Rumänen verkaufen Kartoffeln, Kraut, roten Zwiebel in langen, schön geflochtenen Zöpfen. Dieser so schön präsentierte Wasserzwiebel, wie ein Pferdeschwanz geknüpft, ist das einzige, prachtvolle Naturschauspiel. Der Rest ist mickrig, einfach, schmutzig, verkümmert.

Es ist Übergangszeit. Billiger Gummi, Altkleider, schlechte Jeans, verbogene Karotten. Eine alte Bäuerin aus Bozes, einem Dorf am Mures, verkauft einen Sack von verkümmerten und mit wegen der Trockenheit mit braunen Flecken übersäten Äpfeln. Sie verlangt 10 Lei für das Kg. Also warum 10 Lei? Ich sage so zu 10.000. Wenn sie den ganzen Sack verkauft, verdient sie 100. Also 3 Dollar. 3 Zigarettenpäckchen. Soviel gibt ihr Garten her. Und sie hat dabei auch etwas verdient. Andere haben nur Gras.

In der Winterkälte bewegen sich die Leute schneller. Besen, kauft Besen! Primitive Besen, von Zigeunern angefertigt, die nicht wissen, wovon sie leben sollen. Aus Weidenzweigen, um einen Ast gebunden, entstehen zerzauste Gebilde, die sie am Rücken einige Kilometer weit herbringen, um das Stück für einen halben Dollar zu verkaufen. Die Städter benutzen sie zum Kehren ihrer Gehsteige, oder der Ställe.

Von den wie eine Hundeschnauze verschrumpelten Äpfeln, von den Häschen, den Besen, den schwarzen Früchten und vom Käse, von einigen Zöpfen Zwiebel überleben Menschen. Nehme ich an. Es fragt sie keiner, ob ihnen noch etwas übrig bleibt für ein Kind, das zur Schule geschickt werden sollte. Oder für ein Feiertagsgewand. Oder für ein wenig Freude. Dieses harte Grau, fast schneidend, verlangt nach Alkohol. Fleisch und Alkohol. Und nach dieser verrückten Musik, auf höchster Lautstärke, die dir nur zwei Möglichkeiten offen läßt. Entweder trinkst du etwas oder du schlägst dich mit jemandem.

Diese hinterwäldlerischen Bauern von den Bergen in der Umgebung von Orastie steigen herunter auf den Nikolausmarkt, um sich mit dem notwendigsten zu versorgen. Dann kehren sie nach Hause zurück, zum Vieh, den Obstbäumen, dem mühsam abgesparten Geld im verknoteten Taschentuch. Man müßte ohne jedes Gefühl für die Realität sein um sich vorzustellen, was sie von der europäischen Integration wissen, von der Unabhängigkeit der Justiz, der Freiheit der Presse, der Inkompatibilität ("Was ist das, lieber Herr?"), der Allianz, den Bankzinsen, der Inflation, den von der EU finanzierten Projekten. Es ist eine Art von zeitlosem Rumänien, arm, hart, unerbittlich, das von Zeit zu Zeit über die Provinzstädte hereinbricht, sie für einige Stunden erobert und sich danach, in Pferdewagen verstaut, in Lastwagen wie stinkende und dahinschleichende Räucherkammern oder auch zu Fuß neben mit Säcken beladenen Pferden in die Berge zurückzieht, von wo es bis zum Frühjahr keiner mehr hervorlocken kann.

Mit dieser Bevölkerung, die wir nicht erreichen können, mit der wir kaum kommunizieren, über die wir nicht viel wissen (was den meisten Leuten auch egal ist) müssen wir uns im Jänner 2007 in die EU integrieren. Der Leser möge entschuldigen, daß ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, wie der Markt aussehen würde, den ich vor einer Woche zu Nikolaus in der EU gesehen habe.

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