Die Schwamm- oder Zundermänner

Obwohl der Zunder seit uralten Zeiten zur Feuer-Erzeugung und auch in der Heilkunde verwendet wurde, erlangte dieses Pilzprodukt erst im 18. und 19. Jahrhundert wirtschaftliche Bedeutung. Heute findet man nur noch selten den verwendeten echten Zunderschwamm (Fomes fomentarius). Als Schwäche- und Wundparasit wächst er an alten, meist überalterten, geschädigten Laubholzstämmen, vorzugsweise an Buche; infolge forstwirtschaftlicher Maßnahmen hat er somit kaum noch die notwendigen Bedingungen für eine Fruktifikation.
Über den Gewerbezweig der Zundergewinnung berichtet R. MÜLLER interessante Fakten. Die hufförmigen Fruchtkörper des Zunderschwammes können 30-40 cm breit werden und erhalten alljährlich eine Zuwachsschicht. Die Lebensdauer erstreckt sich über Jahrzehnte, denn die von diesem Pilz erzeugte Weißfäule bringt das Baumholz nur langsam zum totalen Verfall, noch am liegenden Baum oder Baumstück wächst der Zunderschwamm weiter. Unter der harten, dicken, hornartigen Kruste liegt eine restbraune, wergartig weiche, aber zähe Schicht, aus der man früher den Zunder gewann. Die flache Unterseite der Tramete trägt die Röhrenschicht, die die Sporen beinhaltet.
Zum Werkzeug der "Schwamm-Männer" gehörte ein kleines Handbeil, stabile Messer, scharfe Schabeisen, eine Leiter, mitunter sogar Klettersporen und der leinene Sammelsack. Im Herbst nach dem Laubfall war die Hauptsaison der Zunder-Ernte. Am Fundort schnitt man die braune, wildlederartige Schicht aus der holzigen Konsole und packte sie in den Sammelsack. In Körben wurde der Ertrag heimgebracht, oder man benutzte die Radeberre (Schubkarre). Ein Sammler konnte 20 Pfund und mehr dieser begehrten Ware an einem Tag nach Hause bringen. Dort erfolgte dann die umständliche Bearbeitung. Der Zunder wurde 8-14 Tage in Gärlösung aus Wasser und Pottasche oder in Lauge aus Urin und Asche gelegt, sodann ausgewaschen, langsam getrocknet, mit einem Holzhammer auf einem Holzamboss dünn ausgeklopft und mit den Händen weichgerieben.
Der fertige Zunder fand mannigfaltige Verwendung; Zu schmalen Streifen geschnitten wurde er mit Salpeterlösung oder mit Kaliumchloritlösung getränkt oder gar mit Schießpulver eingerieben. So diente er zum Auffangen des mit Stahl und Feuerstein erzeugten Funkens. Das Feueranzünden dauerte oft eine Viertelstunde. Um den Zunder eine angenehme Duftnote zu verleihen, gab man dem Einweichwasser Gasdarillenrinde bei. Der würzige Geruch des Zunders bildete dem Pfeifenraucher eine Verbesserung des oft minderwertigen Krautes. Die Redewendung "es brennt wie Zunder" ist noch heute gebräuchlich.
Große Zunderstücke wurden zur Herstellung von Kleidungsstücken verwendet. Es wurden Schürze und Kopfbedeckungen für Bergleute, Mützen, Beutel, Handschuhe, Kästchen und Ornamente angefertigt. Noch heute werden in den Souvenirgeschäften in den Gebirgsorten der VR Rumänien und der CSSR Jockey-Mützen, Hand- und Einkaufstaschen u.a. aus dem wildlederartigen Material verkauft, die sich größter Beliebtheit erfreuen. Kaum ein Käufer ist über den Ursprung des Materials orientiert. Man ist stolz auf die preiswerte Wildledermütze, dann aber sehr erstaunt, wenn das "Leder" beim ersten Regenguss vorübergehend schwammartig aufquillt. Geklopft und in Wasser gesiedet war der Zunder als Wund- oder Blutschwamm bei Badern, Barbieren und Apothekern von großem Wert wegen seiner großen Saugfähigkeit und auch blutstillenden Wirkung.
Im kleinen Ort Korund (Südkarpaten), überwiegend von Szeklern bewohnt, leben heute noch ca. 13 Familien, die die Zunderpilzverarbeitung beherrschen und ihre handwerklichen Produkte dort auch verkaufen (siehe Fotos). Im Dezember/Januar wird der Pilz in dichten Wäldern von alten Buchen geerntet und im Frühjahr und Sommer dann zu den berühmten Kappen, Taschen und Deckchen verabeitet. Seit der Steinzeit aber hat der Mensch bereits den Zunderpilz zur Erzeugung des Feuers genutzt (nachgewiesen seit der Mittelsteinzeit). Zusammen mit der Schwefelkiesknolle, Feuerstein und später dann mit dem Feuerstahl und Feuerstein gehörte der Zunder zum wichtigsten Bestandteil der Feuerzeuge des Menschen - bis ins 19./20.Jhd. hinein...
Quelle:
Unveröffentlichtes Manuskript "Thüringer Waldberufe"
erarbeitet von Hubert Müller (†), Februar 1988
VOLKSKUNDLICHE BERATUNGS- UND DOKUMENTATIONSSTELLE FÜR THÜRINGEN
IM MUSEUM FÜR THÜRINGER VOLKSKUNDE
Juri-Gagarin-Ring 140a
99084 Erfurt
Tel./Fax 0361/6439005
zurück zur Startseite Kalender 2005