Die traurige Geschichte vom Eselchen


von Gudrun Pauksch

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Esel
Wer war schon mal in Cerna Sat?
Das Dörflein am An­fang der Cer­na­schlucht ist auf den ers­ten Blick nicht un­be­dingt ei­ne Rei­se Wert, aber wenn man den Rei­se­füh­rer aus der Hand legt und ein biß­chen durch das Dorf schlau­melt, sieht man doch ei­ni­ges, für das sich ein zwei­ter oder drit­ter Blick lohnt...
Esel
...der Touristik­kom­plex an ei­nem grün­li­chen Teich macht eher ei­nen ver­penn­ten Ein­druck,
Esel
...aber da ist ei­ne ver­steck­te Mühle,
Esel
...dort ein harmoni­sches En­sem­ble von Heu­scho­bern...
Esel
...und auch ei­ne lus­ti­ge Tratsch­ge­mein­schaft auf der Bank, die sich über die deut­sche Tou­ris­tin im Re­gen wun­dert und un­be­dingt wis­sen will, wo­her, wo­hin, wes­halb und wa­rum.
Esel
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Am Ende des Dor­fes be­fin­det sich ei­ne schö­ne Zelt­wie­se, di­rekt an der Cer­na und der Chei­le Cor­co­ria.
Esel
Dort ließen wir uns, ei­ne Grup­pe Wan­der- und Nicht­wan­der­ver­rück­ter Ru­mä­nien­freun­de, für ei­ni­ge Ta­ge nie­der, die ei­nen, um sich von der an­stren­gen­den Wan­de­rung von Va­lea Pesti über den Os­lea zu er­ho­len, die an­de­ren um Kraft für die be­vor­ste­hen­de Wan­de­rung zu sammeln.
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Doch wir waren nicht allein.
Esel
Diese Wiese wur­de von ei­nem Esel be­wohnt, der uns zu­nächst aus der Fer­ne be­trach­te­te, aber dann im­mer zu­trau­li­cher wur­de. Wir be­merk­ten schnell, dass mit dem Tier et­was nicht stimm­te. Er hat­te ei­nen schlim­men of­fe­nen Bruch am rech­ten Vor­der­bein, so­dass er sich nur recht und schlecht auf drei Bei­nen fort­be­we­gen konnte.
Esel
Wir freundeten uns mit dem Tier an und das Tier sich mit uns. Wir konn­ten es bald an­fas­sen, strei­cheln und füt­ter­ten es mit Brot. Das Tier­chen ge­noß un­se­re Nä­he und bald fie­len al­le Hem­mun­gen. Dem Eber­hard pin­kel­te er vol­ler In­brunst di­rekt vor das Zelt und dem Gert trat er auf dem Fuß - mit Ab­sicht!!! - als die­ser ihm nicht schnell ge­nug aus dem Weg ging. Al­les, was nicht niet- und na­gel­fest war, muss­te er pro­bie­ren. Am liebs­ten fraß er Pa­pier. Manch­mal wur­de es uns schon ein biss­chen zu­viel mit der Nä­he, so­dass der Pä­da­go­ge in un­se­rer Rei­he zur Au­to­ri­tät riet und wir un­se­ren neu­en Freund ver­scheuch­ten.
Esel
Esel
Ziemlich pikiert lag der mensch­lich Ent­täusch­te am Stra­ßen­rand und wür­dig­te uns kei­nes Bli­ckes mehr.
Esel
Regen zog auf und wir zogen ins nächs­te Ma­ga­zin Mixt.
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Es gibt bekanntlich nichts schlim­me­res als an ei­nem Ru­he­tag zu ver­durs­ten und so sorg­ten wir für reich­lich Um­satz in dem klei­nen La­den, auch weil es ge­müt­lich war und es bei sol­chen Re­gen wohl auch nix an­de­res zu tun gibt. Wir phi­lo­so­phier­ten über un­se­ren Esel und frag­ten uns, wem er wohl ge­hört und ob sich kei­ner um ihn küm­mert. Was soll im Win­ter aus im wer­den? Er wird wohl ver­hun­gern und er­frie­ren mit dem schlim­men Bein und oh­ne Stall und Fut­ter. Oh je!
Esel
Irgendwann ließ der Re­gen nach und die Ber­ge des Go­dea­nu zo­gen ih­re Re­gen­pel­ze aus.
Esel
Es dauerte nicht lange, da kam ein Da­cia Pick up an­ge­braust und auf der La­de­flä­che stand UN­SER Esel. Ich freu­te mich, denn ich war mir si­cher, nun wird un­ser Tier­chen in die Stadt zum Tier­arzt ge­fah­ren.
Esel
Der Wagen hielt an der Ter­ras­se des Ma­ga­zin Mixt an und wir frag­ten, was mit dem Tier ge­schieht.
Für die Hunde! - war die Ant­wort!
Unser Esel für die Hunde?
Esel
Tatsächlich - Er wur­de zum Schlach­ter ge­bracht!
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Ich war entsetzt und em­pört und reg­te mich auf. Und ich hat­te gro­ßes Mit­leid. Die Freun­de frag­ten mich, ob es nicht bes­ser wä­re, dem Esel ein plötz­li­ches En­de im Schlacht­hof zu gön­nen, als un­end­li­ches Lei­den auf der Zelt­wie­se mit Schmer­zen, Käl­te und Hun­ger. Der Esel ist ein Nutz­tier, nun kann er nicht mehr ar­bei­ten, er wird nicht mehr ge­braucht. Ihn über den Win­ter zu brin­gen, kostet Fut­ter, dass dem Bau­ern viel­leicht für an­de­re Tie­re fehlt.
So ist der Lauf der Dinge.
In Rumänien hat man ein an­de­res Ver­hält­nis zu Tie­ren, was uns Deut­schen viel­leicht nicht im­mer ge­fällt, aber aus Sicht der ru­mä­ni­schen Bau­ern lo­gisch und ver­nünf­tig ist.
Esel
Mach es gut, kleiner Esel!
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