Istriţa - ein ganz besonderer Berg von Dan Nedelea/ Bukarest
In den Subkarpaten gibt es einen Berg, der durch seine Eigenheiten die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Er befindet sich direkt im Karpatenbogen, sozusagen in der Ecke, nahe der Stadt Buzău und trägt den Namen Istriţa. Dieser Name stammt von dem Wort Istros. So nannten die Griechen in der Antike die Donau. Und weil es hier um einen Gipfel geht, wurde aus dem eigentlich männlichen Substantiv für die Bezeichnung des Flusses Istros durch eine Umwandlung das weibliche Wort Istrita. Aber welche Verbindung gibt es zur Donau, fließt sie in der Nähe? Nein, ihr Verlauf ist 100 km entfernt, oder besser gesagt, fließt sie südlich oder östlich dieser Gegend. Aber von dem Gipfel dieses Berges lässt sich der schillernde Flussverlauf verfolgen, als Grenzlinie der Ebene, über der sich die Istrita ganz plötzlich mit einer Höhe von 700 m erhebt. Es ist dieser spektakuläre Höhenunterschied, dem dieses Relief einen weitaus bekannteren Namen verdankt: "Dealul Mare" - Großer Berg. Dieser wurde mit der Zeit auch berühmt für die Weine, die an seinen ausgedehnten Südhängen gedeihen.
Begeben wir uns auf die Wanderung über die Istriţa.
Wir befinden uns hier am Anfang des Aufstiegs und kommen von den Südausläufern. Der Gipfel liegt oben in der Bildmitte auf einer Höhe von 751 m, wo wegen des hervorragenden Standortes mehrere Sendemasten errichtet wurden. Links neben dem Gipfel auf einem uns näheren Berg ist die neue Kirche des Dorfes Vârf zu sehen.
Dies ist ein breiter Weg, der auf die Istriţa hinaufführt und den auch Fahrzeuge benutzen können. Jenseits des letzten Tals der Bodenformation erstreckt sich die endlose Ebene.
Die Karren werden oftmals genutzt, um den Hauptgipfel zu überqueren. Rund 10 km sind es dann von einem Dorf an der Südflanke bis zu dem im Norden und man erspart sich die 50 km rund um den Berg, denn die Istriţa erstreckt sich in Ost-West-Richtung über eine Breite von fast 40 km.
Befinden wir uns auf einer Vulkaninsel? Nein, die künftigen Ackerflächen werden im Frühling durch das Abbrennen der zarten Vegetation fruchtbar gemacht.
Alexandru Vlahuţă, der 1901 auf bemerkenswerte Weise das ”malerische Rumänien” beschrieb, nannte die riesige Hügelkette "Muntele Istriţa" – Istriţa-Gebirge, nicht nur wegen der nicht so richtig in die Landschaft passenden großen Höhe, sondern auch wegen seiner felsigen Landschaft, insbesondere entlang des Kammes.
Der Hauptgipfel ist über gut 20 km von Kalkablagerungen geprägt, deren Schichten manchmal waagerecht aufeinander und manchmal senkrecht nebeneinander liegen.
Soeben haben wir den Hauptgipfel überschritten und nun haben wir freien Blick in Richtung Norden auf große, weiße Berge, die zu den Tälern der Prahova und des Teleajen gehören und Höhen von zum Beispiel 2500 m, wie das Bucegi-Massiv (links), erreichen. Bis dorthin reichen die Bergkämme der Subkarpaten.
Am Nordhang gelangen wir zu einer archäologisch bedeutenden Stätte: Zănoaga-Năeni. Im Vordergrund sehen wir Spuren von Ausgrabungen. Ein wenig darunter sehen wir, wie sich die Leute aus der Umgebung ins Grüne begeben, weil gerade Ostern gefeiert wird!
Ein klarer Blick auf den Standort Zănoaga-Năeni, die Gruben zeigen die Siedlungen und Befestigungen, die hier vorgefunden wurden. Die ältesten archäologischen Funde stammen aus der frühen Bronzezeit, dem 3. Jahrtausend v. Chr.. Teilweise gehören sie zu einer Kultur, die nach dieser Gegend benannt wurde, der Monteoru-Kultur (der Kurort Sărata-Monteoru liegt genau unter den Gipfeln der Istriţa). Die Funde reichen bis zum Beginn des 2. Jahrtausends n. Chr., in die Zeit der Wandervölker. Hier befindet sich auf dem Gebiet des heutigen Rumänien demzufolge ein Ort, an dem fast ununterbrochen seit fast fünf Jahrtausenden Menschen gelebt haben.
Das Plateau einer alten befestigten Siedlung am archäologischen Ausgrabungsort Zănoaga-Năeni. Diese Wälder findet man nur an den Nordhängen.
Picknick neben einer Quelle, über der ein Kalkkreuz wacht.
Spuren einer anderen Befestigungsanlage, oben am Abschnitt Zănoaga des Hauptgipfels der Istriţa.
Auch wenn die Landschaft manchmal rau erscheint, gedeihen an diesen Orten seltene Pflanzen, wie zum Beispiel die Küchenschelle...
... oder das Frühlings-Adonisröschen.
Und hier ein ganz anderes touristisches Ziel: eine Ansammlung von Schnitzereien in der Nähe des Dorfes Năeni an einer Kreuzung des Gipfels mit der Bezeichnung Tigoarea. Eingerichtet wurde sie in den Jahren 1986-1988 und nun sieht sie aus wie ein unbekanntes Freiluftmuseum.
Die Besucher sind ein Beweis dafür, dass es sich nicht um eine verloren geglaubte Ausstellung handelt.
Das Kunstinteresse wird manchmal auf unterschiedliche Weise gezeigt...
In diesem „Schnitzlager” haben in den Sommerferien 2009 Kinder im Alter bis zu 14 Jahren ihr kreatives Talent ausprobiert. Diese Serie trägt den Namen „Dacologie“ (Dakologie) und wurde aus einem gelben Sandstein geschnitzt, der hier gefunden wurde.
Ein weiteres Zusammentreffen mit der alten Zeit: eine schon in Vorzeiten bewohnte Grotte.
Ist vielleicht jemand zu Hause, werden Gäste erwartet? Nicht weit von hier hat ein letzter Bewohner in einer solchen Grotte bis Mitte des 20. Jh. gelebt.
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns nur wenig unterhalb der Gipfel der Istriţa befinden. Vom Eingang der oben vorgestellten Grotte kann der gesamte Horizont beobachtet werden.
Nach links und nach Osten gerichtet gelangen wir zur neuen Kirche des Dorfes Vârf, das wir schon zu Beginn unserer Wanderung gesichtet hatten.
Die neue Kirche wurde 2008 fertig gestellt und heißt jetzt "Biserica dintr-o piatră" – Kirche aus einem Stein. Damit soll gesagt werden, dass sie, die Bilderwand eingeschlossen, aus einem Stein erbaut wurde, der aus einem einzigen in unmittelbarer Nähe gelegenen Steinbruch stammt.
Vor der Kirche, Richtung Ebene, ist der ebenfalls aus Stein errichtete Glockenturm zu sehen. Im Vordergrund des Bildes befindet sich eine Krypta aus der Zeit der Traker, 800-600 v. Chr. und in der Nähe der Kirche wurden noch mehrere Krypten dieser Art entdeckt.
Auf einer Höhe von gut 500 m findet man mehrere Wasserläufe. Dieser Brunnen hat den größten Steingürtel, den ich bisher in Rumänien gesehen habe.
Jetzt beginnen wir den Abstieg von der Istriţa, immer noch an den Südhängen, wie bei dem Aufstieg. Uns erwarten endlose Weinberge, die im Frühjahr vorbereitet werden.
Sommer, auf dem Weg zur Kirche im Dorf Vârf. Rechts sehen wir den Gipfel der Istriţa.
Wir sind in der Ebene am Fuße der Berge angelangt. Aber zu unserer Überraschung sind sie noch nicht zu Ende. Neben dem Dorf Săhăteni treffen wir auf ein riesiges Kreuz aus Stein, den letzten derartig gemeißelten Megaliten in Rumänien. Er trägt den Namen "Crucea Manafului".
Der Megalit wurde 1846 errichtet und ist 4 m hoch. Er wurde auf einem gefällten Baumstamm, der von mehreren Dutzend Ochsen gezogen wurde, hierher gebracht.
Nun sind wir am Ende unserer Wanderung angelangt, neben dem Kreuz "Crucea Manafului", mitten im Weinbaugebiet, am Fuße der Istriţa, am großen Berg - "Dealul cel Mare".
Ich wünsche allen Rumänien-Reisefreunden für das kommende Jahr neue Ideen, um weiterhin interessante Ziele zu entdecken.
Dan Nedelea