Der Letzte macht das Licht an


Foto: Nancy Waldmann
Text: Tiemo Rink

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Kirchenburg
Mehr als zehn Jahre ver­fiel die Trap­pol­der Kir­chen­burg, nach­dem der letz­te Burg­hü­ter aus­ge­wan­dert war. Bis Se­bas­ti­an Beth­ge, Hand­wer­ker aus Ber­lin, auf ei­ner Wan­de­rung durch Ru­mä­ni­en nach Trap­pold kam. Und sich ent­schied zu blei­ben.
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Mann auf Kirchenburgturm
Sebastian Bethge, gebürtiger Berliner, lebt seit dreizehn Jahren in Trappold
Sebastian Bethge steht auf dem Trap­pol­der Kirch­turm und blickt hi­nun­ter auf das Dorf. Drei, vier stau­bi­ge Stra­ßen, Pfer­de­kar­ren, Hüh­ner, spie­len­de Kin­der. Am Dorf­rand bren­nen die Stop­pel­fel­der, an­ge­zün­det von den Bau­ern, um den Bo­den mit Nähr­stof­fen zu ver­sor­gen. In der Luft liegt ein leich­ter Brand­ge­ruch, der nach ei­ni­ger Zeit in der Na­se kit­zelt.
„Mir gefällt das Land­le­ben ein­fach bes­ser. In der Stadt konn­te ich nicht frei at­men, so vie­le Men­schen. Das ist hier an­ders“, sagt Beth­ge. Der ge­bür­ti­ge Ber­liner, 36 Jah­re alt, dun­kel­blon­de Haa­re, röt­li­cher Bart und kräf­ti­ge Schul­tern, spricht aus Er­fah­rung. Gut 3,5 Mil­lio­nen Men­schen le­ben in Ber­lin. In Trap­pold sind es knapp 3000.
Kirchenburg
Dreizehn Jahre ist es her, dass Beth­ge das ers­te Mal nach Trap­pold kam. Der ge­lern­te Schrei­ner war auf der Su­che nach ei­nem Ort, wo er sich „hand­werk­lich aus­to­ben“ konn­te. Deutsch­land war ihm zu fest­ge­legt, zu vie­le Re­geln und Ein­schrän­kun­gen. Nach der Wen­de pack­te Beth­ge sei­nen Ruck­sack und ging auf Rei­sen. Ein hal­bes Jahr leb­te er in Po­len, da­nach für knapp zwei Jah­re in Russ­land. In der Ukra­ine, sei­ner drit­ten Rei­se­sta­ti­on, lern­te er ei­nen Ru­mä­nen ken­nen. „Ich konn­te gar kein Ru­mä­nisch, aber mein Be­kann­ter hat mir mit sei­nen Er­zäh­lun­gen so viel Lust auf Ru­mä­ni­en ge­macht, dass ich ein­fach hier­her ge­fah­ren bin. Und bis­her ge­blie­ben“, sagt Bethge.
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Mann auf Dorfstraße
Als er in Trappold an­kam, rot­te­te die Kir­chen­burg be­reits zehn Jah­re vor sich hin. Der letz­te Burg­hü­ter, ein Sie­ben­bür­ger Sach­se, der sich um die Pfle­ge und In­stand­hal­tung der An­la­ge küm­mer­te, war längst aus­ge­wan­dert. Ge­mein­sam mit Un­ter­stüt­zern grün­de­te Se­bas­ti­an Beth­ge den Ver­ein Co­ro­na, schloss eine Par­tner­schafts­ver­ein­ba­rung mit der evan­ge­li­schen Kir­che in Her­mann­stadt und zog ins al­te Pfarr­haus. Seit­dem küm­mert er sich um den Er­halt der Kir­chen­burg.
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Sanierungsarbeiten Kirchenburg
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Sanierungsarbeiten Kirchenburg
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Sanierungsarbeiten Kirchenburg
Komplettsanierung mit EU-Geldern
In dieser Zeit wur­de un­ter an­de­rem die Or­gel res­tau­riert, das Dach ge­flickt und das al­te Tor­haus in­stand ge­setzt. Sei­ne Ar­beit führ­te da­zu, dass die Trap­pol­der Kir­chen­burg letz­tes Jahr in ein EU-Pro­jekt auf­ge­nom­men wur­de, mit des­sen Hil­fe in Sie­ben­bür­gen ins­ge­samt 18 Kir­chen­bur­gen res­tau­riert wer­den. Am meis­ten Geld, gut 500.000 Eu­ro, flie­ßen da­bei in die Sa­nie­rung der Trap­pol­der Kir­chen­burg.
Sanierungsarbeiten Kirchenburg
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Sanierungsarbeiten Kirchenburg
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Sanierungsarbeiten Kirchenburg
Tipp:
Die Trappolder Kir­chen­burg steht in­te­res­sier­ten Be­su­chern zur Be­sich­ti­gung of­fen. Burg­hü­ter Se­bas­ti­an Beth­ge führt – nach Vor­an­mel­dung – über das Ge­län­de. E-Mail: seflobe@apold.net
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Mann steht in Kirchentür
„Wir haben von An­fang an mit Leu­ten aus dem Dorf ge­ar­bei­tet. Im Lau­fe der Zeit ist so ein nach­bar­schaf­tli­ches Ver­hält­nis ent­stan­den“, sagt Beth­ge und hofft, die Kir­chen­burg künf­tig als kul­tu­rel­len Treff­punkt des Dor­fes zu eta­blie­ren. Auf dem Weg da­hin ver­an­stal­ten er und sei­ne pol­ni­sche Frau Dorf­fes­te, pro­ji­zie­ren Ki­no­fil­me auf ei­ne Lein­wand am al­ten Pfarr­turm und or­ga­ni­sie­ren Kon­zerte.
Sanierungsarbeiten Kirchenburg
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Kirchenburg
Aber auch für Touristen, die im gut fünf­zehn Ki­lo­me­ter ent­fern­ten Schäß­burg auf Dra­cu­las Spu­ren wan­deln, könn­te Trap­pold (ru­mä­nisch: Apold) in­te­res­sant wer­den. Denn laut Beth­ge dürf­ten kom­plett er­hal­te­ne Kir­chen­bur­gen in Sie­ben­bür­gen bald zur Ra­ri­tät wer­den: „Die letz­te Be­treu­ung durch Sie­ben­bür­ger Sach­sen bricht ge­ra­de weg. In fünf Jah­ren wird es fast kei­ne Men­schen mehr ge­ben, die sich um die Kir­chen­bur­gen küm­mern.“ Trap­pold scheint die Aus­nah­me zu sein.
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Stickerei
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Straßenschild
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Reporter auf Reisen!
Ein Projekt der Zei­ten­spie­gel-Re­por­ta­ge­schu­le Reut­lin­gen:
Wir waren zu elft, hat­ten zwei Bus­se und zehn Ta­ge Zeit. So mach­ten wir uns auf den Weg in ein un­be­kann­tes Land: Sie­ben­bür­gen. Dort tra­fen wir auf Dra­cu­la und an­de­re Über­ra­schun­gen. Es ent­stan­den Ge­schich­ten von Men­schen, die weg­gin­gen. Von wel­chen, die blie­ben. Und an­de­ren, die zu­rück­kehr­ten.
Menschen auf einer Treppe vor einem alten Haus
Entdecken Sie mit uns das Land, das „an der Brust des Him­mels ruht“, wie es im Sie­ben­bür­gen­lied wei­ter heißt. Wir neh­men Sie mit auf die Rei­se zu Bä­ren­ret­tern, säch­si­schen Rap­pern und den Er­fin­dern der Ra­kete.
www.reportageschule.de
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