Junge Burschen ziehen in Tracht von Haus zu Haus - Persönliche Erinnerungen an Silvesterbräuche in Siebenbürgen


von Roland Barwinsky

Blitz
Knaller
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Im sieben­bürgischen Großau (Cristian) bei Hermannstadt (Sibiu) zu Beginn der 1990er Jahre: Urplötzlich war es mit der Ruhe in der schnee­bedeckten Gasse am Fluss Zibin vorbei. Ein gut aufgelegter sowie farben­froher Pulk zog recht lautstark durch diesen Teil des Dorfes. Ich befand mich zu jener Zeit gerade auf intensiver Spurensuche in Rumänien und wollte vor Ort eigene authentische Weihnachts­erlebnisse in dieser Region reaktivieren und zugleich neue Eindrücke gewinnen.
Partyrunde
Durch Zufall traf der Autor (2.von rechts) Weihnachten 1992 Franz Holzinger im sieben­bürgischen Großau. Dieser erklärte ihm auch die Silvester­bräuche in seinem Dorf.
Glas
Pilz
Flasche
Glas
Franz Holzinger - ein aus diesem Dorf stammender Rumänien­deutscher - empfahl das jetzt erwartbare Spektakel genauer zu begutachten. Immerhin handelte es sich um ein Ereignis aufblühender plus sichtbarer Lebensfreude. Kurz danach näherten wir uns den recht aufgeweckten Burschen, welche umherzogen, um auf verschiedenen Gehöften den jeweiligen Bewohnern ein gesundes und neues Jahr zu wünschen. "Kurz vor Silvester kommt aus den umliegenden Gemeinden diese männliche Jugend in unser Dorf", wusste Franz umgehend zu berichten. Angezogen haben diese jungen Leute selbstverständlich ihre farbenfrohen Trachten, welche von Generation zu Generation vererbt werden. Als die recht lustige Meute einige Minuten später uns "Deutschländer" erblickte, wurden wir sofort heran gewunken und eingeladen, diese ganze Zeremonie hautnah anzusehen und nach Möglichkeit mit Fotos zu dokumentieren.
tanzende Männer
Mit Musik, Wein und Gesang bereiten sich diese Burschen im siebenbürgischen Großau zwischen Weihnachten und Silvester auf das neue Jahr vor.
Die Vorstellung bei recht frostigen Temperaturen begann mit allerhand schrillen Tönen am Straßenrand in unmittelbarer Nähe des Gehöftes. Es wurde getanzt, gefeixt, gelacht und vor allem kraftvoll gesungen sowie feurig mit Blasinstru­menten musiziert. Das Ziel der Gruppe bestand hauptsächlich darin, irgendwie friedvoll auf das anvisierte Anwesen zu gelangen. Unmittelbar vor dem Eingangstor bildeten die aktiv daran Beteiligten richtige Kreise und zelebrierten umgehend sowie minutenlang eine fast theaterreife Show mit hohem Unterhaltungswert.
Knaller
Akordeon
Knaller
Knaller
Dem jeweiligen Hauseigentümern musste kurzerhand vor allem klar gemacht werden, dass man solchen putzmunteren Gäste möglichst schnell die Haustür öffnen muss. Nachdem alle "unangemeldeten" Besucher den betreffenden Familienverband von den eigenen guten Absichten zweifelsfrei überzeugt hatte, ging es im Inneren des Gebäudes genauso kunterbunt weiter. Für vorbei schauende Neugierige, also auch für zufällig erschienene Weitgereiste, stand außerdem in der guten Stube ein kleines Willkommens­büffet bereit. Schnell reichten die Gastgeber jedem Kaffee, Kuchen, Wein und natürlich hoch­prozentigen Rakiu bzw. Tzuika. Einem selbst­gebrannten Schnaps, ohne den in Transsil­vanien einfach keine Feier stattfindet. Die aufgedrehten Burschen hielten außerdem - einer nach dem anderen - kurze Ansprachen. Dabei wünschte man der betreffenden Familie selbstverständlich viel Glück sowie "mult Sânâtate" - was "viel Gesundheit" bedeutet - für das bevorstehende neue Jahr. Kaum zu glauben, dass so eine lustige Truppe an einem einzigen Nachmittag hinter­einander gleich mehrere Straßen mit vielen Gehöften gezielt aufsuchen kann. Um auf diese Art und Weise den bevorstehenden Silvestertag möglichst lebendig einzuleiten. Denn das Ganze ist durch die ständige Bewegung, das viele Musizieren und Singen sowie die überall bereit­stehenden auf­putschenden Getränke, oftmals eine recht schweiß­treibende plus kräfte­zehrende Angelegenheit.
Blitz
Klee
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Aber wehe dem, der diesen aufgeweckten Jungs einfach so den Einlass verwehrt. Solchen Mitbewohnern soll später ein Fluch erreichen, erfuhren wir. Praktisch passiere so etwas natürlich niemals. Diese beschriebene und vor Ort sehr emotional betriebene Brauchtums­pflege wiederholt sich seit Urzeiten. Und gehört somit längst zu den ultimativen Höhe­punkten des lokalen Kultur­kalenders in Sieben­bürgen und bestimmt auch anderswo in Rumänien.
Dorf mit Bergen dahinter
Blick auf Großau am Fuße der Karpaten, wo jedes Jahr kurz vor Silvester junge Burschen durch die Gassen ziehen und den Einwohnern ein gesundes neues Jahr wünschen
Über den Autor: Roland Barwinsky, 1963 in Sachsen-Anhalt geboren, machte 1981 das Abitur in Lützen. Es folgten Armee, mehrere Studienplätze- und Arbeits­stellen. Ab 1988 war er in verschiedenen Büchereien tätig und wurde Bibliotheks­facharbeiter. Seit Beginn der 1990er Jahre schreibt der Autor regelmäßig für verschiedene Tages­zeitungen. Ausgedehnte Tramptouren führten ihn einst durch Osteuropa. Dort verliebte er sich in die Landschaft und Menschen von Sieben­bürgen. Ein historisches Gebiet im südlichen Karpaten­raum, welches der 50jährige noch heutzutage regelmäßig aufsucht.
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