Im Jahr 1987 nach unserem Bulgarienurlaub berichtete ich stolz meinen Kollegen im VEB Schleifmaschinenwerk Karl-Marx-Stadt von unserem Abenteuer Rila-Gebirge. Wir waren das erste Mal mit Zelt im Hochgebirge, hatten keine Ahnung und machten so ziemlich alles falsch!
Einer der Kollegen, ein Elektriker im Betrieb erklärte mir, dass Bulgarien doch eher etwas für Weicheier wäre und richtige Bergwanderer würden doch ins Fogarasch-Gebirge nach Rumänien fahren. Nach langer Überzeugungsarbeit fassten wir, Alice, Rudi (auch ein Kollege) mit seiner Freundin den Entschluss im Herbst für eine Woche in die rumänischen Karpaten zu fahren.
Von Berlin Schönefeld ging es mit der Interflug direkt nach Bukarest. Am Flughafen organisierten wir uns ein Taxi das uns zum Gara de Nord, dem wichtigsten Bahnhof der rumänischen Hauptstadt brachte. Dort war es stockdunkel und nur zwei Schwarz-Weiß-Fernseher zeigten den aktuellen Fahrplan an. Furchtbar! Fahrkarten kauften wir keine. Das wäre nicht nötig in Rumänien, man könne alles mit Kaffee und Kent-Zigaretten erledigen!
Nach langer Fahrt (das mit dem Kaffee hatte geklappt) kamen wir mitten in der Nacht in Podul Olt am Fusse der Fogarascher Berge an. Die Zelte wurden im Straßengraben aufgebaut und wir schliefen sofort ein. Morgens wurden wir von einem eigenartigen Geklapper aus dem Schlaf gerissen. Sofort lugten wir aus dem Zelt und entdeckten eine Menge Pferdekutschen welche wohl zum Markt unterwegs waren. Toll! Schnell wurde alles zusammen gepackt und los ging es! Durch Maisfelder hindurch gelangten wir nach Turnu Roșu wo es in steilem Anstieg bergauf ging.
Am frühen Abend ließen wir die Baumgrenze hinter uns und schlugen die Zelte auf. Natürlich hatten wir unser Wasser ausgetrunken und so musste Rudi und ich in ein Tal absteigen, um an einer Quelle das köstliche Nass zu besorgen!
Konstanze, Rudis Freundin hatte mittlerweile vor Erschöpfung erbrochen und Rudi bemerkte, dass er seine Isomatte im Taxi liegen gelassen hat. Anfänger! Die Nacht war saukalt, doch der Morgen begrüßte uns mit herrlichem Wetter und so ging es gut gelaunt weiter. Nach Stunden erreichten wir den Gipfel Budislavu (2343 m) wo wir eine ausgiebige Rast machten.
Eine Wahnsinns Aussicht und die Erkenntnis, dass die Bezwingung des gesamten Kammes doch eher unwahrscheinlich werden wird. Der Grund war die Selbstüberschätzung ob der Größe des Gebirges und etwas mit dem wir nicht gerechnet hatten: Schnee!
Wir kampierten die folgende Nacht am Avrig See und beschlossen am nächsten Tag, wegen des Schnees abzusteigen. Der weitere Weg führte uns über die Barcaciu-Hütte zur Negoiu-Hütte, ein toller Weg! Wir blieben zwei Nächte in der Negoiu Hütte und stiegen dann ab bis Porumbacu de Jos. Dieser Abstieg dauerte ewig denn der Weg zog sich wie Kaugummi.
Am Bahnhof kamen wir mit dem dortigen Angestellten der CFR ins Gespräch. Dieser nette Mann kaufte uns alles ab was wir noch an Lebensmittel übrig hatten: Kaffee, Pfeffer, Suppen, Büchsenwurst, etc. Mit dem notwendigen Kleingeld in der Tasche ging es dann mit dem Zug über Budapest und Prag zurück in die Heimat.
Irgendwie verspürte ich auf der Heimreise ein seltsames Kribbeln im Kopf. Ich hatte mich mit dem Rumänien-Virus infiziert