Die Legende von der Panaghia


von Rolf Gerstendorf

Foto vom Panaghiafelsen mit Wald und See im Hintergrund
Wer im Ceahlău-Massiv auf dem mit dem Roten Band markierten Pfad von der Statiunea Durău zur Cabana Dochia hinaufsteigt, passiert einen imposanten Felsen, die Panaghia [1].
gemaltes Bild des Panaghiaberges mit rotem Wanderweg
Es gibt viele Geschichten und Legenden über diesen Felsen, aber die schönste und interessanteste erzählt der leidenschaftliche Chronist des Neamț-Gebirges, Calistrat Hogas.
gemaltes Bild von einem Wanderer welcher vor einer Infoafel voll mit Fragezeichen steht
Auf einer Infotafel vor dem Felsen kann man sich über die Legende in rumänischer Sprache informieren, allerdings ist die von Herrn G. Trans-Lator erstellte englische Übersetzung völlig unverständlich, zumal darin offensichtlich zwei Geschichten wild miteinander verwoben wurden. Ich habe deshalb erst zu Hause nach einer intensiven Recherche die Legende der Panaghia rekonstruieren können. Und die geht so:
gemaltes Bild mit Tusche, Feder und bemaltes Blatt Papaier
Keine der Felsen im Ceahlău-Massiv erweckt die Phantasie der Barden mehr als der Panaghia-Felsen in der Nähe des Toacă-Gipfels, der sich majestätisch und strahlend im Sonnenschein erhebt. Die Sonne [2] liebt die Panaghia noch immer und schickt ihre schmeichelnden Strahlen, um sie mit einem Hauch von Liebe zu umgeben....
gemaltes Bild von aufgehender Sonne hinter dem Panaghiaberges mit vielen Herzen
Panaghia war nicht immer aus kaltem Stein, ohne Herz und Seele, sondern ein schönes Mädchen namens Maria aus dem Dorf Răpciuni. Es wird gesagt, dass die Ursitoare [3] ihr bei ihrer Geburt Augen hell und blau wie der Himmel an einem Sommertag, Haare schwärzer als die tiefste und seidigste Nacht, eine Haut, weich und rosa wie Rosen aus den Paradiesgärten und die Stimme einer Nachtigall liehen. Und Gott selbst gab ihr einen Teil seines Herzens und seiner Seele.
gemaltes Bild von Maria
Maria wuchs heran und wurde ein so schönes Mädchen, wie es sich Märchen vorstellen können. Die Burschen aus den Dörfern forderten beim sonntäglichen Rundtanz keine anderen Mädchen mehr auf. Sie vergaßen Sense, Axt und Sägewerk und kümmerten sich nur noch um das Mädchen. Und ärger noch, sie beteten nicht mehr mit der nötigen Aufmerksamkeit! Die guten und alten Menschen der Gemeinde waren Zeuge dieses Wahnsinns ihrer Söhne. Sie gingen zu ihrem Bürgermeister und baten ihn, sie vor dem Liebreiz der Maria zu erretten, auf das wieder Frieden in den Dörfern einziehe.
gemaltes Bild von Maria umgeben von zwei Männern, welcher ihr Herzen entgegen halten. Hinter den Männern liegen eine Axt und eine Sense.
Damit sie nicht weiterhin von den Blicken Sterblicher befleckt werde, trugen sie die Ursitoare in die höchsten Höhen von Ceahlău, jenseits des Königreichs der Wolken, und brachten sie in die Höhle der Einsiedelei des Mönches Gideon. Die Bienen von Sihăstrii fütterten sie mit ihrem Honig und die klaren Nächte badeten sie im Tau von duftenden Blumen.
gemaltes Bild von Maria in der Höhle der Einsiedelei des Mönches
Doch vergebens versteckten die Schicksalsgöttinnen das Mädchen Maria, denn die Sonne sah sie jeden Tag und verliebte sich in sie. Die Sonne stand sehr früh auf, beobachtete Maria stundenlang und vergaß, unterzugehen.
gemaltes Bild von Maria neben der Höhle sitzend, Bienen bringen ihr Töpfe und die Sonne lacht ihr zu
Dies erfreute den Tag, denn er wurde länger und verärgerte die Nacht, weil sie kürzer wurde, bis Abend- und Morgendämmerung fast zur gleichen Zeit erfolgten. Wütend auf die Sonne ging die Nacht zu Gott und erzählte ihm, was da vor sich ging.
gemaltes Bild mit wütender Wolke bestehend aus Mond, Sternen und wütenden Blitzen. In der einen Hand hält er eine Uhr welche auf 3 Uhr steht und mit der anderen Hand zeigt er auf die Sonne
Gott wurde zornig und bestrafte die Sonne, auf dass sie immer nur in Nebeln und Wolken aufgehe, damit sie mit ihrem Zauber der Jugend nicht länger die Seelen der Sterblichen in Versuchung führen könne.
gemaltes Bild einer Sonne, welche von Gewitterwolken verdeckt wird
Aber Panaghia weinte Tag und Nacht, weil sie ihre geliebte Sonne nicht mehr sehen konnte, bis Gott ihr gnädig war und den leichtesten und süßesten Wind sandte, um ihre Tränen zu trocknen.
gemaltes Bild von weinender Maria
Sie betete zu Gott, sie in Stein zu verwandeln und die Sonne aus den Wolken zu befreien.
gemaltes Bild von betender Maria vor einem Holzkreuz
Ihre Gebete wurden erhört: Als sie wieder in die Höhle des Einsiedlers Gideon hinabstieg, spürte sie, dass ihre Füße sich im Boden festgesetzt hatten. Sie wollte gehen, doch ihr Körper ward kalt und steif. Sie wollte ihre Hände heben, aber diese klammerten sich an ihren Körper, der auch von seinem kalten, felsigen Griff erfasst wurde.
gemaltes Bild von Maria wo ihr Unterkörper schon zu einem Stein geworden ist
Und sie versuchte zu schreien, doch ihr Versuch war vergeblich. Und als sich ihr Blick wieder zum Himmel wandte, fielen ihre Lider schwer auf ihre Augen und eine grenzenlose Dunkelheit umfasste sie.
gemaltes Bild von Maria, welche nun schon fast zu Stein geworden ist, nur noch ihre Haare schauen heraus und ihr Herz ist auf den Stein gemalt
Panaghia war in einen Steinfelsen verwandelt worden, der bis heute den Namen Panaghia trägt. Ihr Schmerz und ihre Seele blieben für immer lebendig. Man sagt, dass ihr Herz nicht verhärtet ist, dass sie immer noch von den Strahlen der Sonne geblendet ist, dem Schein der Blumen, den Wolken auf ihren weißen Flügeln, von den süßen und tröstlichen Winden des Sonnenaufgangs und des Sonnenuntergangs umschmeichelt. An klaren Tagen leuchten ihre Augen und man vernimmt ihre Stimme, wenn der Wind sie streichelt. So sagen die Leute, dass die Panaghia wieder mit ihrer Liebe vereint ist. Und ihr Ruhm ging weit in die Ferne, so dass alle Pfade auf Ceahlău an ihr vorbei führen!
gemaltes Bild vom Fels Panaghia, die Sonne scheint und der Berg ist von Wolken umgeben
Etwas dürfte an dieser Geschichte stimmen, denn die meteorologischen Durchschnittswerte belegen, dass es mehr als jeden zweiten Tag im Ceahlău regnet oder schneit, genauer gesagt 209 Tage im Jahr. An durchschnittlich 193 Tagen im Jahr liegen die Lufttemperaturen unter dem Gefrierpunkt. Diese Daten dürften stimmen, denn auf dem Toacă-Gipfel ist eine Wetterstation untergebracht, die man in rund 25 Minuten von der Dochia-Schutzhütte (1750m Höhe) erreichen kann.
gemaltes Bild von Regenwolken über dem Berg Panaghia
Fußnoten
[1] Panaghia ist in der orthodoxen Liturgie ein Beiname der Muttergottes Maria
[2] Die Sonne ist in rumänischen Legenden und Märchen stets männlich
[3] Die drei Ursitoare sollen in der rumänischen Mythologie drei Nächte nach der Geburt eines Kindes erscheinen, um den Verlauf seines Lebens zu bestimmen. Sie ähneln den griechischen Schicksalsgöttinnen oder Parzen.
Foto einer Wandertafel der Umgebung von Cheahlau Foto vom Berg Panaghia Foto vom Berg Panaghia mit Dach im Vordergrund Foto vom Berg Panaghia mit Wanderweg Foto vom Berg Panaghia aus einer anderen Perspektive Foto des kompletten Massvies mit Schutzhütte im Vordergrund und drei Wanderer
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