Als ich meine Großmutter das letzte Mal sah, hatte sie einen klaren Verstand und melancholische Augen.
Sie war 92 Jahre alt.
Wir redeten stundenlang an dem Tisch im Garten, vor der Küche, unter dem Kirschbaum.
Ich erzählte ihr von meinem Leben, wir sprachen über Belangloses und über tiefe Lebensweisheiten. Sie hörte mir genau zu. Ab und zu stoppte sie das Zittern der rechten Hand mit der linken und blickte dann verstohlen zu mir, um sich zu vergewissern, dass ich den unglückseligen Hinweis auf ihr Alter nicht bemerkt hatte.
Sie wurde immer stiller, sie schlief viel mehr und konnte sich kaum noch bewegen. Sie klagte nie über ihre starken Schmerzen, im Gegenteil, sie bestand darauf, die Hühner selbst zu füttern, den alten Stall zu fegen und den besten Kirschlikör der Welt herzustellen.
Ich hatte da schon das Gefühl, dass dies unsere letzte Begegnung sein würde.
Meine Großmutter ist meine Kindheit. Die ersten sieben Jahre meines Lebens verbrachte ich in Crivina bei ihr und meinem Großvater. Sie brachten mir bei zu fegen, den Wein zu lesen, keine Angst vor Würmern in Äpfeln zu haben, Tiere zu lieben, durch den Mais zu rennen und Weihnachtslieder zu singen. Ich habe keine traurigen Erinnerungen an diese Zeit meines Lebens, nur Erinnerungen an Abenteuer, Liebe und Freiheit.