Die Schwamm- oder Zundermänner


Hubert Müller (✝)

Clip
Obwohl der Zunder seit ural­ten Zei­ten zur Feu­er-Er­zeu­gung und auch in der Heil­kun­de ver­wen­det wur­de, er­lang­te die­ses Pilz­pro­dukt erst im 18. und 19. Jahr­hun­dert wirt­schaft­li­che Be­deu­tung. Heu­te fin­det man nur noch sel­ten den ver­wen­de­ten ech­ten Zun­der­schwamm (Fo­mes fo­men­ta­rius). Als Schwä­che- und Wund­pa­ra­sit wächst er an al­ten, meist über­al­ter­ten, ge­schä­dig­ten Laub­holz­stäm­men, vor­zugs­wei­se an Bu­che; in­fol­ge forst­wirt­schaft­li­cher Maß­nah­men hat er so­mit kaum noch die not­wen­di­gen Be­din­gun­gen für ei­ne Fruk­ti­fi­ka­tion.
Handwerker bei der Arbeit
Über den Gewerbezweig der Zun­der­ge­win­nung be­rich­tet R. MÜL­LER in­te­res­san­te Fak­ten. Die huf­för­mi­gen Frucht­kör­per des Zun­der­schwam­mes kön­nen 30 - 40 cm breit wer­den und er­hal­ten all­jähr­lich ei­ne Zu­wachs­schicht. Die Le­bens­dau­er er­streckt sich über Jahr­zehn­te, denn die von die­sem Pilz er­zeug­te Weiß­fäu­le bringt das Baum­holz nur lang­sam zum to­ta­len Ver­fall, noch am lie­gen­den Baum oder Baum­stück wächst der Zun­der­schwamm wei­ter. Un­ter der har­ten, di­cken, horn­ar­ti­gen Krus­te liegt ei­ne rest­brau­ne, werg­ar­tig wei­che, aber zä­he Schicht, aus der man frü­her den Zun­der ge­wann. Die fla­che Un­ter­sei­te der Tra­me­te trägt die Röh­ren­schicht, die die Spo­ren be­in­hal­tet.
Clip
Zum Werkzeug der "Schwamm-Männer" ge­hör­te ein klei­nes Hand­beil, sta­bi­le Mes­ser, schar­fe Schab­ei­sen, ei­ne Lei­ter, mit­un­ter so­gar Klet­ter­spo­ren und der lei­ne­ne Sam­mel­sack. Im Herbst nach dem Laub­fall war die Haupt­sai­son der Zun­der-Ern­te. Am Fund­ort schnitt man die brau­ne, wild­le­der­ar­ti­ge Schicht aus der hol­zi­gen Kon­so­le und pack­te sie in den Sam­mel­sack. In Kör­ben wur­de der Er­trag heim­ge­bracht, oder man be­nutz­te die Ra­de­ber­re (Schub­kar­re). Ein Samm­ler konn­te 20 Pfund und mehr die­ser be­gehr­ten Wa­re an ei­nem Tag nach Hau­se brin­gen. Dort er­folg­te dann die um­ständ­li­che Be­ar­bei­tung. Der Zun­der wurde 8 - 14 Ta­ge in Gär­lö­sung aus Was­ser und Pott­asche oder in Lau­ge aus Urin und Asche ge­legt, so­dann aus­ge­wa­schen, lang­sam ge­trock­net, mit ei­nem Holz­ham­mer auf ei­nem Holz­am­boss dünn aus­ge­klopft und mit den Hän­den weich­ge­rie­ben.
Handwerker bei der Arbeit
Der fertige Zunder fand man­nig­fal­ti­ge Ver­wen­dung; Zu schma­len Strei­fen ge­schnit­ten wur­de er mit Sal­pe­ter­lö­sung oder mit Ka­lium­chlo­rit­lö­sung ge­tränkt oder gar mit Schieß­pul­ver ein­ge­rie­ben. So dien­te er zum Auf­fan­gen des mit Stahl und Feu­er­stein er­zeug­ten Fun­kens. Das Feu­er­an­zün­den dau­er­te oft ei­ne Vier­tel­stun­de. Um den Zun­der ei­ne an­ge­neh­me Duft­no­te zu ver­lei­hen, gab man dem Ein­weich­was­ser Gas­da­ril­len­rin­de bei. Der wür­zi­ge Ge­ruch des Zun­ders bil­de­te dem Pfei­fen­rau­cher ei­ne Ver­bes­se­rung des oft min­der­wer­ti­gen Krau­tes. Die Re­de­wen­dung "es brennt wie Zun­der" ist noch heu­te ge­bräuch­lich.
Handwerker bei der Arbeit
Große Zunderstücke wurden zur Her­stel­lung von Klei­dungs­stü­cken ver­wen­det. Es wur­den Schür­ze und Kopf­be­de­ckun­gen für Berg­leu­te, Müt­zen, Beu­tel, Hand­schu­he, Käst­chen und Or­na­men­te an­ge­fer­tigt. Noch heu­te wer­den in den Sou­ve­nir­ge­schäf­ten in den Ge­birgs­or­ten der VR Ru­mä­nien und der CSSR Jo­ckey-Müt­zen, Hand- und Ein­kaufs­ta­schen u.a. aus dem wild­le­der­ar­ti­gen Ma­te­rial ver­kauft, die sich größ­ter Be­liebt­heit er­freu­en. Kaum ein Käu­fer ist über den Ur­sprung des Ma­te­rials ori­en­tiert. Man ist stolz auf die preis­wer­te Wild­le­der­müt­ze, dann aber sehr er­staunt, wenn das "Le­der" beim ers­ten Re­gen­guss vo­rü­ber­ge­hend schwamm­ar­tig auf­quillt. Ge­klopft und in Was­ser ge­sie­det war der Zun­der als Wund- oder Blut­schwamm bei Ba­dern, Bar­bie­ren und Apo­the­kern von gro­ßem Wert we­gen sei­ner gro­ßen Saug­fä­hig­keit und auch blut­stil­len­den Wir­kung.
Handwerker bei der Arbeit
Im kleinen Ort Korund (Süd­kar­pa­ten), über­wie­gend von Szek­lern be­wohnt, le­ben heu­te noch ca. 13 Fa­mi­lien, die die Zun­der­pilz­ver­ar­bei­tung be­herr­schen und ih­re hand­werk­li­chen Pro­duk­te dort auch ver­kau­fen (sie­he Fo­tos). Im De­zem­ber/Ja­nuar wird der Pilz in dich­ten Wäl­dern von al­ten Bu­chen ge­ern­tet und im Früh­jahr und Som­mer dann zu den be­rühm­ten Kap­pen, Ta­schen und Deck­chen ver­ar­bei­tet. Seit der Stein­zeit aber hat der Mensch be­reits den Zun­der­pilz zur Er­zeu­gung des Feu­ers ge­nutzt (nach­ge­wie­sen seit der Mit­tel­stein­zeit). Zu­sam­men mit der Schwe­fel­kies­knol­le, Feu­er­stein und spä­ter dann mit dem Feu­er­stahl und Feu­er­stein ge­hör­te der Zun­der zum wich­tigs­ten Be­stand­teil der Feu­er­zeu­ge des Men­schen - bis ins 19./20. Jahr­hun­dert hi­nein.
Quelle:
Unveröffentlichtes Manus­kript "Thü­rin­ger Wald­be­ru­fe"
erarbeitet von Hubert Müller (✝), Februar 1988
VOLKSKUNDLICHE BE­RA­TUNGS- UND DO­KU­MEN­TA­TIONS­STEL­LE FÜR THÜ­RIN­GEN
IM MUSEUM FÜR THÜ­RIN­GER VOLKS­KUNDE
Juri-Gagarin-Ring 140a
99084 Erfurt
Tel./Fax 0361/6439005
Zurück-Button