Unfreiwillige Wanderung durchs verschneite Apuseni

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Es sollte eigentlich eine nor­ma­le Früh­jahrs­wan­de­rung durch das Apu­seni-Ge­bir­ge wer­den, in der Ge­gend von Pa­dis. Doch schließ­lich wur­de es ei­ne ech­te Win­ter­tour....
Winterlandschaft
Wir waren zu zweit un­ter­wegs, mein Bru­der, da­mals 13 und ich, da­mals 16 Jah­re alt. Zwar wa­ren wir er­fah­re­ne Wan­de­rer und wir kann­ten man­che Stel­len in Pa­disch, die­se Tour war je­doch weit­ge­hend Neu­land für uns und bot man­che un­er­war­te­te Über­ra­schung.
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1. Tag:
Die erste Über­ra­schung war, das je nä­her wir den Ber­gen ka­men, um so mehr weiß in der Fer­ne zu se­hen war. In Klau­sen­burg hat­te es schon seit Wo­chen kei­nen Schnee mehr ge­ge­ben, es war ja auch schon nach Os­tern. Als un­se­re El­tern uns schließ­lich bei Ic Po­nor, etwa 20 km vor Pa­dis, aus dem Au­to lie­ßen, war der Schnee be­reits knö­chel­tief. Wir ver­spra­chen un­se­ren El­tern, so oft das mög­lich sein wür­de, in Hüt­ten zu schla­fen und un­ser Zelt nur im Not­fall zu be­nut­zen, wenn wir nicht bis zu ei­ner Hüt­te durch­hal­ten wür­den.

Wir schlugen den Weg über die Alun-Höh­le, ei­ne et­was ver­steckt lie­gen­de Tropf­stein­höh­le ein. Zu­nächst folg­ten wir ei­nem leicht an­stei­gen­den Forst­weg. Links da­von liegt die Tropf­stein­höh­le, der wir aber nur ei­nen kur­zen Be­such ab­stat­teten, da wir sie von frü­he­ren Be­su­chen her schon gut kann­ten.

Winterlandschaft
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Am Ende des Forstweges ging es rechts den Hang steil berg­auf, so dass wir mit un­se­ren Ruck­sä­cken ge­wal­tig ins Schnau­fen ka­men. Au­ßer­dem war es wohl die Nord­sei­te des Tals, oder aber das Tal war da schon so eng, dass kaum die Son­ne mal hi­nein­schien. Je­den­falls führ­te un­ser Weg berg­auf durch bauch- bis hüft­ho­hen Schnee! Und zu al­lem Über­fluss wa­ren auch die Mar­kie­run­gen kaum mehr zu se­hen.
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Bald war mein Bruder völ­lig am En­de sei­ner Kräf­te und da es auch schon auf den Abend zu­ging, muss­ten wir ei­nen Zelt­platz fin­den. Aber wie macht man das an ei­nem stei­len Hang von 30 - 40° Stei­gung?? Schließ­lich fan­den wir ei­nen Platz un­ter ei­ner gro­ßen al­ten Tan­ne, un­ter der nur we­nig Schnee lag. Ober­halb vom Baum­stamm leg­ten wir ein paar to­te Stämm­chen, die in der Nä­he he­rum­la­gen zu ei­ner klei­nen Platt­form zu­sam­men, stell­ten da­rü­ber das Zelt krumm und schief auf. Dann wur­den un­se­re schwe­ren, aber die­ses mal sehr nütz­li­chen Luft­ma­trat­zen auf­ge­bla­sen und ka­men ins Zelt. Wir zo­gen al­le Klei­der über­ei­nan­der, die wir mit hat­ten, setz­ten Müt­zen auf und zo­gen Hand­schu­he an und kro­chen in un­se­re Schlaf­sä­cke.
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2. Tag:
Trotz allem blieb es ei­ne kur­ze Nacht. Um 5 Uhr mor­gens weck­te uns die un­er­bitt­li­che Käl­te. Wir zo­gen uns zäh­ne­klap­pernd an, rann­ten et­was im Schnee he­rum um warm zu wer­den und mach­ten dann ein Feu­er an. Da­rauf wur­de im Ceaun ei­ne Men­ge Schnee ge­schmol­zen, bis es reich­te, um ei­nen Tee aus Tan­nen­spit­zen, Blau­beer­blät­tern und ähn­li­chen Kräu­tern zu brau­en. Es war köst­lich, wie­der rich­tig warm zu wer­den. Nach dem Früh­stück pack­ten wir das Zelt ein und mit fri­schen Kräf­ten ging es den Steil­hang hoch, bis wir auf das Pla­teau von On­cea­sa ge­lang­ten.

Oben war der Schnee nicht mehr ganz so tief und wir fan­den auch bald den Ein­gang zur Höh­le On­cea­sa, die für zahl­rei­che Fun­de von Höh­len­bä­ren be­kannt war. Wir fan­den auch ei­ni­ge schö­ne Zäh­ne, ob sie nun von Höh­len­bä­ren oder bloß ge­wöhn­li­chen Bä­ren stam­men moch­ten, ha­be ich frei­lich nie ge­nau­er un­ter­sucht.

Dann folgten wir der Markierung über weit­ge­hend ebe­ne Stre­cken und ge­lang­ten nach ei­ni­gen Stun­den zu der zen­tra­len Schutz­hüt­te von Pa­dis, wo es uns aber nicht ge­fiel. Da wir noch ein paar Stun­den Licht hat­ten, stie­gen wir von dort et­wa ei­ne knap­pe Stun­de in ei­ne uns wohl­be­kann­te Lich­tung ab, wo wir Jahr für Jahr ein Fe­rien­la­ger (im Som­mer) be­sucht hat­ten. Wir fan­den den Vor­rats­kel­ler, ein zu ¾ un­ter­ir­di­sches Ver­ließ, das mit di­cken Gras­bo­den über sta­bi­len Holz­kon­struk­tio­nen ab­ge­deckt war. Die­ser Kel­ler war ge­ra­de groß ge­nug, das un­ser klei­nes 2-Mann­zelt ge­nau hi­nein pass­te. So wa­ren wir in die­ser Nacht wun­der­bar ge­bor­gen und hat­ten es so warm, dass wir bis um 11 Uhr aus­ge­schla­fen ha­ben.

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3. Tag:
Nach dem Frühstück und Ruck­sack­pa­cken muss­ten wir den größ­ten Teil des Ab­stiegs vom Vor­tag wie­der auf­stei­gen, was uns mit vol­lem Magen nicht leicht fiel.

Unser Weg für den Tag war im Som­mer ein 4-Stun­den-Weg, im Win­ter soll­ten wir je­doch weit­aus län­ger brau­chen. Die ers­ten Stun­den hat­ten wir traum­haf­tes Son­nen­wet­ter, doch durch die Son­nen­wär­me hielt die Harsch­schicht an vie­len Stel­len nicht mehr. So konn­ten wir im­mer mal ein paar Me­ter weit auf dem Harsch ge­hen, um dann plötz­lich bis zu den Hüf­ten ein­zu­sin­ken. Dann muss­te man sich müh­sam wie­der he­raus­ar­bei­ten. Der Schnee hielt ei­nen wie­der ei­ni­ge Me­ter um ei­nen dann un­ver­mu­tet wie­der brust­tief ein­sa­cken zu las­sen. Hin­zu kam, dass wir in der Son­ne mäch­tig schwitz­ten und so bald ein schat­ti­ges Weg­stück kam rasch wie­der Pul­lo­ver und Ano­rak an­zie­hen muss­ten. Dann kam wie­der ein son­ni­ger Ab­schnitt - al­so wie­der aus­zie­hen usw. ...

Um die Mittagszeit trafen wir auf eine klei­ne Som­mer­sied­lung von Berg­bau­ern. Die Häu­ser wa­ren un­ver­schlos­sen. Wir ver­such­ten, uns et­was ähn­li­ches wie Schnees­chu­he zu bau­en, aber es ge­lang uns lei­der nicht, sie fest an die Schu­he zu schnal­len, al­so blieb al­les beim Al­ten. Un­se­re Aus­rüs­tung war sehr schlicht: Ich hat­te bei­spiels­wei­se Gum­mi­stie­fel an, da ich wohl mit Matsch aber nicht mit Tief­schnee ge­rech­net hat­te. Je­des Mal, wenn ich im Tief­schnee ver­sank, kam fri­scher Schnee in die Gum­mi­stie­fel, der nach und nach ge­schmol­zen wur­de. Al­le hal­ben Stun­den blieb ich ste­hen und leer­te das Schmelz­was­ser aus den Stie­feln...

Gegen Abend hatten wir noch ei­nen lan­gen Auf­stieg. Dann ging es durch den Wald ab­wärts und bei zu­neh­men­der Dun­kel­heit nä­her­ten wir uns lang­sam un­se­rem Ziel - dem Dorf Ghe­tar bei der Sca­ri­soa­ra. Dort soll­ten wir auf ei­ne Ju­gend­grup­pe der Höh­len­for­scher aus Klau­sen­burg sto­ßen, die ein Zelt­la­ger hat­ten und bei de­nen wir als spä­ter hin­zu­kom­men­de "Gäs­te" be­reits an­ge­mel­det wa­ren. Kurz vor dem Ziel wa­ren wir schon recht am En­de un­se­rer Kräf­te und muss­ten al­le paar hun­dert Me­ter ei­ne Pau­se ein­le­gen. Vor uns er­kann­ten wir plötz­lich ei­ni­ge ge­heim­nis­vol­le Ge­bil­de: Meh­re­re gro­ße, leuch­ten­de Drei­ecke, die in der Luft schweb­ten. Wir trau­ten un­se­ren Au­gen kaum. Beim Nä­her­kom­men ent­pupp­ten sie sich als die Dach­be­rei­che der Zel­te un­se­rer Speo­lo­gen­grup­pe. Die Sei­ten­wän­de wa­ren aus dun­kel­blau­em Stoff und so sah man von dem Licht der Car­bid­lam­pen in den Zel­ten nur die er­leuch­te­ten Dach­tei­le, die aus hel­lem Ma­te­rial wa­ren und das Licht durch­lie­ßen.

4. Tag:
Nach einer ruhigen Nacht durf­ten wir dann mit den Höh­len­for­schern in die Eis­höh­le ab­stei­gen und an­ders als bei nor­ma­len Be­su­chen durf­ten wir auch in die "Re­ser­va­tion" ab­stei­gen. An ei­ner Strick­lei­ter ging es et­wa 40 m tief an ei­ner Art ge­fro­re­nem Was­ser­fall hi­nab. Un­ten gab es dann schö­ne Tropf­stein­for­ma­tio­nen zu be­sich­ti­gen.

Winterlandschaft
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Nach 1- 2 weiteren Ta­gen mit die­ser mun­te­ren Grup­pe ging es dann mit ih­rem Bus wie­der nach Klau­sen­burg - der Zi­vi­li­sa­tion ent­ge­gen. Es war si­cher ei­ne sehr an­stren­gen­de und durch un­se­re Un­er­fah­ren­heit auch ge­fähr­li­che Tour. Doch die Er­in­ne­rung da­ran be­rei­tet mir noch heu­te, nach über 30 Jah­ren im­mer wie­der Freu­de. Erst jetzt, nach­dem ich man­che die­ser We­ge mit den ei­ge­nen Kin­dern im Som­mer wie­der zu­rück­ge­legt ha­be, wird die Fra­ge in mir wach: Wie­so ist es uns da­mals trotz ho­hem Schnee im­mer wie­der ge­lun­gen, die mi­se­rab­len Weg­mar­kie­run­gen zu fin­den. Welch ein Glück, dass wir nicht stän­dig in die Ir­re ge­lau­fen sind!
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