Nach Hause - Teil 1


von Alexandra

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Seit fast 3 Wo­chen bin ich nun un­ter­wegs und bin im­mer wie­der aufs Neue er­staunt und fas­zi­niert. An­ge­fan­gen hat mei­ne Rei­se in Ber­lin, von dort aus ging es wei­ter nach Po­len, ers­ter Halt war Bres­lau. Ich hat­te schon viel von die­ser ehe­mals deut­schen und sehr schö­nen Stadt ge­hört. In Kra­kau bin ich ei­ni­ge Ta­ge ge­blie­ben, war sehr be­ein­druckt von der Stadt, vor al­lem von dem al­ten jü­di­schen Vier­tel, ein ganz be­son­de­res Flair, ei­ne schö­ne At­mo­sphä­re in die­sen Stra­ßen, die ge­prägt sind von klei­nen Ca­fes und Knei­pen, Kunst­ga­le­rien. Die bes­ten hei­ßen Scho­ko­la­den ha­be ich hier ge­trun­ken. Und ei­ni­ge schö­ne al­te Sy­na­go­gen an­ge­schaut. Un­glaub­lich, wenn ich mir vor­stel­le, wie es hier vor 100 Jah­ren aus­ge­se­hen hat, als all die Hand­werk­stät­ten noch be­lebt wa­ren, die Res­tau­rants noch echt jü­disch wa­ren und ei­ne re­ge ge­schäf­tig­keit in den Stra­ßen herrsch­te. Jetzt ist es eh­er die Ju­gend-In-Sze­ne die hier un­ter­wegs ist.

Von Kra­kau aus gings durch die Slo­wa­kei und durch Un­garn nach Ru­mä­nien. Nach ei­ner schreck­li­chen und völ­lig über­teu­er­ten Nacht in der Slo­wa­kei woll­te ich nur noch in Ru­mä­nien an­kom­men und bin mit dem nächs­ten Zug durch­ge­fah­ren. Und dort war es dann ein biss­chen wie ein er­leich­ter­tes nach-Hau­se-kom­men. Ich ha­be mich auch gleich wohl ge­fühlt in die­sem Land. Be­gon­nen hat mei­ne Rei­se hier in Si­biu, dem al­ten Her­mann­stadt, das ei­nes der ers­ten von den ehe­ma­li­gen deut­schen Sied­lern be­wohn­tes Ge­biet war. Vor über 800 Jah­ren ka­men die­se Men­schen hier her und ha­ben ei­ne ganz un­glaub­li­che Kul­tur auf­ge­baut, die bis heu­te im­mer noch ih­re Spu­ren hin­ter­las­sen hat. Doch seit ca. 20 Jah­ren sind fast al­le Sie­ben­bür­ger Sach­sen aus­ge­wan­dert und ha­ben Geis­ter­städ­te und vor al­lem Geis­ter­dör­fer hin­ter­las­sen. Die wur­den dann von Ru­mä­nen und Ro­ma be­sie­delt und so­mit hat sich auch der ehe­mals deut­sche sehr sau­be­re und or­dent­li­che Cha­rak­ter die­ser Häu­ser und Dör­fer ver­än­dert.

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Es ist alles ein bisschen ver­las­sen und ver­gan­gen, aber trotz­dem wie­der­be­lebt. Die Men­schen sind un­glaub­lich freund­lich, la­chen viel und ver­su­chen mir gleich viel zu er­zäh­len, auch wenn ich sie lei­der nicht sehr gut ver­ste­he. Die Spra­che ist ei­gent­lich sehr schön und dem Ita­lie­ni­schen sehr ähn­lich. Ich ver­su­che auch ein paar Wör­ter zu ler­nen, denn ge­ra­de der Um­gang mit den Men­schen hier macht die­ses Land so in­te­res­sant. Ich ha­be aber auch schon ei­ni­ge Men­schen hier ken­nen­ge­lernt, die gut deutsch oder auch fran­zö­sisch und eng­lisch konn­ten. So kom­me ich im­mer ganz gut wei­ter. Be­son­ders be­ein­druckt mich das Land­le­ben. Es ist al­les ein biss­chen ein­fa­cher und lang­sa­mer hier. Haupt­ver­kehrs­mit­tel auf dem Land ist im­mer noch der Pfer­de­wa­gen. So vie­le ha­be ich mitt­ler­wei­le schon ge­se­hen und je­des mal blei­be ich wie­der aufs Neue fas­zi­niert ste­hen und könn­te ih­nen stun­den­lang hin­ter­her schau­en wenn sie lang­sam und ge­mäch­lich an mir vor­bei­trot­ten oder aber im Ga­lopp die Wa­gen vor­bei­flie­gen. Oben drauf sit­zen dann oft herz­al­ler­liebs­te al­te Men­schen, mit Kopf­tuch die Frau­en, mit Hut die Män­ner, tief ver­sun­ken in den Rhyth­mus der Pfer­de­hu­fe, die auf den Bo­den schla­gen, oder aber es sit­zen jun­ge Ker­le mit Zi­ga­ret­te auf dem Kutsch­bock und schrei­ben SMS oder es sit­zen gan­ze Fa­mi­lien hin­ten drauf. Oft ist der Wa­gen be­la­den mit gro­ßen Hau­fen Mais­stroh oder Holz. Über­all fah­ren die­se Pfer­de­wä­gen, auch in den Städ­ten.

Die Landschaft ist ge­prägt von klei­nen Hü­geln und Ber­gen. Vie­le klei­ne Fel­der gibt es über­all, haupt­säch­lich Mais. Zur Zeit ist Mais­ern­te. Da sind al­le auf dem Feld drau­ßen und ern­ten den Mais mit der Hand! Durch die Luft zieht Rauch, denn die Fel­der wer­den nach der Ern­te oft ab­ge­brannt. In den Dör­fern vor dem Haus sit­zen al­te Men­schen. Und ge­ra­de die­se Al­ten ha­ben es mir an­ge­tan: ih­re Ge­sich­ter er­zäh­len Ge­schich­ten. Und da­zu die­se ein­fa­che Klei­dung, die Kopf­tü­cher. Und im­mer ein freund­li­ches Lä­cheln, wenn ich vor­bei kom­me und im­mer er­zäh­len sie mir viel, auch wenn ich sa­ge, dass ich nichts ver­ste­he. Dann er­zäh­len sie erst recht und hal­ten mich am Arm und la­chen und freu­en sich. In je­dem Dorf gibt es klei­ne Ge­schäf­te, wel­che bis spät in die Nacht ge­öff­net ha­ben. Doch Bä­cke­rei­en gibt es fast kei­ne. Hier wird nur In­dus­trie-Brot ge­ges­sen, schreck­lich weich und weiss. Und das, ob­wohl je­der die­ser al­ten wun­der­schö­nen Hö­fe ei­nen ei­ge­nen Back­ofen im Hof ste­hen hat. Die wer­den nun lei­der fast nicht mehr be­nutzt, er­zäh­len aber von ei­ner Zeit vor dem Kom­mu­nis­mus. Je­der Hof hat au­ßer­dem ei­nen Hund, der un­un­ter­bro­chen bellt, so­bald je­mand die Stra­ße ent­lang­kommt. Das gibt ein gro­ßes Hun­de­ge­bell, wel­ches auch mal die gan­ze Nacht an­dau­ern kann. Auf den Stra­ßen lau­fen Gän­se und Trut­häh­ne he­rum, da­zwi­schen Kin­der und hin und wie­der rast ein al­tes Au­to mit lau­ter Mu­sik durch die Stra­ßen. An­sons­ten die Kut­schen. Und wenn ein Bau­er mal so reich ist und sich ei­nen Trak­tor kau­fen kann, dann steht die­ser Trak­tor mit­samt Pflug und Egge stets vor dem Hof­tor, da­mit auch je­der Pas­sant den Reich­tum se­hen kann.

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Und dann gibt's da am Ran­de fast je­den Dor­fes ein Ro­ma­la­ger. Hier le­ben oder viel­leicht eher hau­sen die Ro­ma. Die­ses Volk, das hier so un­be­liebt bei den Ru­mä­nen ist, dass ein Zu­sam­men­le­ben fast un­mög­lich macht. Die Hüt­ten, in de­nen die­se Fa­mi­lien le­ben sind win­zig, win­zig klein. Oft nur ein Zim­mer, doch ein biss­chen Far­be muss sein. Al­so wer­den die­se ein­fa­chen Lehm- und Holz­häu­ser mit bun­ten Far­ben an­ge­stri­chen: blau, li­la, grün. Und auch wenn es nichts gibt und auch kein fliess­en­des Was­ser: Ei­ne Sat-Schüs­sel ist auf fast je­dem Dach. Ein un­glaub­li­cher Dreck über­all, Wä­sche hängt zum trock­nen und vie­le Kin­der. A­lle sind neu­gie­rig und schau­en wer da kommt. Al­le sind ganz bunt ge­klei­det, vor al­lem die Frau­en mit ih­ren lan­gen wei­ten Rö­cken und den Kopf­tü­chern. Ei­gent­lich ein net­tes Volk, soll­te man mei­nen. Aber was ich so mit­krie­ge von den Men­schen hier, dass lässt mich nach­voll­zie­hen, was sie so un­be­liebt macht: sie sind un­glaub­lich dreist und scham­los, ein schlech­tes Ge­wis­sen schei­nen sie nicht zu ken­nen. Und so nut­zen sie al­les und je­de Ge­le­gen­heit zu ih­rem Vor­teil, klau­en und bet­teln. Ei­ni­ge Ta­ge ha­be ich bei ei­ner un­glaub­lich net­ten deutsch-un­ga­risch-ru­mä­ni­schen Fa­mi­lie auf dem Bau­ern­hof ge­wohnt. De­nen wur­den doch tat­säch­lich schon Käl­ber und Scha­fe vom Hof ge­klaut. Den Mais kön­nen sie nicht un­be­auf­sich­tigt las­sen und Hüh­ner kön­nen sie gar nicht hal­ten, denn die wä­ren nicht lan­ge da. So müs­sen sie im­mer wie­der Ent­täu­schun­gen hin­neh­men, wenn die Ern­te bei­spiels­wei­se knapp aus­fällt, weil schon je­mand zu­vor ge­ern­tet, sich je­mand ganz selbst­ver­ständ­lich von den Apfel- und Nuss­bäu­men be­dient hat.

Aber dennoch sind Land und Leu­te hier wun­der­schön. Die Kü­he wer­den je­den Mor­gen vom Dorf­hir­ten ab­ge­holt und auf der Wei­de ge­hü­tet und abends kom­men sie zum Mel­ken wie­der und je­de Kuh kennt ih­ren Stall. Zur Zeit woh­ne ich wie­der für ein paar Ta­ge auf so ei­nem Hof, wur­de so sehr herz­lich auf­ge­nom­men und füh­le mich sehr wohl. Für ein paar Ta­ge an ei­nem Ort woh­nen tut gut, bis die Rei­se dann wie­der wei­ter geht.

Das waren meine ers­ten Ein­drü­cke von ei­ner Reise, die mich sehr be­ein­druckt und be­rührt.

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