Rumänische Märchen


ausgesucht von Georgeta Wehrmann

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Ob in der Adventszeit oder das gan­ze Jahr über, die Mär­chen, Sa­gen und Le­gen­den be­glei­te­ten und fas­zi­nier­ten uns als Kind. Ab­ge­se­hen vom tie­fen­psy­cho­lo­gi­schen Sinn und ih­rer Heil­kraft, war es der Wunsch, das Gu­te, Schö­ne und die Ge­rech­tig­keit mö­gen sie­gen, der uns an die­sen Er­zäh­lun­gen so an­zo­gen. Denn Mär­chen und My­then zei­gen uns je­ne schlum­mern­de Kraft­quel­le, die je­der von uns in sich trägt.
Und noch etwas ist uns le­ben­dig in Er­in­ne­rung ge­blie­ben: die Stim­me je­ner Mut­ter, Tan­te, Groß­mut­ter oder gar Ur­groß­mut­ter, die uns ge­heim­nis­voll er­zähl­te oder vor­las; am Ker­zen- oder Pe­tro­leums­lam­pen­licht, da Strom ab 18 Uhr ta­bu war. Und wenn ge­ra­de noch ei­ne klei­ne Maus über den Holz­fuß­bo­den husch­te, war der Abend um­so span­nen­der. Das Feu­er zisch­te im Ofen, wir aßen Nüs­se, ge­trock­ne­te Äp­fel, nur sel­ten Oran­gen und lausch­ten.
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Eine Kostprobe davon:
Das Goldene Kreuzlein
"Es war einmal ein Mann und ei­ne Frau, die hat­ten ein schö­nes Mäd­chen. Weil sie aber so arm wa­ren, woll­te es nie­mand zur Frau ha­ben und es kam auch nie ein Frei­er ins Haus. Ei­nes Abends aber ka­men zwei Jüng­lin­ge, spra­chen sehr ar­tig mit dem Mäd­chen und ent­fern­ten sich sehr bald. Als sie im Be­griff wa­ren das Haus zu ver­las­sen, woll­te sie das Mäd­chen ge­lei­ten. Die Mut­ter aber raun­te ihr zu: "Blei­be zu­rück!" und gab ih­nen selbst das Ge­lei­te. Da sah sie die Jüng­lin­ge durch den Gar­ten hin­ter dem Hau­se ge­hen. Und als sie in der Mit­te des Gar­tens wa­ren, ver­wan­del­ten sie sich in zwei hel­le Flam­men und ver­san­ken in die Er­de.
Voller Angst kam die Mut­ter zu­rück und sag­te dem Mäd­chen: "Ar­mes Kind, die Jüng­lin­ge, die dich be­such­ten, wa­ren nicht, was sie schie­nen, son­dern zwei gräu­li­che Smei (Dra­chen). Als die Jung­frau der Mut­ter Wor­te hör­te, ver­lang­te sie, Sarg und Grab sol­le ihr be­rei­tet wer­den, denn sie stür­be. Kaum war bei­des be­rei­tet, so starb das Mäd­chen. Weh­kla­gend be­gru­ben es die El­tern in dem Gar­ten. Aus sei­nem Grab aber schoss ein Obst­baum auf und in dem grün­en Wip­fel des Bau­mes wuchs ein gol­de­nes Kreuz­lein, das neig­te sich vor je­dem Men­schen, der es er­blick­te.
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Einst als der Kaiser an dem­sel­ben vo­rü­ber ging, neig­te es sich wie­der. Da be­fahl er sei­nen Die­nern, es he­rab zu­neh­men und in sei­nem Schlaf­ge­mach auf­zu­stel­len und die Die­ner ta­ten nach sei­nem Be­fehl. Kurz da­rauf kam ei­nes Abends ein Ro­ma an die Pfor­te des Pa­las­tes und bat um Nacht­her­ber­ge. Als sie ihm ab­ge­schla­gen wur­de, bat er im­mer drin­gen­der, bis ihm der Kai­ser er­laub­te, hin­ter dem Ofen sei­nes Schlaf­ge­ma­ches zu über­nach­ten. Der Ro­ma, weil er vol­ler Läu­se war, konn­te nicht schla­fen und sah, wie aus dem Kreuz­lein ein schö­nes Mäd­chen he­raus­trat, zum Ti­sche ging und aß, was der Kai­ser üb­rig ge­las­sen hat­te.
Am Morgen sprach er zum Kai­ser: "Ach, Herr, hät­test du doch ge­se­hen, was ich die­se Nacht sah, und er­zähl­te ihm al­les. Da sprach der Kai­ser: "Wie stel­le ichs nur an, das zu se­hen?" Der Ro­ma er­wi­der­te: "Le­ge mei­ne Klei­der an und stel­le dich hin­ter den Ofen." Der Kai­ser tats und konn­te der Läu­se we­gen auch nicht schla­fen. Der Ro­ma aber schnarch­te in des Kai­sers wei­chem Bet­te. Als nun der Kai­ser das wun­der­schö­ne Mäd­chen aus dem Kreuz­lein tre­ten und zum Ti­sche ge­hen sah, sprang er her­vor, fass­te es an der Hand, und weil es so schön war, nahm ers zur Frau und fei­er­te schon am nächs­ten Ta­ge die Hoch­zeit."
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