Es ist klar, es gibt sie, die besonderen Orte. Für den einen ist so ein Ort sein heimisches Sofa, für den anderen der Gipfel des Kilimantscharo und für mich sind es u.a. die Orte Obcina in der Maramures und Lindenfeld im Banat. Immer wieder berichteten mir Rumänienfreunde von Besuchen in diesem verlassenen Dorf im südwestlichen Landesteil von Rumänien. Eigentlich gäbe es da nichts besonderes, erzählten sie mir - ein paar verfallene Häuser, ein notdürftig repariertes Kirchlein ... nix sensationelles also .... ABER.... Ich war neugierig auf dieses ABER und wollte unbedingt wissen, was das Leuchten in den Augen der Besucher des verfallenen Dorfes verursacht.
Während meines letzten Urlaubes in Rumänien besuchte ich wieder einmal Wolfsberg. Wolfsberg ist wie Lindenfeld ein ehemaliges von Deutsch-Böhmen besiedeltes Bauerndorf, aber im Gegensatz zu Lindenfeld sind die Häuschen und Höfe meist in einem sehr gutem Zustand, da sie nun als Ferienanwesen genutzt werden.
Die Sommerfrischler sind auch ehemaliger Bewohner der Dörfer, die sich während der Ferien über die neusten Neuigkeiten mit Freunden und Bekannten austauschen. Ein schönes Bild - empfand ich, als ich das Foto schoss. So stelle ich mir einen Wolfsberger Sonntagnachmittag vor 25 Jahren vor.
Helmut, der auch ein Häuschen in Wolfsberg besitzt, hatte mich eingeladen. Als ich aufs herzlichste bewirtet auf seiner Terrasse saß, genoss ich einen tollen Blick auf die ehemaligen Felder.
Ich war fasziniert von dem Anblick, denn bei meinem ersten Besuch vor 13 Jahren, gab es hier weder Bäume noch Sträucher. Man konnte die uralten Einteilungen der Felder klar erkennen und rätselte welche Früchte die Bauern wohl demnächst hier anbauen werden. Aber auch damals wurden die Felder schon nicht mehr bestellt. Die ehemaligen Bewohner sind vorwiegend in die Heimat ihrer Vorfahren - nach Deutschland - zurück gekehrt. Nun holt sich die Natur im rasantem Tempo zurück, was ihr die Menschen vor 300 Jahren mühevoll abgestritten haben. Von Helmuts Terrasse aus ist man "live" dabei! Wie lange wird es wohl dauern, bis Urwald über die alten Kulturflächen gewachsen ist?
Mit meinem Gastgeber Helmut habe ich schon oft darüber gesprochen, dass ich gern Lindenfeld sehen möchte. Nun ergab sich endlich die Gelegenheit. Helmut und ich waren zeitgleich in Wolfsberg und er konnte mein Reiseführer sein. An meinem letzten Urlaubstag machten wir uns auf dem Weg.
Lindenfeld, ein Dorf der Deutsch-Böhmen auf dem Bergrücken des Cracu Ceului (in 798 m Höhe) gelegen, wurde ca. 1828 gegründet. Es befindet sich 12 km nördlich von Wolfsberg und ist von seiner Gründung an sehr schwer zu erreichen. Normalerweise waren die einzigen Möglichkeiten das Dorf zu besuchen - außer über die Berge zu wandern - ein Fuhrwerk, ein Traktor oder neumodisch ein Quad zu benutzen. Doch der Zufall wollte es, dass ein Unternehmer, der in Lindenfeld eine Herberge für Touristen errichten möchte, den sonst unbefahrbaren Weg frisch geschoben hat. Helmut meinte, ich könnte mit dem Opel hinauf nach Lindenfeld fahren. Ich war begeistert und fuhr von Wolfsberg nach Slatina Timis und von da weiter auf der E 70 nach Buchin. Dort gibt es einen Abzweig, nach Poiana. Am Ende dieses Dörfchens verabredete ich mich mit Helmut, der mit seinem Geländemotorrad quer über die Berge zum Treffpunkt kommen wollte. Während der Auffahrt nach Lindenfeld blieb Helmut in meiner Nähe, denn so ganz glatt und eben war der frisch geschobene Weg dann doch nicht. Aber er war ja auch nicht für Opels gedacht!
An kniffligen Stellen hielten wir an und mein Reisebegleiter gab mit Tips wo ich wie welche Unebenheiten umfahren oder überwinden soll! Das auf dem Foto ist natürlich nicht so eine Stelle, denn dort hatte ich dann keine Muse zum Fotografieren.
Lindenfeld bezauberte mich von Anfang an. Es ist herrlich gelegen und macht gar nicht so einen verlassenen Eindruck wie ich gedacht hatte. Der Geist der Menschen die hier lebten (in besten Zeiten bestand das Dorf immerhin aus bis zu 48 Gehöften) war zu spüren. In Lindenfeld gab es eine Schule, ein Kulturhaus, viele Handwerker (Weber, Tischler, Schmiede) und sogar eine Wasserleitung. Irgendwie hing der Klang, das Aroma oder eben der Geist von dem Allen in der Luft!
Ich hatte mein Auto an der Seite geparkt, um die Dorfstrasse frei zu halten - als wäre mit regem Verkehr zu rechnen!Das ist das besterhaltenste Haus in Lindenfeld. Vor ein paar Jahren hätte man es wohl noch retten können, aber nun ist auch das Dach kaputt.Mit viel Liebe gebaut!Ich stelle mir vor wie hier die Bauern vor wenigen Jahren mit ihren Fuhrwerken ein und aus fuhren. Obwohl soviel kaputt und verfallen, gab es doch immer wieder Überraschungen.Ein Gebäude mit neuen Dachziegeln!Um Lindenfeld gibt es farbenprächtige Blumenwiesen.Überall herrliche Aussichten!Helmut schaute nach Kirschbäumen auf den alten Plantagen. Die Früchte schmecken hier so gut wie sonst nirgendwo.Ich wunderte mich über die bestellten Beete hinter der Kirche.
Die Lindenfelder Kirche liegt Helmut ganz besonders am Herzen. Er hat sie mit viel Mühe vor dem Verfall gerettet, in dem er das Dach neu gedeckt und so manche andere Sicherungsmaßnahme durchgeführt hat. Das Material, selbst gekauft, musste mühevoll querfeld ein mit dem Traktor herbei geschafft werden.
Erstaunt stellte ich fest, dass das Kirchlein wohl noch genutzt wird.
Und tatsächlich, es leben nicht nur Geister in Lindenfeld. Dieses alte Ehepaar, beide weit über 80, lebt abgeschieden in einem der Höfe. Ohne Strom, ohne Wasserleitung, ohne Einkaufsmöglichkeit und ohne Arzt. Sie freuen sich über unseren Besuch und wir trinken einen sehr starken Tuica zusammen und haben jede Menge Spass.Manchmal wird der Frieden von Lindenfeld von noch ganz anderen Geistern gestört. Helmut zeigt mir hier ein Siegel der Endurofahrer. Auch während unseres Dorfrundganges hörten wir das Dröhnen der Maschinen. Die Fahrer holten sich das Siegel und brausten wieder davon.
Eine Sitzgruppe gibt es nun auch schon. Wir machten eine Pause, kochten uns einen Kaffee und Helmut erzählte mir ganz viel Interessantes über das Dorf.Die Landschaft ist einfach bezaubernd und auf dem Rückweg hielten wir oft an um Kirschen zu essen und die Landschaft zu genießen und fotografieren.Im Tal angekommen, fand ich, dass es die Klimaanlage etwas übertreibt und irgendwas komisch am Auto ist. An der Kreuzung zur Hauptstrasse in Buchin leuchteten alle Lampen und der Opel fuhr einfach nicht mehr weiter.
Irgendwie war der Weg (oder mein Können) doch nicht so geeignet für mein Auto. Mit Helmuts Hilfe und Unterstützung und Anteilnahme der Anwohner, wurde das Auto in eine moderne Werkstatt gebracht und bis zum nächsten Tag repariert. Der Kühler hatte Schaden genommen. Ich konnte am nächsten Tag, nachdem ich ganz lieb bei den Besitzern des Hauses direkt an der Kreuzung für eine Nacht aufgenommen und liebevoll betreut wurde meine Heimreise antreten.