Plimbare – auf rumänische und auf meine Art


von Hans-Ulrich Schwerendt

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Entspannt sitze ich im Park von Pe­tro­şa­ni und beo­bach­te das bun­te Trei­ben auf dem Platz vor mir. Es ist Frei­tag­abend und man hat das Ge­fühl, die gan­ze Stadt ist auf den Bei­nen.
Kinder spielen
Überall laufen, sit­zen, schwat­zen, la­chen, schrei­en Kin­der und Ju­gend­li­che, ste­hen Er­wa­chse­ne be­däch­tig oder an­ge­regt in ein Ge­spräch ver­tieft. Auf Fahr­rä­dern oder In­line­ska­tern voll­füh­ren Kin­der und auch Ju­gend­li­che klei­ne Kunst­stü­cke und wag­hal­si­ge Fahr­ma­nö­ver. Wäh­rend die Ju­gend sich in Sa­chen Mo­de auf dem al­ler­neu­es­ten Stand be­fin­det, ha­ben El­tern und Kin­der sich fein he­raus­ge­putzt.
Park mit Menschen
Schon immer hat mich die­se Art des Fla­nie­rens bei mei­nen Ru­mä­nien­rei­sen fas­zi­niert. „Hai sâ fa­cem o Plim­ba­re“ - “Lasst uns ei­nen Spa­zier­gang ma­chen”. Das ist ein ge­bräuch­li­cher Satz in Ru­mä­ni­en und be­deu­tet: „Lasst uns fla­nie­ren ge­hen!“ Se­hen und ge­se­hen wer­den ist da­bei das Mot­to. Ein fes­tes Ziel gibt es nicht. Der Weg ist das Ziel!
Während ich das bunte und laute Trei­ben auf mich wir­ken las­se, fällt mein Blick be­sorgt in die Ber­ge. Di­cke fet­te Wol­ken hän­gen in den Gip­feln fest und ge­ben in der un­ter­ge­hen­den Son­ne zwar ein schö­nes Bild, aber sie ver­hei­ßen nichts Gu­tes. 10 Ta­ge war ich mit Tho­mas und Ni­na in Sie­ben­bür­gen un­ter­wegs und woll­te doch mor­gen ei­ne „Plim­ba­re“ für mich al­lein in die Ber­ge ma­chen.
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Als ich am nächsten Mor­gen um 7 Uhr aus dem Ho­tel­fens­ter schaue,808000 se­he ich vor mir ei­ne wei­ße Wand. Al­les ist in Ne­bel ge­hüllt. Aber mein Ge­fühl sagt mir, dass es nur Mor­gen­ne­bel ist, der sich bald ver­zie­hen wird. Al­so ste­he ich ei­ne Stun­de spä­ter auf dem Bahn­hof und fah­re mit dem Zug vor die Stadt. Der Ein­stieg ins Mun­ti Vul­can ge­stal­tet sich ziem­lich schwie­rig. In Er­man­ge­lung or­dent­li­cher Kar­ten hat­te ich mir zu Hau­se ei­ne Kar­te aus „Goo­gle­maps­aus­dru­cken“ zu­sam­men­kre­iert. Im Ho­tel hat­te ich noch ei­ne ur­al­te Kar­te ent­deckt, die ne­ben der Re­zep­ti­on hing. Dort war ein ein­zi­ger Wan­der­weg zum Kamm ein­ge­zeich­net. Die­ser soll di­rekt hin­ter der ers­ten Sta­ti­on au­ßer­halb von Pe­tro­sa­ni un­ter­halb ei­nes Ho­tels be­gin­nen. Die­sen Weg will ich fin­den. Aber die Kar­te er­weist sich als sehr un­ge­nau.
Bahnhof und Hotel lie­gen, an­ders als auf der Kar­te, 5 Ki­lo­me­ter aus­ei­nan­der. Auf dem Weg zum Ho­tel ent­de­cke ich das ro­ten Weg­kreu­zung vor dem Ho­tel ist das Ro­te Band wie­der ver­schwun­den. Auch im Ho­tel kann mir kei­ner den rich­ti­gen Weg zei­gen. Al­so wan­de­re ich die Forst­stra­ße in den Wald hi­nein.
Berglandschaft
Stunde um Stunde führt der Weg am Fluss in lan­gen Ser­pen­ti­nen nach oben. Kei­nem Men­schen be­geg­ne ich in die­ser Zeit. Nur ei­ne Mo­tor­ket­ten­sä­ge ist ab und zu in der Fer­ne zu hö­ren.
Berglandschaft
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Berglandschaft
Erst an der ersten grö­ße­ren Weg­kreu­zung be­geg­ne ich ge­gen Mit­tag ei­ni­gen Bee­ren­samm­lern. Welch ein glück­li­cher Zu­fall, freue ich mich. Ich fra­ge nach dem Weg. Nach kur­zer Be­ra­tung mei­nen sie, ich sol­le den rech­ten Weg neh­men. Ob­wohl ich nach mei­nem Ge­fühl den an­de­ren Weg ge­nom­men hät­te, wa­nde­re ich den emp­foh­le­nen Weg.
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Nach 20 Minuten hört der Weg hin­ter ei­ner Kur­ve auf und of­fen­bart sich als Forst­schnei­se zum Ab­trans­port der ge­fäll­ten Bäu­me. Und ich hat­te mich schon ge­wun­dert, weil er so neu an­ge­legt wirk­te. Nach ei­ni­gen Ver­su­chen, ei­nen klei­nen Wan­der­pfad durch das Ge­strüpp zu fin­den, siegt die Ver­nunft und ich keh­re um. Die Bee­ren­samm­ler sind weg. Jetzt nehme ich den an­de­ren Weg. Nach kur­zer Zeit taucht auch das ro­te Band wie­der auf, das ich seit dem Mor­gen nicht mehr ge­se­hen hat­te. Wie so oft in Ru­mä­ni­en fin­det man an Weg­kreu­zun­gen kei­ne Mar­kie­run­gen, da­für aber an Stel­len, wo es über­haupt nicht nö­tig wä­re.
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An der nächsten Kreuzung ist na­tür­lich weit und breit nichts mehr von ei­ner Weg­mar­kie­rung zu se­hen. Da nur ein Weg nach oben führt, neh­me ich die­sen. Ir­gend­wann kom­me ich auf ei­ne gro­ße Lich­tung. Der Forst­weg führt nach rechts wie­der in den Wald hi­nein. Da es kei­nen an­de­ren Weg gibt, fol­ge ich die­sem. Nach zwan­zig Minuten fällt mir auf, dass auch die­ser Weg sehr frisch ge­scho­ben aus­sieht. Kaum habe ich den Ge­dan­ken zu En­de ge­dacht, ste­he ich nach der nächs­ten Kur­ve wie­der vor dem En­de des We­ges. Dies­mal keh­re ich so­fort um und ge­he zu­rück zur Lich­tung. Dort ent­de­cke ich ei­nen klei­nen Hir­ten­pfad und fol­ge die­sem quer über die rie­si­ge Lich­tung.
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Laut meiner Google­kar­te ist es nur noch ein klei­nes Stück bis zur Baum­gren­ze, mei­nem heu­ti­gem Ziel. Ich las­se mei­nen Ruck­sack im Gras lie­gen und su­che am obe­ren Teil der Lich­tung ei­nen Weg. Wie ei­ne un­durch­dring­li­che Wand steht das Di­ckicht vor mir! Es geht nir­gends wei­ter. Ir­gend­wann ge­be ich die Su­che nach ei­nem Weg auf und las­se mich re­sig­niert ne­ben mei­nem Ruck­sack ins Gras fal­len. Plötz­lich hö­re ich Hun­de­ge­bell aus ei­nem Sei­ten­tal. Kur­ze Zeit spä­ter taucht weit un­ter mir ein Hir­te mit sei­ner Her­de aus dem Nichts auf. Wie auf ei­ne Schnur ge­fä­delt, spuckt der Wald Schaf um Schaf, den Hir­ten und na­tür­lich die da­zu­ge­hö­ri­gen Hun­de aus. Da ich weit über ihm sit­ze und er ins Tal schaut, be­merkt er mich nicht. Die Hun­de zum Glück auch nicht. Ich schwan­ke, ob ich mich be­merk­bar ma­chen soll­te oder lie­ber ihn und die Hun­de still von dan­nen zie­hen lasse.
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In Erinnerung an das ge­fähr­li­che Ge­bell aus dem Sei­ten­tal blei­be ich ru­hig und las­se Hir­ten und Hun­de wei­ter­zie­hen. Aber ich ha­be mir ei­ne mar­kan­te Stel­le ge­merkt, wo der Hir­te aus dem Wald auf die Lich­tung ge­kom­men war. Tat­säch­lich fin­de ich an die­ser Stel­le ei­nen win­zi­gen Weg, der seit­lich in den Wald führt. Oh­ne den Hir­ten hät­te ich die­sen Weg nie ge­fun­den. Nun legt sich auch mein Frust über die Bee­ren­samm­ler. Der Weg führt zu ei­ner wei­te­ren Lich­tung.
Berglandschaft
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Berglandschaft
Auf den beiden Fotos erkennt man gut die beiden Lich­tungen. Dieses Foto entstand ein paar Tage später gegenüber aus dem Paring­gebirge.
Auf der Lichtung gibt es eine ver­las­sene Sti­na, ei­ne Hir­ten­hüt­te. Wo ei­ne Sti­na steht, ist meist auch Trink­was­ser. Tat­säch­lich ent­de­cke ich ei­ne klei­ne Quel­le. Da der Som­mer recht tro­cken war, dau­ert es sehr lan­ge, bis ich mei­ne Was­ser­vor­rä­te auf­ge­füllt habe.
Quelle
Im oberen Teil der Lich­tung fin­de ich ei­nen schö­nen Platz zum Zel­ten. Mein Ziel, bis hin­ter die Baum­gren­ze zu kom­men, ha­be ich auf­ge­ge­ben. Ich baue mein Zelt auf, ko­che mir ei­ne Sup­pe und ge­nie­ße den Son­nen­un­ter­gang, mir zu Fü­ßen die Stadt Pe­tro­sani und ge­gen­über das Pa­ring­ge­birge.
Berglandschaft
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Berglandschaft
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Berglandschaft
Als ich am nächsten Mor­gen bei strah­len­dem Son­nen­schein das Zelt öff­ne, liegt Pe­tro­sani un­ter ei­nem Berg von Wol­ken ver­hüllt. Ein be­ein­dru­cken­des Bild.
Berglandschaft
Ich suche die Lichtung nach ei­nem Weg ab und fin­de nach ei­ni­ger Su­che zwei klei­ne Tram­pel­pfa­de. Auf ei­nem wan­de­re ich steil auf­wärts durch das dich­te Ge­strüpp. Kur­ze Zeit spä­ter ste­he ich an ei­ner Kreu­zung. Dies­mal ste­hen drei Wege zur Aus­wahl. Dass ich den rich­ti­gen Weg ge­wählt ha­be, mer­ke ich, als nach 5 Mi­nu­ten das ro­te Band auf­taucht. Nun schmückt es al­ler 50 Me­ter ei­nen Baum, ob­wohl kein Weg kreuzt! So er­rei­che ich pro­blem­los die Baum­grenze.
Wanderweg
Es ist September und Prei­sel­beer­zeit. Des­we­gen ver­län­gert sich mein Weg um ei­ni­ges und ge­gen Mit­tag sit­ze ich auf dem ers­ten Gip­fel. Die Son­ne scheint rich­tig warm. Ich le­ge mich ins Gras und ge­nie­ße den Blick in die Wei­te, die Prei­sel­bee­ren und das un­be­schreib­lich schö­ne Wet­ter.
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Preiselbeeren
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Berglandschaft
Ich beschließe für mich, bis hin­ter die nächs­te Berg­kup­pe zu wan­dern und dann mein Zelt auf­zu­bau­en. Heu­te wird ein Gam­mel­tag!
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Als die Sonne Stun­den spä­ter nicht mehr so un­barm­her­zig brennt, wan­de­re ich wei­ter. Schnell bin ich hin­ter der nächs­ten Berg­kup­pe und ha­be noch Lust zum Wei­ter­wan­dern. So neh­me ich mir den nächs­ten Gip­fel vor. Dort schaue ich mich nach ei­nem schö­nen Platz zum Zel­ten um. Da­bei ent­de­cke ich die nächs­te Berg­kup­pe und stel­le fest, dass die­se noch schö­ner ist. Ein kur­zer Blick zum Stand der Son­ne und schon habe ich den Ruck­sack wie­der auf dem Rü­cken.
Berglandschaft
Zwanzig Minuten später stehe ich oben und sehe auch schon die nächs­te Er­he­bung vor mir. Da es die höchs­te Er­he­bung ist, hat man von dort ga­ran­tiert ei­ne Aus­sicht in al­le Rich­tun­gen! Der Blick zur Son­ne sagt mir, dass es knapp wer­den könn­te. Oh­ne lang zu über­le­gen lau­fe ich wei­ter.
Berglandschaft
Als ich endlich die anvisierte Stelle er­rei­che, steht die Son­ne schon tief.
Berglandschaft
Mein Zeltplatz am nächsten Morgen
Als die Sonne 10 Mi­nu­ten spä­ter un­ter­geht, steht mein Zelt und der Ko­cher läuft. Sprach­los ge­nie­ße ich das Schau­spiel, das rings um mich ab­läuft.
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Sonnenuntergang
Kurz nach Sonnenuntergang
Sonnenaufgang
Blick kurz vor Sonnenaufgang aus meinem Zelt
Während hinter mir die Ber­ge im rot glü­hen­den Licht er­strah­len, wird kur­ze Zeir spä­ter das Pa­ring­ge­bir­ge vom Voll­mond er­leuch­tet.Da­zu fla­ckern die Lam­pen von Pe­tro­sani zu mei­nen Fü­ßen. Ich kann ki­lo­me­ter­weit in al­le Rich­tun­gen schau­en. Dann tritt Wind­stil­le ein und ich hö­re kein Ge­räusch mehr, nur noch mei­nen Atem. Schwei­gend ver­har­re ich un­ter dem Ster­nen­him­mel und kann mir kei­ne schö­ne­re Plim­ba­re vor­stel­len!!!
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Berglandschaft
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