Der letzte Sachse von Rohrbach (Rodbav) muss um die achtzig sein. Er geht jeden Tag auf den brüchigen Kirchturm, der jedoch eine schöne alte Uhr hat, die so recht treuherzig ins Land leuchtet, als habe sie noch immer etwas zu sagen, gleichsam die sächsische Zeit mitzuteilen. Er klettert also hinauf, gebrechlich wie er ist, und stellt die Uhr nach, denn auch sie ist gebrechlich und verliert jeden Tag die eine oder andere Minute und niemand weiß, wo sie sie hinsteckt. Es könnte auch sein, dass sie ihr gestohlen wird, doch da sie langsam ist, kann sie den Dieben nicht hinterher rennen. So verlässt sie sich knarrend und rasselnd auf ihren alten Diener, den sie ungeduldig erwartet. Denn wenn die Zeit nicht richtig geht, dann geht es der Uhr nicht gut. Es rumort in ihrem Inneren, sie spürt Überdruss. Wenn der Alte sie gestellt hat, schnurrt sie behaglich wie eine Katze, sträubt das zeitliche Fell und legt wieder los im alten Takt, zumindest einen Tag lang. Oft bleibt sie auch stehen, sie hat dann solche Herzschmerzen, der Kreislauf will nicht mehr, und auch da hilft ein kleiner Schubs des Alten und sie fasst wieder Mut. „Wenn ich mal gestorben bin,“ sagt der Alte, mal auf sächsisch, mal auf rumänisch, „dann wird sie sich überschlagen, die gute Uhr!“ Das möchte er noch erleben, dass sie sich überschlägt, und dann würde er einschlafen, und sie würde auch einschlafen, und die ganze sächsische Zeit würde einschlafen. Um Punkt zwölf Uhr mittags fuhren wir durch Rohrbach, es liegt auf der sogenannten mystischen Straße, wir hatten Nebel im Gepäck, herbstliches Leuchten erhellte den Dunst.
"Schau mal, ob sie noch richtig geht" sagt der Baron. "Sie steht auf Viertel nach vier" sage ich. "Dann ist er gestorben, der letzte Sachse" sagt er.