von Peter Volpert, Alex Stallmeister mit Lasse & Franziska
„Von einem Urlaub in Rumänien mit eigenem Hund können wir nur abraten.“
So war es von zahlreichen Ratgebern im Netz zu lesen. Marodierende Rudel wilder Hunde und in den Bergen freilaufende Hütehunde, groß wie Ponys, könnten dem fremden Vierbeiner möglicherweise schnell den Garaus bereiten. Also ließen wir anlässlich unserer ersten Reise ins ferne Transsylvanien unseren treuen Zottel schweren Herzens daheim bei Oma & Opa.
Wir waren gespannt auf das rumänische Hundewesen!
Was uns sofort nach dem Grenzübertritt bei Arad auffiel, waren die zahlreichen Hundekadaver am Straßenrand. Hunde-Überfahren als allgemeiner Volksport!? Ein rumänisches Hundeleben schien uns dem ersten Eindruck nach wenig wert und eine trostlose und traurige Angelegenheit.
Die folgenden zwei Wochen haben wir im Apuseni-Nationalpark bei unserm Freund Erwin Sipos im wunderschönen Arieșeni gezeltet.
Genau wie alle Nachbarn auf den weit verstreuten Berghöfen hat auch Erwin zwei Hunde, die ganzjährig draußen leben und lediglich von Erwin gefüttert werden. Tagsüber wird gefaulenzt und in der Sonne gelegen, nachts geht´s mit den Artgenossen aus der Nachbarschaft „auf die Piste“. „Hundedisco“ nannte das Erwin.
Bei unseren schönen Wanderungen und Bergtouren in die Umgebung haben auch wir schnell einen treuen Begleiter gefunden, einen kleinen fuchsbraunen Streuner, den wir auf den Namen Pipo tauften.
Bei unserer ersten „Pipo-Tour“ sind wir einige Kilometer aufs Geratewohl den Berghang entlang gewandert und haben dabei die vielen kleinen Bergbauernhöfe mit ihren typischen Heuschobern bewundert.
Pipo war uns dabei ein verlässlicher Führer: Immer vorneweg hat er sich regelmäßig nach uns umgesehen, um sich mit breitem Hundelachen und heraushängender Zunge zu vergewissern, ob sein Rudel auch folgt. Auf den allermeisten Höfen wurde unser Führer von den ansässigen Hunden freudig begrüßt.
Dunkle Wolken zogen auf und hielten was sie versprachen. Kein Problem für Pipo: Immer wieder vor rennend und sich umsehend schien er uns zuzurufen:“Los! Kommt doch!“ und führte uns zielstrebig zu einem Kuhstall, bei dem sich vortrefflich schauern ließ.
Pipo schien ein recht geselliges und unternehmungslustiges Leben zu führen. Unser Rückweg führte ein Stück weit über eine asphaltierte Autostraße. Pipo war weder durch gutes Zureden noch durch Locken dazu zu bewegen, uns über die Straße zu folgen und wählte stattdessen die Parallelroute durch die Wallachei. Der schlaue Hund schien also schon Erfahrungen mit dem rumänischen Volkssport gemacht und die richtigen Schlüsse für sich gezogen zu haben.
Das Highlight unserer Reise war die große Wanderung auf den Curcubata Mare, dem mit 1849 m höchsten Berggipfel der Umgebung. Nach nicht mal einem Kilometer tauchte unvermittelt der treue Pipo aus dem Unterholz auf, um uns in den nächsten 14 Stunden nicht mehr von der Seite zu weichen.
Und er war nicht alleine gekommen, denn die ersten Kilometer folgte uns außerdem ein großer schwarzer Schäferhund mit hängendem Kopf und unstetem Blick wie ein Schatten.
Dass es sich hier nicht um eine echte Hundefreundschaft handelte, wurde schnell klar. Pipo hatte nicht vor, sich uns mit ihm zu„teilen“ und nachdem sich der Nebenbuhler durch Pipos Knurren und Kläffen nur wenig beeindruckt zeigte, war schließlich nach einer kurzen, aber heftigen und lautstarken Rauferei klar, wer hier der Touristenführer ist. Mit eingezogenem Schwanz trollte sich der fremde Köter talwärts.
Unsere Wanderung führte uns über den Gipfelkamm, der uns neben der atemberaubenden Aussicht auch noch eine ganz andere schöne Überraschung bot: Eine freilaufende Pferdeherde, die uns ein bisschen zu neugierig sehr nahe kam, wurde von Pipo in die Schranken verwiesen, indem er einem Leittier todesmutig in den Schweif biss.
Dafür haben wir uns dann natürlich den Reiseproviant brüderlich geteilt.
Nach dem anstrengenden Aufstieg und einigen Kilometern auf dem Grat gönnten wir uns ein gemeinsames Mittagsschläfchen.
Da wir ja nun um Pipos Abneigung gegen Landstraßen wussten , stellten wir unsere Route kurzerhand um und wählten einen weiteren, aber doch wunderbaren Weg zurück ins Tal, vorbei an einem verlassenen Bergdorf, Pipo immer dicht an unserer Seite.
Uns wurde schon ein bisschen schwer ums Herz, wie sollten wir Pipo nur klarmachen, dass sich bei uns nur um eine „Urlaubs-Affäre“ handelte?
Was, wenn er sich nicht abschütteln ließ?
Diese Sorge entpuppte sich als völlig unbegründet, wahrscheinlich hatte sich Pipo sogar in seinem schönen Hundekopf genau die gleichen Gedanken gemacht.
Am Ende eines langen Tages wurde nicht versucht, uns zu folgen. Zurück am Ausgangspunkt gab es einen kurzen Blick zurück über die Schulter zum Abschied, und weg war er.
Bis zur nächsten Wanderung! Was für ein treuer, kluger und unsentimentaler Reisegefährte!
Letztendlich hat sich der erste Eindruck eines miesen, kurzen Hundelebens in Rumänien doch sehr relativiert. Angenommen, Sie wären Hund und müssten wählen: Entweder mit einer Oma in Wuppertal abends auf dem Sofa sitzen und Florian Silbereisen gucken oder in Rumänien mit Pipo und seinen Freunden auf die Piste in die Hundediso gehen.
Wie würden Sie sich entscheiden?
Wir müssten nicht lange überlegen.
Peter Volpert, Alex Stallmeister mit Lasse & Franziska im Juli 2015