Vor ein 2 oder 3 Monaten bin ich in ein Haus gekommen und dabei etwas erschrocken. Ich wusste zwar, dass dort Paganel wohnt mit seinen beiden Söhnen (11 und 13 Jahre alt), ich wusste auch, dass es in diesem Männerhaushalt anders zugeht, als in einer deutschen Familie mit Putzfrau, aber dass das Chaos so groß ist, an das habe ich nicht gedacht. Paganel hat mein kurzes Innehalten bemerkt und entschuldigte sich irgendwie für dieses Chaos, indem er auf seine Bettlägerigkeit hinwies.Früher hat er, der ein begnadeter Erfinder und Tüftler ist, davon gelebt, Elektrogeräte, die den Geist aufgegeben haben, wieder zu beleben. Die Leute, die ihm ihre Geräte gebracht haben, sind bettelarm, er hat extrem niedrige Preise gehabt und auch die oft nicht erhalten. Das ging soweit, dass er so viele Außenstände hatte, sodass er nicht einmal die Stromrechnung in der Höhe von 7 oder 8 Euro bezahlen konnte und ihm der Strom abgeklemmt wurde. Ohne Strom war´s natürlich auch ein Problem bei der Reparatur der Elektrogeräte, der Lötkolben wird dann nicht mehr elektrisch heiß gemacht, sondern am offenen Feuer. Seitdem er aber nun bettlägrig ist – und das immerhin seit 3 oder 4 Monaten – seitdem hat er absolut kein Einkommen mehr, außer der Kinderbeihilfe für seine beiden Söhne.Die Kinderbeihilfe, das sind, glaube ich, so an die 13 € insgesamt. Also für alle beiden Kinder. Als ich den Paganel so daliegen sah, hatte ich eine riesige Wut, warum denn niemand was gesagt hat, in welchem Zustand die da leben. Ich habe dann erfahren, dass sie mir zwar öfters gesagt hätten, dass Paganel krank sei.Ja, hatten sie. Ich dachte aber eher an eine Grippe oder sonst irgendeine Kleinigkeit, denn sie haben das sicher nicht mit der nötigen Intensität gesagt, denn sonst hätte ich das irgendwie registriert in mir.Ich war erschrocken, als mir Paganel seine Beine zeigt. Die waren komplett abgemagert, also der Knochen mit der Haut drüber, ohne Muskeln. Dort wo das Knie war, war eine Kugel. Paganel konnte nicht mehr aufstehen aus eigener Kraft und litt an fürchterlichen Schmerzen, da er keine Durchblutung mehr hatte. Ich habe ihm dann Öl von uns gegeben und Laktose von unseren Sonnenheilmitteln, habe ihm erklärt, wie er es anwenden soll und bin dann gegangen, mit dem festen Vorsatz, mit Lebensmittel wieder zu kommen. Nach 3 Tagen bin ich wieder zu ihm, er konnte nun im Zimmer herumgehen, Wunderbar, wie diese Mittelchen gewirkt haben. Ich ließ noch die Lebensmittel dort und der Fall war für mich erledigt, denn sobald die Kantine in Betrieb geht, soll er auch von dort versorgt werden. Zwei Tage vor Weihnachten schaute ich wieder bei ihm vorbei – wieder ein Schock. Dasselbe Chaos, er war wieder bettlägrig und hatte fürchterliche Schmerzen. Er wollte ins Spital gebracht werden und bat darum, dass ihm alle beiden Beine amputiert werden.Bloß, Paganel ist ein kompletter Outlaw. Er hat kein Einkommen, keine Versicherung und nicht einmal ein Personalausweisnummer. Am 24. Dezember war ich wieder draußen im Dorf und schaute wieder bei ihm vorbei, er war in einem fürchterlichen Zustand und ich schlug ihm vor, mit mir zu uns nach Hause zu kommen, da wir doch immerhin Feuer machen können und Strom und Lebensmittel sind auch vorhanden. Er war damit einverstanden, es war mühsam, bis er angezogen und im Auto war, es war eine reine Tortur für ihn.Zuhause angekommen, hat es sicher eine halbe Stunde gedauert, bis er aus dem Auto gekommen ist, er war, wegen seiner schlechten Durchblutung, bewegungsunfähig. Aurelia hat ihm ein Bett gemacht, ich bin dann am 24. los, eine elektrische Heizdecke aufzutreiben, was mir dann eh nicht gelungen ist – die Geschäfte waren zwar bis zum Abend offen, es hatte aber kein einziges Geschäft eine Heizdecke. Wie ich da so herumgesucht habe, ist mir dann der Föhn eingefallen, mit welchem wir ja auch die Beine Paganels aufheizen könnten. Das haben wir auch gemacht, Aurelia hat ihm die Beine mit Mohnblütenöl eingerieben und die Schmerzen ließen nach. Er ist dann auch eingeschlafen. Der nächste Tag war wieder sehr turbulent, Paganel wollte unbedingt nach Hause, er war zeitweise auch verwirrt im Kopf und wusste nicht, wo er denn eigentlich ist. Nach einigem Drängen gab ich dann nach und brachte ihn wieder unter fürchterlichen Schmerzen raus in sein Dorf, welches so an die 35 km von uns entfernt ist. Paganel hat einen sehr starken Willen, es ist sicher nicht leicht, mit ihm unter einem Dach zu wohnen, Das muss auch gesagt werden. Einige Leute im Dorf versicherten mir, sich um ihn zu kümmern und so übergab ich ihn in ihre Obhut. Eine Woche später rief mich Mimi an und sagte, dass Paganel ins Spital gebracht wurde. Das war am Vormittag.
Am Nachmittag rief mich Lenutza an und sagte mir, dass Paganel im Spital verstorben sei. Gut für ihn. Am 2.1.2007 wurde Paganel von seinem Leiden erlöst. Ich war echt dankbar dafür.
Der Tote. Ein Toter ist immer ein Problem von den Kosten her. Es muß die Sterbeglocke geläutet werden, so was kostet so an die 10 €. Dann braucht man einen Sarg. Man nimmt eh den billigsten. Der kostet an die 70 Euro. Aber, mit dem ist es nicht getan, man braucht im Sarg Kissen, Decken, Matratze, man braucht ein Kreuz und es muß der Sargdeckel und das Kreuz auch beschriftet werden, damit man sieht, wer denn da überhaupt drinnen liegt und so kommt man schon auf rund 130 € mit allem Drum und Dran. Dann braucht man noch einen Anzug und ein Paar Schuhe für den Toten. Weiters braucht man etwas Geld für die im Spital in der Leichenhalle und – den Pfarrer hätte ich fast vergessen, der macht das Begräbnis ja auch nicht umsonst. 2.000.000 Lei verlangt der, das wären so etwas mehr als 60 €. Solange die nicht bezahlt sind, gibt´s gar nichts, Auch kein Glockenleuten. Jetzt ist es aber so, daß der Paganel außer seinen beiden Kinder, keine Angehörigen hat. Er war absolut mittellos, also wer soll das nun alles bezahlen? Wer läuft überhaupt rum, um alle Zetteln zu besorgen und vor allem wie? Die haben alle kein Auto, mit den Pferdefuhrwerken dürfen sie nicht mehr rumfahren – Rumänien ist nun in der EU und ein moderner Staat und in modernen Staaten fährt jeder mit dem Auto rum. In Arad hat die Polizei innerhalb einer Woche 40 Pferdefuhrwerke konfisziert und saftige Strafen verhängt, wenn sie jemanden mit einem Pferdefuhrwerk erwischt haben. Den Leuten wird jegliche Möglichkeit der Fortbewegung, des Transportes und somit des Überlebens genommen. Die Leute da draußen in den Dörfern leben entweder von gar nichts oder von einer Pension oder von einer Sozialhilfe, welche vor ca 2 Jahren eingeführt wurde. Die Pensionen bewegen sich so um 30 Euro, die Sozialhilfe ebenso. Eventuell geht´s rauf bis zu 40 € pro Monat. Pro Familie. Nicht pro Person, eh klar. Diese Habenichtse rund um Paganel haben eine Liste angefertigt. Ich könnte sie umarmen und abbusseln dafür. Einer, der lesen und schreiben kann, ging mit einer ganzen Truppe von Haus zu Haus und fragte, wie viel jeder für das Begräbnis aufbringen will und kann. Der eine sagte „100.000 Lei“, der andere „200.000“ und wieder ein anderer „300.000 Lei“. Das sind Beträge zwischen 3 und 9 €, also sehr, sehr viel bei solchen Monatseinkommen. Diese Zahlen wurden aufgeschrieben in der Liste, bezahlt wurde aber nichts, denn es hatte ja kein einziger Geld. Mit dieser Liste habe ich sie, 8 Leute, zur Gemeinde nach Sag gebracht, wo sie dann, nach schweren Verhandlungen mit den Gemeindevertretern, insgesamt 4.000.000 Lei, also 130 €, Vorschuß erhielten von der Sozialhilfe, welcher ihnen dann bei der nächsten Auszahlung abgezogen wird. (Anmerkung: Für die Sozialhilfe müssen sie 72 Stunden im Monat Gemeindearbeit leisten. Sie müssen dafür 10 km von ihrem Dorf zum Gemeindeamt gehen in ein anderes Dorf – und nach der Arbeit auch wieder zurück, macht also pro Tag 20 km, meistens zu Fuß). Von der Gemeinde sind wir dann noch einmal 10 km zurück ins Dorf und von dort dann mit 7 Leuten nach Arad. Während der Fahrt wurden die Wege und Erledigungen aufgeteilt. Die einen kümmern sich ums Waschen und Bekleiden des Toten im Totenhaus des Spitals. Die anderen mussten einen Anzug und ein paar Schuhe für den Toten besorgen, denn der soll ja mit schönen Kleidern in den Himmel und wieder eine andere Truppe war mir zugeteilt, Sarg und Kreuz etc zu besorgen. Die erste Station war einmal das Totenhaus des Spitals. Rumfragen, warten …… so vergeht einmal eine Stunde. Von dort wurde die 3-köpfige Spitalsmannschaft weiter geschickt um einen bestimmten Zettel in ein anderes Spital, die Onkologie. Nachdem aber die Onkologie sicher mehr als einen Kilometer vom ersten Spital, dem Landesspital entfernt ist, brachten wir die Spitalstruppe mit dem Auto dorthin. Damit ich sichergehen kann, daß dort auch alles richtig ist, warte ich noch – und es war gut so, denn die Leute wurden von dort weitergeschickt zur Polizei, die auch einen Zettel hergeben musste, da der Tote, wie sich herausgestellt hat, nicht im Spital gestorben ist, sondern im Rettungswagen auf dem Weg dorthin. Also ist die Polizei zuständig. Ich habe die Spitalstruppe auch noch zur Polizei gebracht, denn die liegt am anderen Ende, bin aber dann von dort mit dem Rest der Truppe weiter zum Sargverkäufer. Dort haben wir uns getrennt in Sargkäufer und Anzugkäufer. 2 Leute haben nun Geschäfte gesucht, wo man billige gebrauchte Anzüge aus dem Westen kaufen kann, sowie die dazupassenden Schuhe, auch gebraucht. So um die 25 € werden die brauchen – und 2 Leute waren mir noch zugeteilt für den Sarg. Sargverkäufer – die haben einen sicheren Job und das lassen die einem auch spüren. Es wird nun aufgezählt, was denn nun alles beim Sarg mitgeliefert wird, also eben Matratze, Decke, Kissenüberzug – der Preis ist inklusive Beschriftung des Sargdeckels und des Grabkreuzes aus Holz. 5 x frage ich meine Begleiter, wie der Paganel mit dem Familiennamen geheißen hat. Paganel ist ja nur sein Spitzname gewesen. 5 x bekomme ich die Antwort: „Marinescu“ und die Frau, die uns den Sarg verkauft und ihn auch händisch mit dem Filzstift beschriftet, macht sich auch noch eine Photokopie von der Geburtsurkunde des Toten, damit sie daraus den Namen ersieht und die Anzahl der gelebten Jahre errechnen kann. Das dauert natürlich, bis der Sarg fix und fertig ausgelegt ist mit den Tüchern, bis die Holzplättchen unten drangenagelt und auch der Deckel und das Grabkreuz beschriftet sind. Zum Glück gibt es dort ein Sofa, wo man es sich bequem machen kann, auch läuft dort ein Fernseher Tag und Nacht mit allen wichtigen Fernsehserien, damit einem nicht fad wird, obwohl mir eh nicht fad wird, weil ich ja alle meine Sinne beisammenhaben muß, denn so richtiges Vertrauen habe ich in niemanden. Weder in die Sargverkäuferin, die kennt ihr Geschäft – noch in die mich begleitenden, denn manchmal frage ich mich echt, wie bei dieser Desorganisation überhaupt Ergebnisse zusammenkommen. Das Erstaunliche daran ist aber dies: Gerade w e g e n dieser Desorganisation kommen überhaupt Ergebnisse zustande. Ein Tag ist hier wie eine Gleichung mit lauter Unbekannten. Meine beiden Begleiterinnen sind inzwischen aufgebrochen, um die traditionellen Handtücher und Kerzen zu besorgen, die man bei einem Begräbnis braucht. Es werden den Freunden und Bekannten des Toten, dem Pfarrer, dem Vorsänger, den Trägern des Sarges Handtücher geschenkt. Orthodoxe Pfarrer haben Unmengen von Handtüchern im Haus liegen von solchen Begräbnissen. Und selbst den Pferden, welche den Leichenwagen ziehen, werden Handtücher angeheftet. Die darf sich dann der Kutscher behalten. Erst trudelt die Anzug- und Schuhekäuferbrigade ein. Die sind glücklich, weil sie einen schönen karierten Anzug und wirklich gute Schuhe für den Toten zu einem guten Preis erstanden haben. Dann dauert es nicht lange und es kommt die Kerzen- und Handtücherkaufbrigade zurück. Auch glücklich, weil sie gleich ein Geschäft gefunden haben, wo es alles auf einmal zu kaufen gab und es auch nicht teuer war. Mir wird inzwischen von den Sargtischlern bedeutet, daß ich nun meinen Bus holen kann und vor dem Geschäft parken soll. So nach meinem Augenmaß wird das einen kleinen Stau ergeben, denn die Straße ist vielbefahren, aber halt leider nur einspurig und – aber irgendwie führt man in so einem Sarggeschäft die Befehle der Verkäufer und der Sargtischler schon irgendwie anders aus. Ist ganz eigenartig. Ein Sarg, 4 Leute und ich als Chauffeur begeben sich wieder zum ausgemachten Treffpunkt, um die Leichnambrigade abzuholen, ich weiß aber jetzt schon, daß die sicher nicht dort sind, wo ausgemacht war. Sowas ist so sicher wie das Amen im Gebet und so war es dann auch. Wir sind dann den Weg zwischen Onkologie und Polizei ein paar Mal abgefahren, sie waren dann immer noch bei der Polizei, weil einer einen Polizisten dort gekannt hat und alle waren überglücklich, weil sie auf der Polizeistation von einem Polizisten eine Orange bekommen haben. Eine ganze Kiste Orangen von mir wäre nie so wertvoll, wie eine einzige Orange von einem Polizisten und diese Orange und wie die übergeben wurde und was der Polizist gesagt hat und was sie gesagt haben, das war dann das Thema auf den Weg zur Onkologie, wo sie nun den Zettel von der Polizei abgeben mussten Sie sprühten förmlich vor Selbstbewusstsein, als sie zu dritt (drei Männer) in das Spital reingingen, sie, die eine Orange von einem Polizisten bekommen und dann auch noch diese gewünschte Bestätigung. Sowas ist eine einzige Herz-As–Situation, so eine Situation haben die nicht jeden Tag. Nach einer Viertelstunde kamen sie wieder raus – zielstrebig zum Bus, machten die Tür auf und bedeuteten den 2 Frauen im Bus mit einer Geste mit dem Kopf, nun mit in das Büro ins Spital zu kommen und mit denen dort zu verhandeln. Die Situation war klar: Die im Büro wollten 1.150.000 Lei Bearbeitungsgebühr und die brauchten Druck, um von dieser fixen Idee befreit zu werden. Zu fünft gingen sie nun rein, 3 Männer, 2 Frauen – nach 10 Minuten kamen sie mit gesenktem Kopf wiederraus. Wie das nun weitergeht, wusste ich schon, ich blieb aber trotzdem ruhig im Auto sitzen und wartete auf ihren Bericht. Tegu, der Anführer, meinte zerknirscht: Bernhard, jetzt mußt du rein, da geht nichts, bei denen. Es war klar, daß wir ohne zu bezahlen kein Papier mehr bekommen und so ging ich, mit der nötigen Wut im Bauch, die mir aber auch nichts half, rein ins Spital und rein ins Büro, wo mich eine Fuchtel wieder rauskomplimentierte, weil ich auf dem Gang warten sollte. Ich habe kein Problem damit, im Gang zu warten, ich habe meine Seminare im Fach „Demut“ alle schon erfolgreich und die meisten mit Auszeichnung abgelegt, bloß, ich wußte das nicht, daß ich mich anstellen muß. Nach weiteren 10 Minuten kam die dann raus mit einer Menge von Zetteln, verlangte von mir 1.010.000 statt 1.150.000 Lei, das heißt, daß die Geschichte um gut 4 € billiger geworden ist und 4 € entspricht in diesem Land einen halben Tageslohn für arme Schlucker. Das Preissystem ist wirklich oft sehr schwer zu durchschauen, meistens wollen sie nämlich von mir immer mehr als von Einheimischen. Von der Onkologie sind wir dann rüber zum Leichenhaus ins Spital, wo der Tote obduziert wurde, von Shiva dann gewaschen und angezogen und von Tegu und Dorel dann in den Sarg gelegt, auf die Rampe getragen und von dort wird der Sarg dann mit dem Toten in den Bus geschoben und wir fuhren, glücklich, alles so problemlos erledigt zu haben, raus nach Sag zur Gemeinde, um von dort dann die Sterbeurkunde zu bekommen, die der Pfarrer braucht, um am nächsten Tag dann den Toten auch wirklich begraben zu können.
Doch halt: Getränke.
Für das Begräbnis brauchen sie ein paar Packungen Limonade und ein paar Kisten Bier. Also, nicht nur für das Begräbnis, sondern auch für die Totenwache, die ja die ganze Nacht dauert. Tegu hat da von irgendwo ein ganzes Lager bei sich daheim, also fahren wir erst zu ihm – und dann von dort weiter zur Gemeinde. Ist ja eh fast derselbe Weg, mit einem kleinen Umweg zwar, der aber nicht wirklich ins Gewicht fällt. Nachdem alles eingeladen ist geht´s dann wirklich los zur Gemeinde – so um die 20 km. Die Beladung im Bus: 7 Lebendige, 1 Toter, 1 Sarg, ein paar Kisten Bier und ein paar Packungen Limonade. Und das Grabkreuz. In Sag dann auf die Gemeinde, dauert ja nicht lange – und von dort dann weiter zum Pfarrer. Wenn alles gut geht, bin ich in 2 Stunden daheim. Denkste. Fluchend kommt Shiva, der bei dieser Geschichte echt eine feste Stütze war, aus dem Gemeindeamt – ……………… Paganel hat zwar in einem Dorf dieser Gemeinde gewohnt, aber er ist im Rettungswagen gestorben, als der gerade zwischen seinem Dorf und dem Nachbardorf war. Der Rettungswagen ist allerdings in Arad angemeldet und deshalb steht in den Papieren „Sterbeort: Arad“ und nicht „Sterbeort: Sag“. Verdammte Scheiße. In diesem Moment war ich das erste Mal so weit, den Toten auszuladen und ihn vor das Gemeindeamt zu legen. Es war echt ein Liebesdienst der Leute, von denen kein einziger mit ihm verwandt war, den sie Paganel erwiesen haben und sie wurden von einer Stelle zur anderen geschickt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt 240 km auf dem Tacho, die ich nur für diese Aktion gefahren bin. Das meiste davon in der Stadt Arad! Wenn mir in diesem Moment nicht die beiden Kinder Paganels eingefallen wären, ich hätte den Sarg echt ausgeladen und den Gemeindevertretern die Arbeit überlassen. Sollen sie sich eine Lösung für ihren nun toten Staatsbürger ausdenken. Es war inzwischen 17 Uhr geworden (seit 7 Uhr früh bin ich unterwegs wegen dieser Geschichte), also in Arad haben wir heute kein Glück mehr. Also bringen wir den Toten nach Hause ……. Stopp, beim Pfarrer müssen wir noch stehenbleiben, der kriegt ja noch die 2.000.000, der …….nein, das schreib ich jetzt nicht ….. Sterbeglocke ist immer noch keine geläutet worden, wie uns die Dorfbewohner versichern. Ich bin beeindruckt, wie sauber die Leute Paganels Haus gemacht haben, sie haben es sogar innen gekalkt, damit es schön ist, wenn Paganel im Sarg nach Hause kommt. Ich war sehr, sehr stolz auf die Leute. Sarg ausgeladen, ins Haus tragen l a s s e n – sind ja eine Menge Leute da und man muß sich nicht immer vordrängen. Innen haben sie einen kleinen Altar errichtet, mit einer Nikolausfigur oder sowas, einem Kreuz und einer richtigen Kerze. Also alles, was sie irgendwie gefunden haben und wovon sie glauben, daß es dem Ereignis würdig ist. Alles wunderbar, ich bin schon am Aufbrechen Richtung nach Hause, da höre ich, wie der ältere Sohn sagt „aber mein Vater heißt ja gar nicht so“ und deutet dabei auf den Sargdeckel. Paganel heißt nicht „Marinescu“, sondern „Malinescu“. Das sind eindeutig 2 verschiedene Namen, ich verwünsche die Mimi, die ich extra 5 x gefragt habe, wie Paganel mit dem Familiennamen heißt, und auch die Sargverkäuferin, die ja eine Kopie der Geburtsurkunde hatte (wenngleich das Original schon ziemlich unleserlich ist) . Einer, der´s auch nicht so recht hat mit den Buchstaben, meint, daß es doch egal ist, was da drauf steht. Ja und nein, erwidere ich. Auf dem Sargdeckel wär´s nicht so schlimm, der kommt eh unter die Erde, aber auf dem Grabkreuz hingegen, da geht´s nicht, dass ein anderer Name drauf steht. Der Sohn Paganels mit seinen 13 Jahren, erklärt, dass der Tote nicht begraben wird, solange das nicht bereinigt ist und ich verstehe ihn. Ich verspreche ihm, mich um die Angelegenheit zu kümmern, bis morgen ist das ausgebessert. Ich suche mir den Shiva, den ich ja morgen wieder auf der Gemeinde in Arad brauche – das sind so an die 30 km von diesem Dorf. Shiva ist hart im Nehmen, er läuft ohne Jacke rum. Es ist Nacht und frostig. Er hat den Toten nach der Obduktion übernommen, als der vom Hals bis zum Becken aufgeschnitten und wieder zugenäht und deshalb voller Blut war. Shiva hat ihn gewaschen und eingekleidet ….. die Jacke war dann voller Blut und er hat sie im Spital weggeworfen. Sie war seine einzige. Shiva ist zur Zeit ohne Dach über´m Kopf und nicht einmal, wenn er wollte, hätte er einen Platz, wo er die Jacke hätte waschen können. Nachdem er den ganzen Tag nichts gegessen hat und nur für seinen Freund Paganel unterwegs war, haben wir noch richtig was zu essen eingekauft und ich habe ihn in einer Siedlung in Árad gelassen, wo ich wusste, daß er irgendwo unterkommt, nämlich in der Straße, wo wir heute die Limonade und das Bier geholt haben „Richtig“ eingekauft haben wir deshalb, weil ich wusste, daß dort, wo er die Nacht unterkommen wird, die Leute auch schon lange keinen Käse und keine Wurst mehr gegessen haben.