Fast die Hälfte aller Schlammvulkane weltweit befinden sich in Aserbaidschan. Es gibt noch welche in Bulgarien, Italien und in der Ukraine. Aber die größten Schlammvulkane Europas kann man in Rumänien bestaunen. Und das Beste: sie sind am aktivsten und eruptieren alle paar Minuten!
Was daran so besonders ist, abgesehen von ihrer Seltenheit? Sie spucken statt heißer Lava kalten Schlamm. Durch Gaseruptionen unter der Erde wird Grundwasser vermischt mit lehmhaltigen Boden an die Oberfläche gedrückt, teilweise aus einer Tiefe bis zu 3 km!
Eigentlich befanden wir uns nur auf dem Rückweg von Iasi nach Bukarest. Aber weil ich mal etwas über diese Schlammvulkane in der Region um Buzau gelesen hatte, dachte ich, es könne nicht schaden, hier einen Autostopp einzulegen und sich die grauen blubbernden Dinger einmal mit eigenen Augen anzuschauen.
Aber DAS hätte ich nicht erwartet! Es war schon etwas später am Tag. Die Sonne stand tief und warf lange Schatten, sodass sämtliche Konturen gestochen scharf hervortraten.
Ein völlig unwirkliches Bild tat sich vor uns auf. Und hätten nicht die umliegenden Ausläufer der Ostkarpaten dieses einzigartige Gebilde heimelig umschlungen, hätte ich wohl geglaubt, auf den Mond gebeamt worden zu sein.
Wir blickten auf eine karge und trotzdem absolut faszinierende Landschaft aus Kratern, Furchen, Wölbungen, kleinen blubbernden Pfützen (Schlammseen wäre wohl das korrekte Wort dafür) und wie von Kinderhand geformten Kegeln aus Baggermatsch.
Eine Legende besagt, dass die Kegel von einem Drachen geformt worden seien, während sich für die Schlammseen die Oger verantwortlich zeichneten. – Wie könnte es im Land der Märchen und Mythen auch anders sein? Nichts anderes hatte ich erwartet!
Und so wurden wir auch gleich beim Eingang mit sehr anschaulichen Tafeln darauf hingewiesen, den hier hausenden Drachen möglichst nicht zu verärgern. Ein solches kann zum Beispiel ganz leicht passieren, wenn man eine der seltenen auf salzhaltigem Boden wachsenden Pflanzen ausreißt, um sie als Souvenir mit nach Hause zu nehmen. Dann drohen drakonische Strafen … siehe Foto!
Beim Eingang informiert ein großes Plakat über die Pflanzenwelt des Drachengartens. Einige wenige Exemplare haben wir sogar entdeckt.
Der Eintritt in dieses sagenhafte Gebiet kostet für Schüler 1 Leu (20 Cent), für Studenten 2 Lei und für Erwachsene 4 Lei. Noch! Also nicht der Rede wert. Und dafür darf man dort überall frei herumlaufen (ebenfalls: noch!), um auf die großen und kleinen Blubberblasen zu warten, dem Schlammrinnsal (einer Levada optisch nicht unähnlich) nachzuschauen, über tiefe Krater zu springen, nach raren Pflanzen Ausschau zu halten und diese einmaligen Formationen einfach auf sich wirken zu lassen.
Der Boden ist weit weniger matschig als befürchtet. Trotzdem ist auf dem glitschigen Untergrund Vorsicht geboten. Ein Hautkontakt mit dem Schlamm sei zu vermeiden, klärte uns der Mann am Eingang auf. Aufgrund des hohen Salzgehaltes könnte es zu Verätzungen kommen. Verstanden. Also nur gucken, nicht anfassen!
An manchen Stellen sah der Boden wie Elefantenhaut aus – grau und faltig, an anderen wie ein an der Oberfläche gerissener Brotteig.
Jetzt müsste ich wohl noch etwas über die Entstehung der Schlammvulkane sagen, hm … Na gut. Also: Der dort hausende Drache spielt halt gerne mit dem wasserärmeren Schlamm, weil er so schön klebt und sich darum wunderbar zu Kegeln formen lässt. Er tut dies jedoch höchst selten, vielleicht einmal alle paar Jahre, und nur in unbeobachteten Momenten, wenn keine Menschenseele zuschaut. Dann wird – schwuppdiwupp, quasi über Nacht – ein neuer Vulkan geboren. Die Oger hingegen begnügen sich mit dem nasseren Schlamm, der jedoch nur zu kleinen Pfuhlen taugt. Sie sind eben ein Volk der Unterwelt, während der Drache sich gerne in die Lüfte erhebt.
Wir hatten das Glück, des Drachen Küchenrezept zu entdecken, in dem Schritt für Schritt geschrieben steht, wie man einen Schlammvulkan herstellt. Also …
Man nehme:
Einen Haufen Lehm
Poröse Steine
Einen Berg Salz oder besser: einen Salzberg
Petroleum mit viel Gas
Und ganz viel Wasser
Zubereitung:
Walze den Salzberg mit einem Nudelholz zu einer glatten Fläche aus
Tränke die eine Hälfte der porösen Steine mit einem Petroleum-Gas-Gemisch
Tränke die andere Hälfte mit Wasser
Verrühre die vollgesogenen Steine mit Lehm
Bedecke den Tortenboden zunächst mit den gas- und petroleumhaltigen Steinen
Schichte dann das wasserhaltige Gestein obenauf
Platziere die Torte nun auf den in Schritt 1 vorbereiteten Salzteig und lasse alles für ein paar Millionen Jahre ruhen …
So. Nun wisst ihr Bescheid. Des Drachen Geheimnis ist gelüftet. Und während sein Vulkanteig ruht und irgendwann wie ein Hefeteig zu gären und darüber hinaus zu brodeln beginnt, wacht er sorgsam über seinen Schlammvulkangarten und passt auf, dass kein Menschlein darin etwas beschädigt oder klaut. So ein Naturkunstwerk entsteht schließlich nicht von heute auf morgen. Da ist Geduld gefragt, welche die Menschheit nur selten hat. Dazu braucht es eben das Gemüt eines rumänischen Drachen.
Also: Unbedingt angucken gehen, solange man dort noch frei herumlaufen darf!
Ein herzliches Dankeschön an den Verein Geoparcul Tinutul Buzaului für die ebenso informativen wie humorvollen Schautafeln am frisch angelegten Lehrpfad, welche das Geheimrezept des Drachen preisgegeben haben.