Das Fotografieren alter Eisenbahnen war unsere große Leidenschaft. Auch als in der DDR und später in Ostdeutschland die letzten planmäßig verkehrenden Dampflokomotiven ausschieden, hatten wir als Eisenbahnfreunde den Wunsch, weiterhin unser Hobby ausleben zu können. Das entscheidende Kriterium war, dass es "echter" Dampfbetrieb sein musste. Aufnahmen von Fotosonderfahrten oder Sonderzügen wollten wir weniger.
Also blieb nur der Weg in die Ferne. Anfang der 1990er Jahre konnten wir noch in Polen realtiv viele Dampfloks im Regelbetrieb erleben. Aber auch damit war irgendwann Schluss.
Schließlich reifte der Wunsch, die rumänischen Waldbahnen zu bereisen.
1996 waren von den einst 20 rumänischen Waldbahnen nur noch ca. 5 in Betrieb. Internet gab es damals für uns noch nicht. Uns blieben nur die Mundpropaganda sowie die mehr oder weniger aktuellen und auch manchmal spärlichen Informationen aus den einschlägigen Fachzeitschriften.
Hinzu kam, dass die Waldbahnen nicht dem Personenverkehr dienten und daher in keinem Kursbuch zu finden waren. Auch in den Landkarten waren sie als Werkbahnen nicht enthalten.
Dann gab es für uns noch viele unbekannte Dinge und so manche Bedenken: Gibt es in Rumänien genügend Tankstellen und Benzin? Gibt es genug zu Essen? Und was ist, wenn dort unser Auto kaputt geht? Aber unser Enthusiasmus und unsere Motivation blieben ungebremst. Wir wollten unbedingt dahin!
Also starteten wir zu dritt am Abend des 20. September 1996 mit einem Trabant Kombi. Neben unserer Fotoausrüstung, unserem Reisegepäck und mehreren Reservebenzinkanistern hatten wir noch diverse Trabantersatzteile dabei, z.B. Keilriemen, Lichtmaschine, Vergaser, Zündspulen und einen Schlauch.
Anders als heute war damals diese Autostrecke noch durch mehrere Grenzkontrollen (mit teilweise stundenlangen Wartezeiten!) und deutlich weniger Autobahnabschnitte geprägt, so dass wir erst am nächsten Abend rumänisches Staatsgebiet erreichten.
Dort angekommen, die ersten Eindrücke: keine Fahrbahnmarkierung, unbeleuchtete Ortschaften, unbeleuchtete LKW's und Pferdefuhrwerke, marode Straßen. Hinter Oradea regnete es in Strömen. Draußen schlafen wäre schlecht gewesen.
Im Zuge unserer notgedrungenen Hotelsuche gelangten wir in eine Hochzeitsgesellschaft, die uns spontan einlud. Damit war dann auch gleich unsere Übernachtung gesichert. Kaum zwei Stunden im Land und schon eine Feier - nicht schlecht!
Am nächsten Tag ging es weiter. Unser erstes Ziel war die Waldbahn Margina. Dort angekommen sahen wir leider nur noch zugewucherte Gleise und abgestellte Fahrzeuge. Diese Bahn wurde vor einiger Zeit stillgelegt (Wie schon erwähnt: Internet gab es nicht und unsere Informationen waren spärlich).
Wir fuhren weiter nach Tismana. Dort bot sich ein erfreulicheres Bild. Eine Lok stand unter Dampf und befuhr den 43 km langen Streckenast nach Târgu Jiu und den 11 km langen Streckenast nach Apa Neagră.
Rückwirkend betrachtet war es die einzige Waldbahn, welche zwar nicht durch schöne tiefe Wälder verlief, jedoch viele andere interessante Motive bot: Ziehbrunnen, weite Landschaften, verträumte Dörfer, Romasiedlungen und Plattenbaugebiete.
Nächstes Ziel war das Waldbahnsystem von Covasna und Comandău, welches für seine Standseilbahn bekannt ist. Auch dort war reger Zugverkehr. Auf der oberen Strecke in Comandău fuhr als Schmankerl die Krauss-Lok und auf der unteren Strecke eine Reghin-Maschine.
Übernachtet haben wir immer wild, zwei Leute im Zelt und einer im Trabant.
Weiter ging es zur Waldbahn Câmpul Cetății. Auch dort hatten wir Glück, die Bahn verkehrte. Einziger Wermutstropfen war, dass wir auf Anweisung des örtlichen Bahnchefs auf dem Zug nicht mitfahren konnten. Da es außer der Bahn keine Straße und keinen Weg in den Wald gab, war das Fotografieren des Zuges ohne Mitfahrt kaum möglich.
Für den nächsten Tag entwickelten wir eine andere Strategie. Da der Zug quasi nur in Dauerlaufgeschwindigkeit unterwegs war, rannten wir vor dem fahrenden Zug vorneweg und schossen unsere Fotos.
Nachdem wir auf diese Weise unsere Traumschüsse bei Sonne und buntem Herbstlaub im Kasten hatten, reisten wir weiter nach Moldovița. Auch dort war uns das Glück wohlgesonnen, denn die dortige Hauptattraktion, die Krausslok, war im Streckendienst anzutreffen. Die bereits zuvor eingeübte Methode des vorneweg Rennens bewährte sich auch diesmal.
Schließlich ging es über Vișeu de Sus wieder nach Hause (auf diese Waldbahn wird aufgrund von Erlebnisberichten aus anderen Jahrgängen des Rumänienadventskalenders nicht näher eingegangen). Unser Trabant hat uns zuverlässig bis Dresden gebracht, wo wir am 5. Oktober ankamen.
Neben unseren Fotos brachten wir viele schöne Erinnerungen mit nach Hause, z. B. von gastfreundlichen Waldarbeitern, die uns auf mehrere Selbstgebrannte (manchmal auch zu viele!) oder zum Essen einluden. Unvergessen blieb auch, wie uns in Moldovița ein Anwohner einen Sack Brennholz zum Kochen an unserer Picknickstelle ausschüttete. Dass wir einen Benzinkocher hatten, wusste er nicht.