Im Jahr 2002 nahmen wir zum ersten Mal unseren Enkel Michele auf eine Exkursion nach Rumänien mit. Er war damals acht Jahre alt. Wir planten, vom Prislop-Pass aus über das Maramureş-Gebirge ins hintere Vasertal zu gelangen, um auf den Schienen der berüchtigten Waldbahn, teils per Fuß, teils per Bahn, bis zum Talausgang nach Vişeu de Sus zu kommen.
Die Wassertalbahn wurde für den Holztransport gebaut und 1932 fertiggestellt. Die Länge der Schmalspurstrecke beträgt 56,1 km, die mögliche Höchstgeschwindigkeit der Schienenfahrzeuge 15 km/h. Seit 2007 kommen für den Holztransport nur noch Dieselloks zum Einsatz. Dampfloks für Touristen verkehren nur noch an bestimmten Tagen. In den letzten Jahren erfolgten in den umliegenden Bergen gigantische Holzeinschläge wie leider in vielen anderen Gebirgsregionen Rumäniens auch.
Am 19. Juni trafen wir am Prislop-Pass ein, ließen dort unseren Kleinbus stehen und starteten am nächsten Tag ins Maramureş-Gebirge, Richtung ukrainische Grenze. Für unsere Wanderung über Jupania, Cabana Bălăsínii und den Berg Ciungii (1.550 m) bis zum Einstieg ins Vasertal ließen wir uns viel Zeit, obwohl Michele tüchtig mitmarschierte und immer gut gelaunt war.
Die erste Strecke ist leicht zu gehen. Im Hintergrund die hohen Gipfel des Maramureş-Gebirges.
Begegnungen unterwegs
Eine Rast bei den Hirten gehört zu den schönsten Erlebnissen einer rumänischen Bergtour. Natürlich bekommen wir reichlich Käse und Milch.
Manchmal ist unsere Lagerstelle umzingelt von Hunden. Michele aber hat keine Angst und freundet sich schnell mit ihnen an.
Hier blühen sie noch, die Alpenrosen!
Eine Wiese mit Scheidigem Wollgras
Zwei Regentage sind auch dabei. Dann spielen wir Rommé. Doch für Michele gibt es auch sonst viel zu tun.
Irgendwo dort hinten liegt das Vasertal.
Die beiden können uns erklären, in welche Schlucht wir absteigen müssen, um ins Vasertal zu kommen.
26.6. Abstieg ins Vasertal. Wie aus dem Nichts tauchen im Dickicht zwei Grenzsoldaten auf und kontrollieren unsere Pässe. Sie warnen uns vor irgendwelchen Explosionen im Wald.
Comanu im hintersten Winkel des Vasertals, Endstation der Waldbahn. Tatsächlich kracht es am Abend in unmittelbarer Nähe. Sprengungen für eine neue Forststraße in den Felsen am gegenüberliegenden Hang.
In den Pfützen neben dem Schmalspurgleis leben Gelbbauchunken.
27.6. Valea Babii. Die Dampflok 764-436 kommt in Sicht. Zwei Hirten warten auf den Schienenbus.
28.6. Măcărlău. Eine Diesellok mit zwei winzigen Personenwaggons fährt ein. Die Waggons, gebaut in Budapest 1900 und in Arad 1906.
Wir fahren nur eine Station bis Făina. Unterwegs bringen Hirten ihren Käse in schweren Säcken zum Zug.
Station Făina. Eine Tafel warnt die Bahnarbeiter vor schlecht gesichertem Langholz auf den Zügen. Böse Unfälle sind an der Tagesordnung. Wir wandern bis Şuliguli.
29.6. Şuliguli. Wieder Regen, das Tal heißt ja auch Wassertal. Wir vertreiben uns die Zeit mit Würfel- und Wörterspielen. Um 11 Uhr kommt die alte berühmte Dampflok Cozia-1 mit einem Touristenwaggon talaufwärts gefahren und um 15:30 Uhr wieder talabwärts. Wir haben nicht mehr viel zum Essen. Da ist die in Silberpapier eingewickelte, geröstete Forelle, die uns ein freundlicher Mann aus dem Zug schmeißt, ein köstlicher Leckerbissen! Wir werden es ihm nie vergessen.
30.6. Ein Sonntag. Wir gehen zu Fuß bis Botizu und Bardău und müssen einmal auch durch einen Tunnel. Es herrscht Ruhe im Tal. Den ganzen Tag über nur einen Mann und zwei Hunde getroffen. Die Hunde rennen auf den Schienen an uns vorbei, ohne uns eines Blickes zu würdigen.
Station Botizu
Station Bardău
Hinter Bardău geht unser Proviant zu Ende. Es gibt am Abend Brennesselsuppe. Noch leben hier Großinsekten, Bockkäfer und seltene Schmetterlinge.
Schönbär
Kleiner Eisvogel
Am 1.7. erreichen wir Novicior und Cozia. Um 11:15 Uhr begegnet uns der erste Zug talaufwärts mit der alten Dampflok 764-436, um 12:15 Uhr der zweite mit einer Diesellok und um 14 Uhr der Touristenzug mit Cozia-1. Es sitzen teils wieder dieselben Leute in den Zügen, die wir schon mehrfach getroffen haben.
In Cozia nehmen wir Abschied aus dem Vasertal mit den freundlichen Bahnarbeitern. Einer mit ganz ölverschmierten Händen geht heimlich mit uns zu seinem Spind, holt eine Flasche heraus und spendiert uns einen Schnaps. Es soll wohl keiner von den anderen davon wissen.
Der grüne Schienenbus – überfüllt mit fröhlichen, singenden Menschen - bringt uns nach Vişeu de Sus.
Wir hatten auf unserer Wanderung 43 Vogelarten festgestellt, darunter Auerhuhn, Haselhuhn, Ringdrossel oben im Gebirge und Flussuferläufer, Wasseramsel, Zwergfliegenschnäpper im Vasertal.
Am 2.7. fahren wir mit dem Zug nach Borşa. Von dort aus quält sich der Bus im Schneckentempo zweieinhalb Stunden lang hoch zum Prislop-Pass. Der Hüttenwart empfängt uns mit großer Freude. Er hat Michele in sein Herz geschlossen.
Danke, lieber Michele, Du warst ein wunderbarer Expeditionsteilnehmer! Michele hat uns später noch auf vielen weiteren Reisen und abenteuerlichen Exkursionen begleitet.