Donnerstag, 22.5.
Es hat die ganze Nacht geregnet. Jetzt, um 8:10 Uhr, donnert es noch immer. Im Zelt ist es warm und angenehm. Als der Regen schließlich dann doch nachlässt, fahre ich los.
Bei Stromkilometer 400 mache ich ein Notcamp wegen eines Gewitters. Es ist 12:45 Uhr und ich würde heute noch gerne weiterfahren. Um 13:30 Uhr hat der Regen aufgehört, aber es ist ein Sturm aufgekommen. Weil der Platz auf der Insel wunderschön ist, beschließe ich, einen Rasttag zu machen, obwohl der Wind gegen 15:30 Uhr schließlich aufhört und die Sonne herauskommt. Ich mache Körperpflege und lade mit dem Solargerät die Akkus von Handy, GPS und Fotoapparat auf. Heute bin ich nur ca. 25 Kilometer gefahren. Bei einem Spaziergang auf der riesigen Sandbank meiner Insel sehe ich etwa zwei Meter von mir entfernt eine Schlange. Sie ist ca. 25 cm lang, 1 cm dick, mit einem Kopf von ca. 2 cm Durchmesser. Farbe graubraun.
Freitag, 23.5.
Heute bin ich um 8:00 Uhr aufgebrochen. Der Himmel ist bedeckt. Um 11:30 Uhr bin ich auf der Höhe von Silistra. Im Restaurant auf der rumänischen Seite habe ich Trinkwasser geholt und zu Mittag gegessen. Ich treffe auf nette und freundliche Grenzbeamte.
Um 13:30 Uhr mache ich bei Stromkilometer 356 auf einer Sandbank Rast. Schwarze Wolken sind am Himmel aufgezogen. Ich entschließe mich trotzdem zur Weiterfahrt, was ein wenig später während eines dreißigminütigen Gewitters zu einem „Stehbiwak” in Badehose und Anorak auf einer Insel führt. Ich bin an eine dicke Weide gelehnt, die von einer dichten, pelzigen Pflanzenschicht überwuchert ist. Im Sturm bewegt sich die Weide ganz leicht, wie ein Lebewesen. Ich fühle mich richtig beschützt. Anschließend geht es weiter.
Heute habe ich mindestens 60 Kilometer angepeilt, fahre aber nur 59, weil ich bei Stromkilometer 335 einen schönen Zeltplatz finde. Die Donau ist hier recht breit. Es gibt immer wieder Nebenarme und Inseln. Es ist oft schwer, sich zu orientieren.
Samstag, 24.5.
Um 5:00 Uhr früh ist der Himmel ziemlich bedeckt. Die Temperatur beträgt 18° C. Ich warte vorläufig ab. Das Wetter entwickelt sich schließlich gut. Ich breche um 6:10 Uhr auf und fahre durch eine herrliche Landschaft.
Als ich einen kleinen Ort in Ufernähe ausmache, beschließe ich, Lebensmittel einzukaufen, was Waten durch ca. 100 Meter Schlamm bis zum Erreichen der Dorfstraße bedeutet. Ich bin bei Stromkilometer 315. Anschließend, in Cernavoda, fahre ich unter einer Straßen- und Eisenbahnbrücke durch. Hier sehe ich das Schubschiff „Krems”, das österreichisch beflaggt ist. Leider sehe ich keine Besatzung. Hier treffe ich auch das Passagierschiff A'Rosa mit deutscher Flagge.
Dann kommen kleine Dörfer. Viele Leute grüßen vom Ufer. Einmal schneidet mir ein vom Ufer kommendes Ruderboot mit zwei Männern ganz offensichtlich den Weg ab. Das Manöver wirkt eher bedrohlich und nicht wie eine Begrüßung. Ich fahre schließlich hinter ihrem Boot vorbei und halte Abstand. Ich weiß, dass ich mit meinem Kajak um einiges schneller bin als das große Ruderboot. Wahrscheinlich wollten die beiden nur plauschen, sie hätten es aber anders anfangen müssen.
Ich campe bei Stromkilometer 268, nach 67 Tageskilometern. Am Abend spült mir die Bugwelle der stromabwärts vorbeiziehenden A'Rosa fast mein Boot weg. Um 19:00 Uhr kommt noch eine Kuhherde vorbei und beschnuppert Boot und Zelt.
Sonntag, 25.5.
Um 6:15 Uhr bin ich aufgebrochen. Schönes Wetter. Heute bin ich bei der Brücke „Vadu Oii” vorbeigekommen, wo eine Schwester meiner Mutter begraben ist, die als Angehörige der deutschen Minderheit im Grenzbereich zu Jugoslawien nach dem Krieg in die Baragansteppe verschleppt worden war (http://baragansteppe.blogspot.com). Dann bin ich an Stancuța vorbeigekommen, wo ebenfalls Zwangsdeportierte im Baragan gelebt haben.
Abends habe ich, schon etwas müde, auf einer Strecke von 10 km nach einem geeigneten Zeltplatz gesucht und nichts gefunden. Entweder waren die Plätze belegt (Sonntag) oder wegen Schlamm etc. nicht erreichbar. Schließlich bin ich doch noch fündig geworden. Mein Platz liegt etwa fünf Kilometer abseits von einem Roma-Lager. Es gibt viele freilaufende Pferde.
Heute haben mich einige Male Leute freundlich gegrüßt. Meistens wurde ich aber „nicht einmal ignoriert”. Bin heute „streichfähig”. Ich schlage mein Lager nach 61 Tageskilometern um 16:45 Uhr bei Stromkilometer 207 auf. Ein größeres Gewitter ist im Anzug. Gut, dass das Zelt schon steht.
Montag, 26.5.
Heute bin ich um 6:30 Uhr aufgebrochen und kämpfe gegen starken Wind an. Um 9:00 Uhr finde ich eine Art Hafen, in den ich wegen der hohen Wellen einfahre. Es ist sonnig. Ich sehe eine Schafherde mit Hunden. Am Ufer nutze ich die Zeit für eine Zwischenmahlzeit. Ich warte auf ein Abflauen des Windes. Eine Zwangspause.
In meinem „Hafen” ist ein Pumpwerk für eine Bewässerungsanlage. Die haben gerade ihre Motoren angeworfen. Daneben grasen Pferde. Die Pumpwerkarbeiter schauen misstrauisch zu mir herüber. Ich grüße. Einer grüßt zurück, steigt schließlich in ein Ruderboot und hält auf mich zu. Er fragt mich, woher ich komme und zeigt mir auf meiner Karte, wo er daheim ist.
Um ca. 10:00 Uhr entscheide ich mich dafür, den Kampf mit dem Wind wieder aufzunehmen. Ich habe heute den ganzen Tag Gegenwind. Gegenüber der Stadt Brăila entdecke ich am rechten Ufer eine Wiese und entschließe mich zu campen. Es ist das erste Camp ohne Schlammzugang bzw. ohne feuchten Sandboden für das Zelt.
Dienstag, 27.5.
Heute bin ich 53 Kilometer gefahren. An der Grenze zur Ukraine kommt die rumänische Grenzpolizei auf mich zu. Das Polizeiboot schneidet mir nicht den Weg ab, sondern dreht höflich bei und macht Passkontrolle. Die Polizisten schreiben meine Daten in ein Buch.
Ich bin heute um 6:15 Uhr abgefahren und bis ca. 11:00 Uhr war es sehr kalt. Dann ist die Sonne durchgekommen. Heute bin ich an zwei großen Städten vorbeigefahren: Brailla und Galați, bevor ich einen schönen Zeltplatz gefunden habe. Mein Zelt steht auf hellem, ganz feinem Sand. Ich habe Zeit zum Baden und Haare waschen. Nach einer Rasur fühle mich wie ein neuer Mensch. Dann sitze ich in Badehose im kühlen Schatten.
Heute hat es viele freundliche Begrüßungen gegeben. Ein Fischer wollte mir sogar einen Fisch schenken! Eindrucksvoll sind die Hochseeschiffe, die seit Brailla die Donau befahren. Ein österreichisches Schiff, die Partenstein, fährt vorbei.
Mittwoch, 28.5.
Heute Nacht habe ich sehr gut geschlafen und breche schon um 5:30 Uhr auf. Anfangs gibt es Sonne, dann nur mehr bedeckten Himmel. Wieder gibt es eine Kontrolle durch Grenzpolizei. Ich muss meinen Pass nicht mehr herzeigen, darf mich aber selber in ihr Buch eintragen. Sehr freundliche und höfliche Beamte.
Vor Tulcea glaube ich, nach dem Leuchtturm in den Sulinaarm abbiegen zu müssen. Richtig wäre aber vorher gewesen. Ein weiterer Grenzpolizist kommt mit einem Boot auf mich zu und weist mich auf den Irrtum hin. Dann kommandiert er mich an den stärksten Wirbeln vorbei in die richtige Richtung. Zehn Minuten schwere Arbeit gegen Strömung und durch starke Wirbel hindurch.
Tulcea ist eine relativ große Stadt, bei der ich auch am gegenüberliegenden Ufer kaum eine Möglichkeit finde, mein Zelt aufzuschlagen. Ich fahre also an Tulcea vorbei ans linke Ufer, weil schwarze Wolken aufziehen. Zwei Fischer, die ich dort treffe, sind so wie ich der Meinung, dass es bald Regen geben wird. Ich schlage mein Zelt auf und räume meine Sachen vom Boot ins Zelt herüber. In derselben Minute, in der ich damit fertig bin und die Bootsluke verschlossen habe, beginnt es zu schütten. Glück gehabt!
Heute bin ich 53 Kilometer gefahren. Es ist jetzt 13:45 Uhr. Mein Zeltplatz ist eine bessere Müllkippe, aber immerhin besser als nichts.
Donnerstag, 29.5.
Die ganze Nacht war Sturm. Teilweise auch Regen. Um 7:00 Uhr weht noch ein starker Wind, aber die Sonne kommt heraus. Ich denke, ich werde weiterfahren.
Das Wetter hat sich gebessert. Die Einfahrt in den Sulinaarm schaut mickrig aus. Der Arm ist immer so etwa um die 100 Meter breit. Ich fahre an schönen, beschaulichen Dörfern vorbei. Es gibt regen Boots- und Schiffsverkehr. Tragflügelboote machen große Wellen, sind aber kein Problem für mein Kajak.
Leider kann ich die Einfahrt in Richtung "Mila 23" nicht finden, aber dafür entdecke ich ein Stück weiter einen traumhaften Zeltplatz. Dort wasche ich mich, mein Hemd und meine Badehose. Heute bin ich 37 km gefahren.
In Sulina gibt es kaum Anlegeplätze. Zum Teil liegen hier Boote in mehreren Reihen nebeneinander. Nach langer Suche finde ich eine Stiege ungefähr auf Höhe des alten Leuchtturms bei Milă zero.
Ein Bub hilft mir das Boot rauszuziehen. Ein junger Polizist hat mich entdeckt und rät mir, die Sachen nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Er steht daneben, als ich das Boot zerlege. Glücklicherweise spricht er Englisch. Ich frage ihn, ob ich mein Gepäck vorübergehend im Kabinenboot seines Vaters lassen kann, das an meiner Ausstiegsstelle vertäut ist. Er ist einverstanden.
Nachmittags fährt er mich in Zivil mit seinem Motorrad an den Strand und zum alten Leuchtturm, der heute ein schönes Stück vom Meer entfernt ist, weil die Donau ständig neues Land anschwemmt. Wir besuchen das Museum im Leuchtturm und fahren dann zum Wasserturm, wo Trinkwasser aus Donauwasser aufbereitet wird. Auf der Motorradfahrt grüßt der Polizist ununterbrochen nach links und rechts. Er ist hier aufgewachsen und kennt Alle und Jeden.
Sulina hat 5000 Einwohner. Die Straßen im Ort sind, bis auf die Straße am Kai, geschottert. Auch zur Außenwelt gibt es keine Straßen- oder Bahnverbindungen. Man ist auf den Flussweg angewiesen.