Ausschnitte aus dem Buch »Land. o. Land ...« Erinnerungen an die verlorene Heimat von Gertrud Knopp-Rüb (✝) (mit freundlicher Genehmigung der heutigen Rechteinhaber)
Sich an etwas erinnern, das mehr als fünfzig Jahre zurückliegt, wie zuverlässig kann dies nach so langem Abstand noch sein? Sind doch alle unsere Tage und Jahre, ist doch unser ganzes Leben dem Vergehen und Vergessen anheimgegeben. Und dennoch wissen wir von Dingen und Begebenheiten, die sich wie unauslöschlich, wie unverlierbar in unser Gedächtnis eingeprägt haben und sich ihre Bildhaftigkeit bewahrten. Zu diesen Dingen gehört für mich Weihnachten in der alten Heimat. Bis zu meinem 15. Lebensjahr habe ich dieses Fest dort erlebt. Es gab in der schlichten und arbeitsreichen Welt unserer Eltern für uns Kinder wenig Höhepunkte. Wir hatten nicht viel, das der Sehnsucht und dem Verlangen unserer jungen Herzen nach etwas Schönem, Glanzvollen entgegen kam.
Oft fanden wir uns am Sonntagnachmittag, wenn alles ruhte und es so still war im Dorf, irgendwo bei jemand zusammen. Im Sommer saßen wir zumeist im Schatten zwischen den Strohschobern, wo es so herrlich nach dem frisch gedroschenen Getreidestroh roch oder unter den tief herabhängenden Ästen eines Nußbaumes, wo wir ganz für uns waren. Jedes von uns Mädchen brachte dann seine Schachtel mit, in der wir jene Kostbarkeiten aufbewahrten, die unseren persönlichen Besitz ausmachten. Es waren dies Glas- und Porzellanscherben sowie ein Bündel unterschiedlicher Stoffflecken, gestreifte und blumige, einfarbige, besonders schön strukturierte und auch solche von glänzender Seide, die wir uns stolz vorführten. Manchmal kam auch ein Tausch zustande, z.B. eine bunte Glasscherbe gegen eine aus Porzellan mit Blümchen oder anderem Dekor.
Nicht selten erzählten wir uns bei diesen Zusammenkünften auch Geschichten, die wir meist selbst erfanden und immer neu ausschmückten. Und ab und zu kam es auch vor‚ dass jemand sagte: „Reden wir doch von was Schönerem, erzählen wir uns doch von Weihnachten.“ Mit dem Stichwort „Weihnachten“ war plötzlich alles andere, das wir unserer Phantasie entlockt hatten, hinweg gewischt. Eine seltsame Verzauberung nahm von uns Besitz, und wir überlegten und lauschten in uns hinein, wo jene große Glückseligkeit aufbewahrt sein musste, die wir einmal im Jahr erleben durften.
Wann fingen wir eigentlich an, uns auf Weihnachten zu freuen? Wenn der Frost und der Sturmwind die Bäume entlaubten? Wenn Schlamm und Pfützen auf den Straßen vereisten, dass man dort entlang schlittern konnte? Wenn der erste Schnee fiel? Wenn auf den Höfen geschlachtet wurde, dass man es im ganzen Dorfe roch? Wenn die Mutter Maß an uns nahm für ein neues Kleid zu den Festtagen? Wenn sie abends in ihrem Rezeptbuch blätterte und auf einem Zettel Notizen machte? Wenn wir in der Schule Weihnachtsgedichte lernten für die Feier am Heiligen Abend in der Kirche? Es ist schon so lange her, ich weiß es nicht mehr.
Von Advent hörten wir allenfalls im Lesegottesdienst unseres Lehrers, der auch das Küsteramt versah. Zwar hatten wir einen Pastor am Ort, weil hier der Sitz des Kirchspiels war. Doch dieser musste außer uns noch weitere acht Gemeinden kirchlich betreuen und konnte daher nur alle paar Wochen bei uns predigen. Aber an hohen Festtagen gab seine Anwesenheit unserem bescheidenen Gotteshaus doch einen besonderen Glanz. Bescheiden deshalb, weil es nur ein Bethaus war. Uns schien es dennoch stattlich und beeindruckend durch seine weiträumigen Ausmaße und durch den hohen, behäbigen Glockenstuhl davor. Aber es war eben nur ein Bethaus und keine Kirche. Daher sammelte man schon lange in der Gemeinde für ein würdiges Gotteshaus, für eine richtige Kirche.
In den ersten Jahren meiner Schulzeit kannten wir noch keinen Adventskranz. Wir wussten nichts vom Entzünden der vier Kerzen, die uns die Nähe von Weihnachten aufzeigten und ein wenig Innerlichkeit und Helligkeit in das Dezemberdunkel unserer Stuben hätten bringen können. Trotzdem gingen wir mit einer stillen Freude und einer alles einbeziehenden Erwartung dem Fest entgegen. Mit jedem Tag ein Stückchen mehr.
Ich hatte noch eine Schwester, die zwei Jahre jünger war als ich. Wenn wir jetzt von der Schule heimkamen, roch es so gut nach allerlei Gewürzen, nach Nelken, Zimt, nach Sternanis und anderem mehr. Wir durften Walnüsse aufmachen und zerkleinern und manchmal auch beim Plätzchenausstechen helfen. Am Abend wurde dann das fertige Gebäck in hohe Blechkannen verstaut und im Giebelzimmer verwahrt‚ wo es schön kühl war, weil man dort nicht heizen konnte. Somit waren diese guten Dinge auch unseren Blicken und unserem Zugriff bis zum Fest entzogen.
Als Letztes kochte Mutter noch Karamelbonbons aus Zucker und Milch zu gleichen Teilen. Zwei volle Stunden musste die Masse ganz leicht auf dem Herd köcheln und dabei ständig gerührt werden, damit sie nicht anbrannte. Da war sie meistens froh, wenn wir ihr diese Arbeit abnahmen, weil ihr die Beine weh taten vom langen Stehen. Wenn sich die Masse entsprechend eingedickt hatte, gab Mutter einen in Milch aufgelösten Esslöffel Kakao hinzu und zuletzt noch ein Schüsselchen kleingehackter Walnüsse. Nun kippte sie die schon sehr zähe Flüssigkeit auf ein gefettetes Pergamentpapier auf dem Tisch. Sobald sie anfing sich zu härten, zerteilte sie diese der Länge und Breite nach in Streifen. Dabei gab es natürlich immer etwas Bruch und unsere kleinen Finger huschten hin und her nach jedem abgefallenen Krümelchen. Auch diese Gaumenfreude kam alsbald hinter Schloss und Riege und der gewohnte Alltag kehrte wieder ein, aber doch nicht mehr so ganz alltäglich und gewöhnlich wie vordem. Ein weihnachtlicher Duft war zurückgeblieben und hatte sich im ganzen Haus eingenistet.
Draußen lag meistens schon Schnee und erstickte alles Laute, Lärmende, wo es noch nicht zur Ruhe gekommen war. Nur nachts hörte man den Wind aus der Ferne über die Steppe heranstürmen und um die Hauswände heulen, dass man sich ganz tief unter die Bettdecke verkroch. Und morgens mussten jetzt immer öfter die Gehwege freigeschaufelt werden, weil sie zugeschneit waren. Nicht allein wegen uns Schulkindern, auch die Erwachsenen waren jetzt viel unterwegs, dieses und jenes zu besorgen. Und vor allem der Briefträger hatte jetzt wieder Post auszutragen, wohl mehr als sonst das ganze Jahr hindurch. Er brachte uns viele Weihnachtskarten von den vielen Onkeln und Tanten sowie den Großeltern, die weit weg in Bessarabien lebten. Wie bestaunten wir doch diese schönen, bunten Karten und manchmal nahmen wir auch eine heimlich mit in die Schule, um sie den anderen zu zeigen. Diese Karten waren doch so weit gereist und brachten einen Hauch der fernen, unbekannten Welt mit in unsere Abgeschiedenheit. Auf dem Bahnhof traf eine Ladung Christbäume aus den Karpaten ein. Es waren echte, dunkle Tännlein, die dann vor unserem Dorfladen im Schnee aufgereiht standen. Ab und zu brachte nun jemand ein ganz winziges Zweiglein Tannengrün mit in die Schule. Dann standen wir in der Pause um den großen Gußofen herum und rochen mit, wenn es in der Ofenglut angesengt wurde und seinen herben, würzigen Duft verströmte. Manchmal ging auch eine Pomeranzenschale von Hand zu Hand und jeder zwackte sich ein Stückchen ab und roch genüsslich daran. Das war schon ein bisschen wie Weihnachten, das nun nicht mehr allzu fern sein konnte.
In der letzten Woche vor dem Fest fuhr Vater in die Stadt, um einzukaufen. So sehr wir auch achtgaben, wir sahen und hörten nicht, wie die Sachen ins Haus kamen. Aber von da an glaubten wir doch etwas zu riechen, das vorher nicht dagewesen war und wir überlegten und rätselten herum, was es nur sein könnte. „Bockschoten (Johannisbrot) und Erdnüsse“ sagte ich zu meiner Schwester, „die riechen so“, und weil ich doch älter war als sie, schien es ihr auch logisch‚ dass ich mehr wissen musste. Bei Beginn der Schulferien trennten uns nur noch wenige Tage von Weihnachten. Mutter buk noch einmal Brot, sowie Süßbrot und auch Hutzelbrot aus den getrockneten Früchten, die in einem Säckchen am Querbalken unseres Dachgestühls hingen. Ein Teil des Brot tei ges blieb in der Mul de zu rück für den Schinken, der, darin eingewickelt, zuletzt in den Backofen kam. Die vom Schinkenfett durchtränkte Brothülle aßen wir warm besonders gern, meistens zuviel, so dass wir Bauchweh bekamen und Mutter aus dem Fass im Keller mit den gesäuerten Tomaten‚ Gurken, Melonen, Paprika, Kraut und anderem mehr die Salzbrühe abschöpfte und uns davon zu trinken gab. Das sollte es „verreißen“ und vielleicht half es auch.
Endlich war der 24. Dezember herangekommen. Inzwischen konnten wir auch nicht mehr in die gute Stube, weil sie abgeschlossen war und wir hatten manchmal das Gefühl, überall im Wege zu sein. So knieten wir jetzt öfter auf der Bank unter dem Fenster und schauten auf den Hof unserer türkischen Nachbarn, die uns nun so leid taten, weil sie keine Weihnachten hatten. Aber irgendwann würden sie wieder zu uns herüberkommen, den Christbaum anschauen und von Mutter eine Tüte Backwerk bekommen. Das war in jedem Jahr so. „Nix Schwein?“ fragten sie dann immer etwas zaghaft, denn sie wollten wissen, ob in dem Gebäck Schweineschmalz enthalten war. Mutter, die diese Frage stets überhörte, sagte nur „gut, gut“, und so verliessen sie uns mit einem zufriedenen, glücklichen Lächeln. Nun konnten wir es kaum noch erwarten, bis wir uns für den Kirchgang fertig machen durften. Unsere neuen Kleidchen und die neuen Zopfbänder lagen gebügelt auf dem Bett, die Schuhe standen frisch gewichst neben der Tür, Mützen und Mäntel hingen darüber am Kleiderhaken. Mutter war sicher froh, dass wir es so eilig hatten zur Schule zu kommen, von wo wir dann gemeinsam mit dem Lehrer in geschlossenem Zug hinüber zur Kirche gingen. Er probte noch einmal die Aufstellung vor dem Altar und ließ auch einige von uns ihre Verslein aufsagen.
Weihnachten ohne Schnee, wie wir es hier oft erleben, vielleicht hat es das auch in der alten Heimat gegeben. Ich kann mich nicht daran erinnern. In meinem Zurückdenken sehe ich immer nur das im Weiß versunkene Dorf vor mir. Aus der breiten Chausseestraße, die an die eineinhalb Kilometer lang in gerader Linie – von einem Ende zum anderen – mitten durch das Dorf lief, hatten die Schlittenkufen eine festgefahrene, glänzende Eisbahn gemacht. Doch die Leute gingen wie sonst im Jahr an den weißen Hofmauern entlang. Dort war stets bei morastigen Wegeverhältnissen Gestrüpp ausgelegt, damit die Schuhe nicht so nass und schmutzig wurden.
Lautlos senkte sich die Dämmerung auf das Dorf herab. Der Schnee auf den Dächern drückte die Häuser tiefer zur Erde und bald schien alles miteinander zu verschmelzen‚ eins zu werden. Unter den sich gerade noch abhebenden dunklen Ästen der Akazienallee sah man aus der Ferne kleine Lichter am Boden näher kriechen. Dröhnend und durchdringend und wie mit besonderer Gewichtigkeit fielen die Glockenschläge in die abendliche Stille. Zu Zweien aufgereiht überquerten wir Schulkinder die Straße und gingen zum hell erleuchteten Gotteshaus hinüber. Es waren zwar nur Petroleumlampen, die da an den Wänden hingen und ihr weiches, warmes Licht in die Dunkelheit sandten, aber für uns Kinder war es das einzige Mal im Jahr, dass wir unser Bethaus im Lichterschmuck sahen. In einem Nebenraum legten wir unsere Mäntel ab und dann setzte sich der festliche Zug durch den Mittelgang des Kirchensaales fort bis zur vorderen linken Ecke, wo wir auf Altarhöhe neben dem Fußharmonium Platz nehmen durften.
Auf der anderen Seite uns gegenüber saß der Kirchenchor und davor – rechts vom Altar – stand der bis zur Decke glänzende und glitzernde Christbaum. Unsere staunenden Blicke gingen zu jeder bunten Glaskugel, zu jedem Glöcklein und Engelchen, zu den vielen goldenen und silbernen Girlanden, ja zu jedem funkelnden Etwas, das da von den Zweigen der hohen, mächtigen und so wunderbar duftenden Tanne herab hing. Die Bänke im Kirchenraum – rechts des Einganges saßen die Männer und links die Frauen – waren bereits voll belegt von den dicht bei dicht sitzenden Menschen in ihren dunklen Festtagsgewändern. Stühle und Bänke wurden noch hereingetragen und im Gang aufgestellt, so dass gerade noch ein schmaler Durchlass für den Pastor frei war.
Am Heiligen Abend blieb niemand im Dorf zu Hause, wenn ihn nicht irgendwelche Umstände dazu zwangen wie Krankheit oder ein Dienst wie ihn z.B. die Dorfwache – bestehend aus zwei bis vier jungen Männern – zu versehen hatte, weil es schon vorgekommen war, dass in der Zeit dieses Abendgottesdienstes eingebrochen wurde.
Unheimlich, fast gespenstisch, wirkte die Stille im Raum, bei den vielen Menschen. Man hörte das Holz im Ofen knistern und ab und zu ein unterdrücktes Hüsteln. Dann setzte unvermittelt draußen im Glockenstuhl mit hartem Anschlag kraftvoll und jubilierend das Zusammenläuten ein. Die beiden Kirchenvorsteher zündeten nun ganz vorsichtig die Kerzen am Baum an. Wo sie nicht hinreichten, nahmen sie einen langen Stab zu Hilfe, an dem vorne ein brennendes Licht befestigt war.
Nachdem die letzten Glockentöne verklungen und verebbt waren, kam der Pastor durch den schmalen Gang nach vorne und mit seinem Vorwärtsschreiten erhob sich die Gemeinde und verharrte ehrerbietig, bis er neben dem Altar Platz genommen hatte. Am Harmonium intonierte der Küster erst langsam und leise, dann immer stärker und eindringlicher, das Eingangslied: „Dies ist die Nacht, da mir erschienen des großen Gottes Freundlichkeit...“. Wie ein Orkan brandete der kräftige Gesang durch den vollen Kirchenraum. Aller Blicke waren auf die im feierlichen Talar dastehende Gestalt des Pastors gerichtet, der das schwere Bibelbuch in seinen feingliedrigen Händen hielt und nach der Liturgie und dem Gebet nun die Weihnachtsgeschichte aus Lukas 2 vortrug: „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot ausging ...“. Und unser Gotteshaus wurde plötzlich zum Hirtenfeld von Bethlehem und die Stimme des Pastors ging ein in die des Engels, der zu den Hirten sprach:
„Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kindlein in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.
Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden ’ und den Menschen ein Wohlgefallen!“
Mir war, als hätte ich zu atmen vergessen, denn nun spürte ich ganz deutlich die dumpfen Schläge meines Herzens aufbegehren wie das zuckende Licht der Kerzen am Baum, hinter dem sich jetzt die Chorsänger erhoben und einstimmten:
„Stille Nacht, heilige Nacht“
Ein Strom überschäumender Glückseligkeit schwemmte alles Irdische hinweg und schuf Raum für das Wunder dieser Nacht, das sich in jedem Jahr neu vor uns ausbreitete und in unserer Seele vollzog. Man mochte die Augen schließen, um inniger und tiefer Gottes Liebe zu erfahren.
Und während nun die Gemeinde das alte Paul-Gerhardt-Lied sang: „Ich steh’ an deiner Krippen hier...”, suchte sich meine Phantasie ein stilles Plätzchen bei Maria und Joseph und dem Jesulein im Stall, wie sie auf einem Bild in unserem Religionsbuch dargestellt waren. Mit einem Schubs in die Seite fiel ich aber schnell wieder aus dem Bild heraus. Die ersten Schüler stellten sich am Altar auf und ich war bei der zweiten Gruppe, die nachrücken musste. Hastig ging ich in Gedanken meine Strophen durch. Was für eine Schande, wenn ich steckenbleiben würde. Das durfte ich Vater und Mutter nicht antun, die irgendwo in der Menge saßen. Die Zeit, bis ich dran war, dehnte sich unendlich. Dann war es schließlich soweit und ich hörte mich wie mit einer fremden Stimme sprechen und so, als ob ich nicht wirklich zugegen wäre. Die Wärme vorn vom nahen Kerzenlicht des Baumes trieb mir das Blut in die Wangen. Gott sei Dank, ich hatte es geschafft und ich sah beim Zurückgehen auf meinen Platz, dass mir der Lehrer zufrieden zunickte. Aber ich saß trotzdem noch eine Weile ganz still in der Bank und wartete darauf, dass die Unruhe sich verflüchtigte.
Nachdem wir alle unsere Gedichte aufgesagt hatten, sang der Kirchenchor zum Abschluss das schöne Weihnachtslied „O du fröhliche, O du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit....”. Bei der zweiten Strophe stimmten wir Schüler, bei der dritten alle mit ein. Dieser stimmgewaltige Ausklang ergriff noch einmal die ganze Gemeinde, auch jene, und vielleicht ganz besonders sie, die sonst nie zur Kirche kamen und sich an diesem Abend ins hinterste Dunkel des Kirchenraumes geschlichen hatten. Während die Erwachsenen nun beim Glockengeläut das Gotteshaus verließen und draußen auf uns warteten, bekam jeder von uns Schulkindern von den Kirchenvorstehern eine Tüte ausgehändigt. Der Inhalt war in den Jahren meiner Schulzeit immer gleich und bestand aus einem Rechen- und Schreibheft, einem Federhalter mit zwei Federn, einem Radiergummi (Erstklässler bekamen nur ein Griffel), dazu noch Süßigkeiten, Nüsse, Feigen, Bockschoten (Johannisbrot) und Lebkuchen. Für manche Kinder war das sicher die einzige Weihnachtsbescherung, weil es zu Hause nur zum Nötigsten reichte. Und nicht wenige mussten sich an diesem Abend mit dem Bild des Christbaums in der Kirche begnügen‚ weil die Eltern nicht das Geld für einen eigenen Baum hatten.
Wieder sah man draußen auf der Straße die Lichter im Dunkeln wandern‚ bis auch die Letzten am Dorfende heimgekehrt waren. Wir nahmen nie eine Laterne mit, weil wir ganz nahe bei der Kirche wohnten. Der Schnee war hart gefroren und knirschte harsch und hart unter unseren Sohlen. Eine wohlige Wärme empfing uns zu Hause beim Öffnen der Haustür. Im Wohnzimmer war der Tisch schon festlich gedeckt mit einem weissen Tischtuch und dem guten Geschirr das zu Mutters Aussteuer gehörte und das sonst nur wenn Besuch kam vorgeholt wurde. In einem geheimnisvollen Alleingelassensein machten meine Schwester und ich uns auf dem Fußboden breit und zählten die Nüsse und Bonbons, die wir in unserer Tüte von der Kirche vorfanden, bis Vater die Tür öffnete und nach uns rief.
Immer war es ihm wichtig, einen schönen Baum zu haben. Er schmückte ihn stets selbst und gab sich viel Mühe damit (nach der Umsiedlung nach Deutschland trauerten wir aufrichtig um diesen schönen Baumschmuck, der für uns ein Stück Kindheit und Heimat bedeutete). Zuweilen hatte ich den Eindruck, dass auch Mutter erst mit uns den Baum zu Gesicht bekam. Manchmal rückte sie noch etwas daran zurecht und freute sich mit uns, dass er wieder so herrlich schön geworden war.
Eigentlich hätte Vater nicht zu fragen brauchen, mit welchem Lied wir beginnen wollten‚ denn es war immer nur „Stille Nacht“. Und wir konnten es nicht genug singen an diesem Abend. Denn es war uns so, als wäre es nur für ihn allein bestimmt, wie eine Blu me, die nur einmal im Jahr ihre Blütenblätter öffnen darf. Anschließend sagten wir dann unsere Gedichte auf. Es waren natürlich nicht die gleichen wie in der Kirche, das wäre ja zu leicht und zu einfach gewesen. Etwas Mühe und Anstrengung gehörte schon dazu, wenn man beschenkt werden wollte. Einmal trug ich zwei Jahre hintereinander Eichendorffs „Markt und Straßen stehn verlassen...“ vor, nicht weil ich mir das Auswendiglernen schenken wollte, sondern weil es mir besonders gefiel. Aber ich hatte doch ein wenig ein schlechtes Gewissen dabei, obwohl es niemand merkte.
Zuletzt sprach Vater ein Gebet, das meistens sehr lang wurde, da er so viele Onkel und Tanten und auch die Großeltern mit einschließen musste. Weil sie schon alt waren, bat er für sie in besonderem Maße um Gottes Hilfe und Segen, aber auch für jene, die krank waren und vielleicht nicht mehr gesund werden würden. Und besonders inständig war stets seine Bitte um Onkel Johannes, seine Frau Ida und ihr Söhnchen Harry. Dieser, sein Bruder, war 1917 als Lehrer nach Helenendorf in den Kaukasus gegangen, hatte dort eine baltendeutsche Kollegin geheiratet und konnte durch die Revolutionswirren mit seiner Familie nicht mehr zurück nach Bessarabien. Seit 1925 wussten wir nun nicht mehr, ob sie noch lebten und wie es ihnen ging. Wir dachten in großer Liebe an sie und baten Gott darum, dass sie nicht hungern mussten und dass sie auch ein wenig Weihnachten feiern durften. Mitunter wiederholte sich Vater und wenn er nicht weiter wusste, rettete er sich mit einem „habe Dank, himmlischer Vater“ darüber hinweg, sodass wir uns manchmal genierten. Wenn man so jung ist, weiß man noch nicht, dass man gar nicht genug danken kann, dass wir in unserem Leben viel zu wenig Dank sagen und über manches Gute so selbstverständlich und gedankenlos hinweggehen.
Nach einer angemessenen Stille nach dem Gebet teilte Vater dann die Geschenke aus und Mutter meinte jedesmal, dass sie in diesem Jahr nicht so reich ausgefallen wären. Aber wir hatten nie das Gefühl, zu gering bedacht worden zu sein und freuten uns herzlich über jede kleine Gabe, wie z.B. ein Quartettspiel, ein Handarbeitsscherchen oder ähnliches.
Als wir noch nicht zur Schule gingen, kam am Heiligen Abend auch das Christkind zu uns im langen, weißen Gewand und in einen Schleier gehüllt. Aber an der Stimme erkannte ich stets unsere Nachbarstochter Luise und obwohl ich es nicht verriet, brachte das Christkind plötzlich nur noch „heimlich“ die Geschenke, wie sich Vater ausdrückte. Wo Buben waren, kam gewöhnlich der „Pelzmärte“. Er sah zumeist etwas furchterregend aus, vor allem wenn er seine Rute schwang und mit der Kette rasselte.
Mutter war längst wieder in der Küche und bald roch es nach Bratwurst und Schinken, nach saurem Allerlei, Ikra und Pfeffersoß’ (Ikra kommt aus dem slawischen, russischen und bezeichnet den Fischrogen, Kaviar. Als Kaviarersatz werden jedoch auch Ei und Aubergine als Brei gemischt, als Kaviar des armen Mannes. In der Dobrudscha und auch Bessarabien jedoch Auberginensalat. Quelle: „Die Küche der dobrudschadeutschen Bäuerin“, Irmgard Gerlinde Stiller-Leyer. Pfeffersoße besteht zum größten Teil aus Paprika, gemischt mit Tomaten, Zwiebel, Knoblauch, Auberginen, ähnlich dem rumänischen Zacusca.), sowie nach all den guten Dingen, die sie für diesen Abend vorbereitet hatte. Und wie gut es uns dann immer schmeckte, wie froh und glücklich wir waren! Später spielten wir noch mit den Nüssen: „paarig oder unpaarig“, „Domino“ oder „Schwarzer Peter“, wobei wir es Mutter immer ansehen konnten, wenn sie die Unglückskarte gezogen hatte.
Viel später als sonst am Abend deckte sie uns dann die Betten auf, betete mit uns und stopfte uns die Decke ringsum an den Körper, damit wir es warm hatten. Und während sie uns auf die Stirn küsste, schliefen wir bereits neuen Erlebnissen entgegen. Weihnachten, dieses wunderbare Fest, hatte ja erst begonnen.
Am ersten Weihnachtstag gingen wir wieder alle zur Kirche, die fast genauso voll war wie am Heiligen Abend. Dass auch dieser Tag sehr heilig war, merkten wir Kinder daran, dass der Kirchenchor sang und das geschah nur an hohen Festtagen. Auch am Nachmittag war noch einmal Gottesdienst, aber da gingen nur jene hin, die ganz besonders fromm waren, wie wir uns untereinander erzählten. Die meisten luden sich jetzt Besuch ein oder gingen „zu Gast“, wie man es nannte. Mutter lud meistens ihre Freundin mit der ganzen Familie ein. Diese Freundin war aus dem Nachbardorf ihres Geburtsortes in Bessarabien genau wie sie durch die Heirat in die Dobrudscha gekommen und so hatten sie manche Anknüpfungspunkte. Uns Kindern standen an solch einem Besuchstag oft mehrere Zimmer zur Verfügung, wo wir nach Herzenslust herumtobten, ja sogar Versteck spielten.
Am zweiten und dritten Weihnachtstag wurde es dann ruhig und für uns Kinder manchmal auch langweilig. Es gab ja damals noch kein Radio und Fernsehen und auch keine Bibliothek, wo wir uns hätten Bücher zum Lesen holen können. Oft spielten wir stundenlang „Dame und Mühle“ irgendwo bei Gleichaltrigen in der Nachbarschaft und wenn wir kein Spiel dazu hatten, malten wir es uns auf ein Blatt Papier und statt der Steine nahmen wir Maiskörner, Bohnen oder auch Knöpfe.
Ende 1934, ich war damals gerade neun Jahre alt, kam durch Vermittlung des evangelischen Oberkirchenrates von Berlin die Diakonisse Irene Grabow zu uns ins Dorf, um sich als Gemeindeschwester der Siechen und Kranken anzunehmen.
Aber sie sah wohl auch, wie sehr es uns Kindern in geistiger und geistlicher Hinsicht an Erbaulichem fehlte. So führte sie die Sonntagsschule bei uns ein (ähnlich der Kirchenlehre für die Konfirmierten) und versammelte uns nach Altersgruppen getrennt einmal wöchentlich bei sich in der Wohnung. Wir lernten bei ihr nicht nur Spiele, Basteln und Singen, sondern sie gab uns auch immer wieder Wegweisung durch Gottes Wort in der Bibel. Sie selbst schreibt darüber im Jahrbuch der Dobrudschadeutschen 1959, Seite 152: „Viel könnte ich auch noch von unseren Festen erzählen. Wie war es doch bei jener ersten Adventsfeier in unserem Kirch lein? So etwas war ja noch nie dagewesen. Darum hatte ich diese Feier auch mit zitterndem Herzen vorbereitet. Aber dann hatte sie soviel Anklang gefunden, dass wir in jedem Jahr Adventsfeier halten durften. Am 1. Advent wanderten wir mit selbst gebastelten Transparenten zu den Kranken, sangen unsere Lieder und riefen ihnen die köstlichen Gottesverheißungen zu. Am Weihnachtsabend sind wir sogar mit einem geschmückten Tannenbäumchen, das wir vorsichtig in einem großen Korb trugen, durchs Dorf gezogen von einem Kranken zum andern und es fragt sich, wer dabei am glücklichsten war, die Empfänger oder die Geber. Unsere liebe „Tante Irene“, wie wir sie nannten, öffnete uns die Tür zu einer neuen Erlebniswelt und wurde zum Segen für unsere ganze Gemeinde. Sie verbrachte ihren Lebensabend im „Rauhen Haus“ in Hamburg, wo einst Johann Hinrich Wichern (1808 – 1881) den Adventskranz erfand. Mit diesem Adventskranz wollte er den Kindern, die er verwahrlost und verwildert von der Straße holte und in einem christlichen Haus erzog, die Adventssonntage vor dem Weihnachtsfest durch das Entzünden der vier Kerzen bewusst und anschaulicher machen.
Der 28. Dezember war für die Mägde und Knechte im Dorf der Wandertag, wenn sie ihren Platz wechseln wollten. Dabei wurde gerne gefeiert und niemand hatte etwas dagegen.
An Silvester wurde das alte Jahr mit einem Gottesdienst mit Abendmahlsfeier verabschiedet. Von diesem Gottesdienst waren wir Kinder ausgeschlossen, weil er spät am Abend stattfand. Gegen 23:30 Uhr läuteten die Glocken das alte Jahr aus, eine Viertelstunde lang. Um 24 Uhr kündeten dann zwölf eherne Glockenschläge Mitternacht an. Der Kirchenchor stand schon auf der Treppe unseres Bethauses bereit und sang nach dem letzten Glockenschlag eines der nachfolgenden Lieder: „Sinnend stehn wir an des Jahres Grenze...“, „Des Jahres letzte Stunde...“, „Ach wiederum ein Jahr vergangen...“ oder auch ein anderes Lied, wie es vom Küsterlehrer, der auch den Kirchenchor leitete, bestimmt wurde. Nach dem Gesang des Chores, meistens von Viertel nach zwölf bis halb ein Uhr, wurde dann das neue Jahr eingeläutet. Viele Dorfbewohner, besonders die Jugend, fanden sich bei der Kirche ein, um den festlichen Jahreswechsel mitzuerleben, der von gelegentlichem „Neujahrschießen“, mal näher, mal weiter entfernt, begleitet wurde. Die Alten waren sehr gegen dieses „Neujahrschießen“, weil schon manches Unglück durch die meistens selbst gefertigten Knallkörper entstanden war. Am Neujahrsmorgen musste man jedoch wieder beizeiten auf den Beinen sein, weil nun die Kinder, meistens aus ärmeren Familien, von Haus zu Haus gingen, um mit kleinen Versen und Sprüchen Neujahr zu wünschen. Es waren für gewöhnlich kleine Gruppen, wobei einer ein Säckchen umgehängt hatte für die Nüsse, Süßigkeiten und das Backwerk; ein anderer nahm das Geld entgegen, das sie nachher unter sich aufteilten. Die gebräuchlichsten Neujahrswünsche waren:
„Weil das neue Jahr ist kommen, hab’ ich mir es vorgenommen, euch zu wünschen in der Zeit Friede, Glück und Seligkeit. Soviel Flocken in dem Schnee, soviel Fischlein in dem See, soviel Tröpflein in dem Regen, soviel Glück und soviel Segen soll euch Gott der Höchste geben in diesem neuen Jahr,
guta Morga.“
„Ich ben en kleiner König, gib mr net so wenig, laß mich net so lange stehn ich muß a Häusle weiter gehn‚
guta Morga.“
„Ich wünsch euch a glückliches neues Jahr, viel besser wie des vergangene war, drzu noch a langes Leba, on dodruf solls Feuer geba.“
(Anschießen)
Während des Gottesdienstes musste das Neujahrwünschen unterbleiben und meistens war es dann auch beendet. Die Kinder unserer moslemischen Mitbewohner nahmen an diesem Neujahrwünschen nicht teil, jedoch die Rumänen. Sie kamen auch zu uns Deutschen ins Haus und klopften mit der Sorcova, einem Papierblumengebinde, in schnellem Rhythmus auf den Arm oder Leib desjenigen, der sie empfing und sagten folgendes Verslein:
„Sorcova, vesela, Sa traii, sa-mbatrânii: Ca un mar, ca un par, Ca un fir de trandafir. Tare ca piatra, Iute ca sageata. La anul si la multi ani!“
Vater sammelte schon lange vor dem Fest Kleingeld für die vielen Gratulanten. Manchmal kamen auch befreundete erwachsene Rumänen zu uns ins Haus und streuten glückwünschend Weizen auf den Fußboden, den sie aus ihrer Hosentasche holten. Mit diesen trank Vater dann einen Pflaumenschnaps und man versicherte sich gegenseitig der weiteren Freundschaft. Im Neujahrsgottesdienst sang noch einmal der Kirchenchor und danach konnte er bis Ostern pausieren. Beim Verlassen des Gotteshauses sah man sich da und dort die Hand reichen und ein gutes, neues Jahr wünschen.
Der 6. Januar, das Erscheinungsfest, hatte bei uns nur eine untergeordnete Bedeutung, ganz im Gegensatz zu unserem rumänischen Staatsvolk, für das erst jetzt richtig Weihnachten war. Am Vorabend von Heiligdreikönig, oft schon am Nachmittag, gingen die Sternsinger wiederum in kleinen Gruppen durchs Dorf. Oft war es so, dass sie sich die Türklinke in die Hand gaben oder manchmal sogar warten mussten, bis sie nachrücken konnten. Das Lied, das sie zum Teil sangen, aber auch in einzelnen Passagen im Sprechchor vortrugen, lautete:
Die heiligen drei Könige mit ihrem Stern, sie kommen und suchen den lieben Herrn, sie kommen vor Herodes sein Haus. Herodes, der schaute zum Fenster heraus: „Was ist das für ein schwarzer Mann, der ist so schwarz und unbekannt, ist das nicht der König von Mohrenland? Bist du der König von Mohrenland, so reich mir her deine rechte Hand!“ „Meine rechte Hand, die reich ich dir nicht. Du bist ja Herodes, drum trau ich dir nicht.“ „Ich bin Herodes, das weiß ich wohl, drum trag ich das Zepter und die Kron. Drum trag ich das Zepter und das Schwert, möcht wissen, wer es mir wehren wird.“ Der Diener geht von Haus zu Haus und schaut nach dem kleinen Kinde aus. „Der Engel hat mir im Traum gesagt: Oh, Herodes, bei Tag und bei Nacht nach dern Kinde sein Leben tracht.“ Herodes, der Bluthund, wollte alle Kindlein töten, da sie noch nicht konnten reden. „Pfui, die Schand der Kinderlein, das leid ich nicht, das mag ich nicht, und wenn es kost’ das Leben.“
Nach dem Empfang der Gaben sangen die Sternsinger am Schluss:
„Habt ihr uns eine Verehrung gegeben, so sollt ihr das Jahr mit Freuden erleben, ihr und eure Kinder, ihr und eure Gesinder. Der Stern, der Stern soll rumwärts gehn, wir müssen heute abend noch weiter gehn.“
Wenn es bei der letzten Verszeile hieß: „Der Stern, der Stern soll rumwärts gehn...“ wurde der an einem Stab befestigte Stern vom Sternträger mit der Handkante bewegt. Je schneller er sich drehte, desto gelungener war die Vorführung. Dieser Stern, in der Größe eines Suppentellers, wurde von den Sängern aus buntem Glanz- und Goldpapier, sowie Kleister aus Mehl und Wasser selbst gebastelt und stellte oft ein kleines Kunstwerk dar. Auch für die Sternsinger musste genügend Kleingeld im Hause sein und auch sie führten einen Sack mit für die Leckereien.
Wenn Heiligdreikönig vorüber war, wurde der Christbaum in der Kirche und zu Hause abgeschmückt und er durfte im Schnee des Gartens noch ein kurzes Dasein fristen. Ein paar Tage später fing auch die Schule an und der Alltag im gewohnten Jahreslauf nahm wieder seinen Fortgang. Trotzdem blieb noch für einige Zeit ein Abglanz von Weihnachten zurück. Schnee, Eis und Kälte hielten die Menschen in den warmen Stuben ihrer Häuser‚ sodass man nur zur Abfütterung der Haustiere nach draußen musste. Manchmal spannte man auch an sonnigen Wintertagen die Pferde vor den Schlitten, damit sie ein wenig Bewegung bekamen und ließ sich durch die stille, weiße Winterlandschaft fahren. Aber im großen und ganzen genoß man die Ruhe und häusliche Gemütlichkeit. Im Rauchfang hing die gute Brat-, Leber- und Blutwurst sowie der beliebte Pressmagen und im Keller lagerte der neue Wein. An den langen Abenden ging man auch einmal zu einem Schwätzchen in die Nachbarschaft oder bekam selber Besuch, wobei die Frauen meistens Wolle zupften oder spannen. Aber bald besann man sich wieder auf die Arbeit im Hof, auf dem Speicher und an den vielen Geräten, von denen manche schon im März oder auch früher zum Einsatz kamen, wie sie selbst. Denn, so war ihr Leben.