Diesel­transport mit Hinder­nissen im Wasser­tal


von Frank Drechsel

Dieselwagen
Nach meinem ersten Besuch in Rumänien im Jahr 2007, und da ganz speziell bei der Wasser­talbahn, war bei mir der der Wunsch entfacht noch viel, viel mehr von rumä­nischen Land­schaften und natür­lich auch Eisen­bahn­strecken zu erkunden.
Eigentlich war mein nächster Urlaub schon für den Sommer 2008 geplant, aber die schweren Unwetter im Juli des­selben Jahres, viele werden sich noch daran er­innern, machten mir einen Strich durch die Rechnung. In den ukra­inischen Karpaten und in Nord­rumänien regnete es tage­lang, was zu schwersten Über­schwem­mungen in den Fluss­tälern führte. In den Bergen wurde der Touristen­zug vom Hoch­wasser über­rascht und die Menschen mussten mit Hub­schraubern eva­kuiert werden. Viele Häuser in den Ort­schaften wurden wegge­schwemmt und auch Menschen­leben waren zu be­klagen. Es dauerte viele Monate, um die gröbsten Schäden zu besei­tigen. Glück­licherweise konnte auch der wegge­spülte Bahn­damm im Wasser­tal wieder­hergestellt werden, sodass der Holz­transport mit der Wald­bahn wieder aufge­nommen werden konnte. Auch der immer noch in den Bergen zurück­gelassene Tou­risten­zug konnte endlich nach Viseu de Sus über­führt werden.
Flutkatastrophe
Im Mai 2010 war es dann endlich soweit. Mein zweiter Trip in die Maramures und ins Moldau­gebiet konnte statt­finden (siehe Advents­kalender 2012). Bei der 4-tägigen Foto­exkursion im Jahr 2007 kamen 3 ver­schiedene Dampf­loktypen zum Einsatz, unter anderem auch die aus Moldovița stammende 763.193 von der Lok­fabrik Krauss, die seit einigen Jahren als Denkmal auf dem Park­platz in Viseu de Sus steht. Mit der Krauss sind wir damals auch noch ins Novat­tal gefahren. Diese Strecke wurde nach dem Hoch­wasser 2008 nicht wieder in Betrieb ge­nommen und danach leider ab­gebaut.
Bahnschienen
Doch nun zum eigent­lichen Kalender­beitrag. Im Vorfeld der Reise hatte ich mir ja schon Ge­danken gemacht und ich wollte gern mit einer ARO-Drai­sine bzw. mit einer Bucegi-LKW-Drai­sine oder mit dem soge­nannten Auto­motor mitfahren. An der Haus­wand neben dem Brenn­holz­schuppen für die Dampf­loks ist eine alte Tafel angebracht. Auf ihr werden jeden Nach­mittag die Dienst­pläne für den kommenden Tag, die Abfahrts­zeiten und die Lokein­teilung ange­schrieben. Daher weiß jeder Bescheid, natürlich auch andere Mit­reisende, welche mit in die Berge fahren wollen.
Mann am PC
Jeden Tag studierte ich die Schul­tafel, aber keines meiner Wunsch­fahrzeuge war mit ange­schrieben. Aber dann war für den letzten Tag im Wasser­tal der Auto­motor mit aufge­führt. Da es seit Tagen stark regnete wurde am selben Abend noch ein Spazier­gang in Richtung Zipser Viertel unter­nommen. Der Fluss hatte schon eine bedenk­liche Höhe erreicht, fast schon bis an die Unter­seite der Brücke. Am nächsten Morgen stand ich weit vor der Abfahrt des Zuges am Lok­schuppen in Viseu.
Brücke
Lokomotive
Das Wetter hatte sich zum Glück über Nacht beruhigt. Es war aber trotz­ dem noch ziemlich kühl und dicke Wolken hingen immer noch im Wasser­tal. Der Pro­duktions­zug war mit der Diesel­lok schon abge­fahren und zu meiner großen Freude stand der Auto­motor mit einem kleinen Kessel­wagen schon bereit.
Waggon
Waggon Zugbremse
Nun erkannte ich auch den Sinn dieser Fahrt. Der Kessel­wagen war mit Diesel befüllt, bestimmt für alle Arbeits­geräte, welche sich in den Bergen be­fanden. Was ist eigentlich ein Auto­motor? Der deutsche Eisen­bahner würde Trieb­wagen dazu sagen. Die rumä­nische Forst­verwaltung rüstete in den 1960er Jahren mehrere Personen­wagen mit Motoren aus, wovon die Wasser­talbahn im Laufe der Zeit zwei erhielt. Viel Leistung haben diese Trieb­wagen nicht, aber für solche Über­führungsf­ahrten sind sie geeignet. Nachdem die Fahr­karte gekauft und im Ofen auch gleich Feuer entfacht wurde, konnte die Fahrt los gehen. Aber bereits nach 2 km endete diese in Fabrica trei.
Stopschild
Waggon Waggon Fluss
Noch ein kurzer Blick zum Fluss, der Wasser­stand war sehr bedenklich. Auch beim Personal kam eine gewisse Unruhe auf und der Zug­führer gab zu ver­stehen dass wir nach Viseu zurück­fahren würden. Hier wurde gerade ein Rücke­traktor auf einen Flach­wagen verladen.
Traktor
Traktor auf einem Waggon
Ein wenig später rollte auch der Pro­duktions­zug in Viseu wieder ein. Der Flach­wagen wurde vor die Lok rangiert und der ganze Zug fuhr wieder in Richtung Berge. Danach rollten auch wir wieder los, aber nur bis zum kleinen Lebens­mittel­laden in Valea Scardei, an dem üblicher­weise jeder Pro­duktions­zug hält. Hier versorgt sich das Personal mit Nahrungs­mitteln, bevor die Fahrt weiter in die Berge geht. Auch unsere Wald­bahner kauften noch ein und im An­schluss wurde gleich noch im Ofen gegrillt und gefrüh­stückt.
Waggon Waggon Waggon
Nach einer gefühlten Stunde rollten wir endlich weiter. Allzu weit kamen wir aber nicht, am Orts­ausgang von Valea Scardei ver­sperrte eine Mure unseren Weg. Über viele Meter war der völlig aufge­weichte Hang über den Bahn­damm ge­rutscht.
blockierte Schiene
Zug neben Fluss Zug Zug Zug
Alle Züge, welche an diesem Morgen in Viseu losge­fahren waren, stauten sich hier auf. Ganz vorn stand der Pro­duktions­zug, danach der Auto­motor und dahinter hatten sich nun mehrere Drai­sinen mit in die Warte­schlange einge­reiht. Der vor geraumer Zeit mit dem Pro­duktions­zug heran­geschaffte Rücke­traktor schob ununter­brochen die Massen von Geröll, Erde und Bäume ins Fluss­bett. Kaum hatte er die Stelle passiert rutschte alles nach.
Traktor
Schlamm auf Schienen Schlamm auf Schienen Schlamm auf Schienen
Auch die Wald­bahner gaben mit Hacke und Schaufel ihr Bestes, aber es war völlig zweck­los. Nach ca. einer Stunde lagen zig Kubik­meter Geröll im Fluss­bett und der Hang hatte sich stabi­lisiert.
Werkzeuge
Schlamm
Der Rücke­traktor hatte die Schienen­oberkante er­reicht, mit Hacke und per Hand wurden schnell ein paar Spur­rillen ge­schaffen und sehr vor­sichtig passierte der Produk­tions­zug die Unglücks­stelle.
Zug fährt durch Schlamm Zug
Alle anderen Züge fuhren gleich hinter­her und ich musste schnell auf den Trieb­wagen auf­springen. Kaum hatten alle Fahr­zeuge die Unglücks­stelle durch­fahren, rutschte der Hang wieder ab. Der Rücke­traktor hatte also noch reichlich zu tun, aber wir konnten unbe­schadet weiter­fahren.
Fluss
Es sei jetzt schon gesagt, es war die einzige Störung des Betriebs­ablaufes und unsere eigent­liche Mission konnte ab hier beginnen. In Novat fuhr der Produk­tionszug auf das Nachbar­gleis, der leere Flach­wagen wurde hinter die Lok rangiert und alle hinterher­fahrenden Fahrzeuge über­holten hier. Der erste Tank­stopp war in Bardau.
Tankstop
Triebwagen Triebwagen
Aus einem Schuppen wurden die leeren Fässer zur Kessel­wagen­lore gerollt und mit Diesel befüllt. Davor mussten aber erstmal Bretter auf die völlig ver­schlammten Wege gelegt werden, damit man über­haupt was bewegen konnte.
Bretter im Schlamm
Betankung
In weiteren Bahn­stationen bzw. Holz­lade­stellen, über­haupt überall, wo Straßen­fahrzeuge statio­niert waren, wurde Diesel abge­füllt.
Triebwagen Triebwagen wird betankt Männer rollen Fass
Triebwagen Triebwagen
Nach weiteren Kilo­metern er­reichten wir Faina und auch hier fand die­selbe Proze­dur statt.
Dieselfass
Triebwagen wird betankt Triebwagen
Hier im Bahnhofs­gebäude zeigte mir der Zug­führer stolz seine neu er­richtete Wohnung. Sein ehe­maliges Haus in Valea Scardei hatte das Hoch­wasser 2008 mitge­rissen. Weitere Halte folgten noch bis zu unserem End­punkt Valea Babei.
neues Haus
Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen
Nach 38 km war hier unser End­punkt erreicht. Mittler­weile hatte uns auch der Produk­tionszug wieder er­reicht. Aus ihm wurden einige Wagen aus­rangiert und dann fuhr er weiter in die Berge.
Ziel
Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen
Jetzt waren im Wasser­tal wieder alle Fässer mit Diesel befüllt und der Trieb­wagen fuhr ein paar Kilo­meter weiter zum zweiten Früh­stück, wo sich auch kurz­zeitig die Sonne blicken ließ.
Frühstück
Triebwagen Triebwagen Triebwagen
Frisch gestärkt konnte jetzt die Rück­fahrt ange­treten werden. In Valea Barbei wurden dann noch zwei Wagen ange­hangen. Der Platten­wagen wurde gleich noch mit einem Rücke­traktor be­laden und der Personen­wagen war hier noch vom Vortag stehen ge­blieben. Übrigens ist es der­selbe Wagen­typ, aus welchem der Auto­motor gebaut wurden ist.
Triebwagen Traktor wird auf Triebwagen beladen
Auch eine der Bucegi-LKW-Drai­sinen über­holte uns und fuhr in Richtung Viseu de Sus zurück.
Traktoren
Nebenbei lief auch der normale Holz­transport weiter.
Traktor Traktor
Während der Rück­fahrt wurde an jedem Bahn­hof ge­halten, über­all stiegen Wald­arbeiter zu. Für mich immer eine Gelegen­heit das Ge­schehen am Rande zu be­obachten.
Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen Triebwagen
In Bardau wurde der Personen­wagen abge­hangen, die Rampen an den Platten­wagen gelegt und der Rücke­traktor herunter­gefahren. Alles geht Ruck-Zuck. Rampen auf­laden, Personen­wagen wieder an­hängen und auch ein paar Dreh­schemel­loren mit an den Zug kuppeln, eben Wald­bahn­routine.
Triebwagen Traktor wird auf Triebwagen beladen
Ab hier fuhren wir bis Viseu durch. Mittler­weile war es Abend ge­worden. Das Licht reichte schon lange nicht mehr für meine Prak­tica. In tiefster Nacht kamen wir nach Valea Scardei. Schon von weitem sahen wir die hell erleuch­tete Gleis­bau­stelle. Da der aufge­weichte Hang immer wieder nach­rutschte musste der Rücke­traktor immer wieder Fels­brocken und Bäume in den Fluss schieben. Ein neues Fluss­ufer war in­zwischen hier ent­standen. Nach der Ankunft in Viseu ging ein chao­tischer und ereignis­reicher Tag zu Ende. Was für mich ein Eisen­bahn­abenteuer war, ist für die Wald­bahner all­täg­liche Routine. Mehr­mals im Jahr haben sie mit sol­chen Widrig­keiten zu kämpfen. Übrigens fuhr der Auto­motor wie alle Diesel­züge auf der Rück­fahrt nur von der Schwer­kraft ge­trieben mit ausge­schaltetem Motor tal­wärts. Gebremst wurde dabei von den Wagen aus.
Waggon
Dieser Trip ist nun schon über 12 Jahre her. Viele weitere Reisen nach Rumänien und auch ins Wasser­tal folgten. Vieles hat sich im Laufe dieser Zeit hier ge­ändert. Ohne Bezie­hungen kann man kaum noch die Wald­bahnzüge nutzen. Menschen­massen werden mit den Touristen­zügen in die Berge gefahren und der Trieb­wagen wird heute kaum noch ge­nutzt. Der zweite Auto­motor und auch die beiden LKW-Drai­sinen wurden aber zum Glück nicht ver­schrottet und stehen seit vielen Jahren mit auf dem Parkplatz der Wasser­talbahn.
Parkplatzschild
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