Im Jahr 1975 gelangte ich mit zwei Freunden aus der DDR über Tschechoslowakei und Ungarn nach Rumänien. Wir verbrachten ca. zehn Tage im Land und ich konnte feststellen, dass es eine reiche Bauernkultur dort gibt, die noch vor meinen bäuerlichen Erlebnissen in Tirol und Südtirol angesiedelt war.
So bemühte ich mich seit 1977 um ein Graduiertenstipendium des DAAD, was 1979 bewilligt wurde. Vier Bergregionen wurden zur Dokumentation bäuerlichen Lebens und energiesparender Technik ausgewählt und – unter gewissen Schwierigkeiten – festgehalten.
Nach über einmonatiger Warterei im Bukarest der Ceausescu-Zeit durfte ich aus dieser dumpfen Stadt fliehen, nahm Kurs über Schäßburg nach Norden: in die Maramuresch.
Von hier aus am folgenden Tag nach Sighet zum Museum, um dort meine Unterbringung vor Ort zu klären. Auf dem Rückweg stehen die auf eine Mitnahme Wartenden in Gruppen nach jeweiligen Dörfern am Ortsausgang und winken mit der Hand.
Diesmal ist es ein wie ein verkleideter Eisbär aussehender alter Bauer, der zu mir ins Auto steigt. Weiße, handgewebte und verdichtete Winterwollkleidung, „Opinci“ an den Füßen. Mit Händen und Füßen verständigten wir uns und – er verstand mich.
Er führte mich nicht nach Ocna Sugatag sondern über Calinesti nach Sirbi zur Familie Opris. Ein Haus im „neuen Stil“ mit auf die Außenwände applizierten Kacheln stand direkt neben der Straße. Leicht zurückgesetzt standen bäuerliche Anlagen wie aus dem Bilderbuch: Walkmühle, Schnapsbrennkessel, Wirbelkorb – sogar eine durch Traktor angetriebene Dreschmaschine!
Kurzes Gespräch mit dem Bauern, wobei mich mein alter Bauer einführt, dann weiter flußabwärts zur Familie Patran, die einen freistehenden Schnapsbrennkessel hatte. Wieder eine Vorstellung durch meinen Mitreisenden, der alle Bedenken ausräumte und ich durfte die mich begeisternde Anlage in Augenschein nehmen.
Natürlich mußten wir gleich ein Gläschen Horinca gustieren und nach der Versicherung bald wiederzukommen, brachte ich meinen Bauer noch gut weitere 8 Kilometer auf die Höhen über Calinesti – hinter den letzten Strommast und fuhr in meine provisorische Herberge in Ocna Sugatag zurück.
Schon am übernächsten Tag schaute ich bei der Familie Patran in Sirbi vorbei und wurde wie ein Gast empfangen. Mein Radebrechen auf Rumänisch half mir wenig. Viele der hier gebrauchten Worte konnte ich in meinem extra erstandenen rumänisch-deutschen Wörterbuch nicht auffinden. Wo war ich hier hingelangt – Rumänien, wo man nicht Rumänisch sprach?
Gheorghe Patran hatte was von einem Lehrer, ja, die Familie seines Sohnes und seiner Schwiegertochter besteht aus einem Lehrerehepaar. Geduldig erklärte er mir dies und das, schenkte immer wieder meinen Becher mit Schnaps nach, bis die Sprache kein Hindernis mehr bildet, sondern alles in Einigkeit sich auflöste.
Aus seiner Opposition zum Regime machte Gheorghe Patran keinen Hehl und so wurde er für mich der Bezugspunkt in der Maramuresch, die sich tief in mein Herz eingrub, ja – ich erhielt dort sogar die Mutter meiner Tochter.