Ich war in diesem Jahr das erste Mal von Rumänien! Das mag nun für den ein oder anderen hier unglaublich sein, dass ich mit meinen 36 Lenzen so lange benötigt habe, in dieses Land zu kommen. Ich kann es mir selbst nicht erklären. Aber nun konnte ich Anfang dieses Jahres diese ′Schmach′ endlich ausräumen und es ging mit dem Flieger für einen Kurztrip nach Rumänien zu ein paar Zielen, die schon länger auf meiner ′Bucket List′ standen.
Hauptgrund der Reise war für mich als eisenbahn- und reisebegeisterter Fotograf eine kleine Fotoreise Anfang Februar über die Wassertalbahn in Vișeu de Sus und die Bahn Moldovița. Hier wurden einige Sonderfahrten von FarRail Bernd Seiler organisiert und ich hatte die Hoffnung, auch etwas ′drumherum′ in der Region sehen und vor allem auch fotografieren zu können. Die beiden Bahnen standen schon eine halbe Ewigkeit auf meinem Reisewunschzettel, kannte ich doch viele tolle Reisegeschichten, die mir Freunde von hier erzählt hatten. An so manchem Abend, in kleinen Dia-Kellern, durfte ich mir Dias von den Reisen Anderer anschauen und habe mich immer total über die Geschichten zu den Bildern gefreut. Was alles so auf den Reisen passiert ist, was erlebt wurde und was auch nicht geklappt hat. Natürlich habe ich hier auch im Adventskalender immer sehr gerne hinter die Türchen geschaut.
So überkam mich aber auch eine Angst, dass ich einfach zu spät für eine Reise hierhin bin. Klar war ich für die richtig aktive ′Dampfzeit′, also die Zeit, wo noch alles mit Dampflok betrieben wurde, definitiv zu spät. Dieselloks fanden den Weg zu den Bahnen und die Dampfloks wurden nur noch für Sonderfahrten und Touristen vorgehalten. War das noch wirklich interessant oder nur noch ein ′rumänisches Disneyland′? Und sieht das womöglich überall so aus? Kann ich überhaupt noch ′richtiges Rumänien′ erleben und fotografieren?
Fragen über Fragen, und da hilft nur eins: Es einfach mal machen und selbst erleben. Also ab in den Flieger nach Cluj-Napoca, was von Dortmund aus schnell und einfach erreicht ist. Dort schnell die Sachen ins Hotel verstaut und ab mit der Kamera in die Innenstadt. Schon aus dem Taxi vom Flughafen war mir die Stadt direkt sympathisch.
Beeindruckt war ich, wie sauber und ordentlich die Stadt war. Man hatte sich definitiv schon herausgeputzt. Also doch schon zu spät? Mit dem Einbruch der blauen Stunde ging es durch die Altstadt. Auch hier ist alles picobello und sehr schön. Die Geschäfte werfen einen Lichtschein auf das Kopfsteinpflaster und lassen alles gemütlich wirken. Mit der Dunkelheit werden dann auch die Lichtinstallationen eingeschaltet: Tausende Lampen tauchen die Straße in warmes Licht. Sehr schön und vermutlich auch sehr ′Instagramable′ und bestimmt kein echtes Rumänien – aber schön. Ein gemütliches Lokal ist schnell gefunden und bei sehr gutem und deftigem Essen und natürlich ein paar Țuică (vielleicht auch einigen zu viel) können die ersten Eindrücke in Rumänien verarbeitet werden.
Der nächste Tag bietet nochmal die Chance, bei Tageslicht durch die Stadt zu gehen. Aber der Transfer nach Vișeu de Sus steht schon bald an.
Als bestellter Sonderzug ist natürlich für einiges an Dampf, originalen Waggons und Güterwagen gesorgt. Es geht mehrfach die Strecke rauf mit verschiedensten geplanten Aktionen und natürlich vielen Fotohalten. Auch Schnee lag genug entlang der Strecke und Eiseskälte sorgte für wunderbare Dampfentwicklung. Für die Eisenbahn-Enthusiasten ist voll gesorgt. Ich will mich hier nicht in Eisenbahn-Details verlieren: Für den Außenstehenden wird es schon sehr lustig aussehen, wenn die Fotofreunde die meiste Zeit neben dem Zug herlaufen, auf der Suche nach der idealen Fotostelle, um dann den Zug mehrfach an sich vorbeifahren zu lassen. Aber hat nicht jeder ein verrücktes Hobby?
Entsprach es denn meinen Erwartungen? Aber sowas von! Es gab so viel zu erleben, und die Speicherchips meiner Kamera hatten sehr viel wegzuspeichern. Das Personal rund um die Lokomotiven, die Bremser und Rangierer und alle, die sich um das leibliche Wohl und warme Waggons gekümmert haben, waren voll darum bemüht, es zu einer sehr angenehmen und wunderbaren Reise zu machen.
Aber es gab auch soviel zu erleben. Organisierte Sachen wie der Einsatz des Schneepfluges, Transport von Baumstämmen ins Tal, Rangieren und vieles mehr wurden geboten. Aber auch einiges, was nicht geplant war: die üblichen Überholungen und Zugkreuzungen, die ein oder andere Entgleisung, so manches Geschraube am Material und leider auch einen größeren Lokschaden (über den ich an anderer Stelle berichte). Alles bot viele Möglichkeiten, was zu erleben und Situationen zu fotografieren. Ich war einfach nur begeistert und froh, endlich mal hier zu sein.
Neben Vişeu wurde auch Moldovița besucht. Schneefall zum Abend begann und machte die Fahrt im Kleinbus über den Pass auch zu einem Erlebnis. Im engen Zeitplan musste natürlich auch so mancher Winterdienst überholt werden. Da half nur entsprechend Țuică auf der Rückbank und vorsichtshalber genug Frostschutz aufzunehmen.
Am nächsten Morgen präsentieren sich Moldovița als ′Winterwunderland′. In der Nacht hatte Frau Holle alles kräftig eingeschneit und es hätte schöner nicht sein können.
Bei der Waldbahn wurde natürlich auch kräftig Dampf geboten, auch wenn hier der letzte ′echte′ Zug schon lange abgefahren ist. Die kleine Reşiţa Lok musste sich gut durch den Schnee schieben, und hier war der ′Vor-Zug′ mit Schneepflug nicht nur Show für die Fotografen, sondern absolut notwendig für das Vorankommen. Fotomotive boten sich bei so einem Wetter natürlich in Hülle und Fülle.
Die Bahn schlängelt sich durch Moldovița und weitere Dörfer, die ich wirklich toll fand. Überall säumten die schönen Holzhäuser mit ihren Stallungen und Ziehbrunnen, die mit Lattenzäunen eingefassten Grundstücke, auf denen die Hühner laufen oder die Hunde bellen, die Strecke. Das ein oder andere Pferdefuhrwerk oder sogar Schlitten gab es zu sehen. Genauso habe ich mir Rumänien vorgestellt und mir die Reise gewünscht.
Klar war auch hier das Jahr 2023 angekommen. Das verrieten die Satelliten-Schüsseln an den teilweise frisch renovierten Dächern. Auch die Straße war natürlich keine Schotterpiste, sondern schon fast eine kleine geteerte Rennstrecke für Autos. Aber der Schnee konnte das Meiste sehr gut verstecken.
Mit meiner Kamera kam ich voll auf die Kosten. So lohnte es sich hier, immer neben oder hinter den Zug zu schauen und die Einwohner beim Schnee schippen oder ihren täglichen Arbeiten zu beobachten und natürlich die vielen Details, die bei uns schon lange vollkommen unüblich sind, wahrzunehmen. Wie schon in den Tagen zuvor war ich begeistert von der Freundlichkeit der Menschen. Gerne erinnere ich mich noch an die Frau, die uns mit Äpfeln beschenkte, als wir uns gerade auf den Rückweg von ihrer Wiese machten. Woanders hätte man der Horde Fotografen sonst was erzählt oder gedroht, wenn sie das private Gelände betreten hätten, um irgendwas zu fotografieren. Hier wird man mir offenen Armen empfangen. Rückblickend bin ich etwas beschämt, dass ich außer ein gestammeltes ′mulțumesc′ nichts zurückgeben konnte.
Auch hier war die Fahrt im Zug wieder ein wahres Vergnügen. Das Personal war super bemüht, alle fotografischen Wünsche zu erfüllen und auch zum x-ten Mal anders an der Fotostelle vorbeizufahren. Kulinarisch war die Tour auch bestens versorgt. Kurzfristig wurden mit dem Lok-Wasserhalt die Essenpause auf die Strecke verlegt und der kleine Waggon zum Speisewagen.
Was kann ich nun als Fazit zu meinem ersten Besuch in Rumänien sagen? War es das, was ich erwartet hatte? Habe ich das Rumänien gesehen, was ich sehen wollte?
Es war großartig! Es war eine tolle Reise, die viel zu kurz war, und ich werde auf jeden Fall wiederkommen. Ich habe so viel erlebt in den wenigen Tagen und konnte mit so vielen Erlebnissen wieder nach Hause kommen, und viele dieser Eindrücke konnte ich auch auf meiner Kamera speichern. Jetzt, beim Schreiben dieser Zeilen und beim erneuten Durchschauen der Bilder kann ich nur sagen, dass meine Erwartungen viel mehr als erfüllt wurden. Natürlich habe ich ein Rumänien im Jahr 2023 erlebt und nicht in den 1980ern, aber da bin ich eigentlich auch froh darüber. Dank der Initiativen einiger Personen kann man zum Glück auch heute z. B. noch die Waldbahnen erleben und zumindest der Eindruck ist genauso wie früher.
Es haben sich nun viele neue Punkte auf meiner ′Bucket List′ angesammelt. So viele Orte, die ich demnächst mal besuchen möchte und so viele Fahrten, die noch zu machen sind. So würde ich gerne das nächste Mal mit dem Zug nach Rumänien fahren. Oder vielleicht gibt es auch die Möglichkeit für einen ′Kurztrip′ nur zu einem Ziel. Mal schauen, was sich in den kommenden Jahren ergibt. Und vielleicht ist das dann auch wieder einen Bericht für den Rumänienadventskalender wert.