Mein erstes Mal Rumänien


von Michael Koopmann
(www.auf-kurztrip.de)

Mann mit Rucksack
Ich war in die­sem Jahr das ers­te Mal von Ru­mä­ni­en! Das mag nun für den ein oder an­de­ren hier un­glaub­lich sein, dass ich mit mei­nen 36 Len­zen so lan­ge be­nö­tigt ha­be, in die­ses Land zu kom­men. Ich kann es mir selbst nicht er­klä­ren. Aber nun konn­te ich An­fang die­ses Jah­res die­se ′Schmach′ end­lich aus­räu­men und es ging mit dem Flie­ger für ei­nen Kurz­trip nach Ru­mä­ni­en zu ein paar Zie­len, die schon län­ger auf mei­ner ′Bucket List′ standen.
Flugzeug
Haupt­grund der Rei­se war für mich als ei­sen­bahn- und rei­se­be­geis­ter­ter Fo­to­graf ei­ne klei­ne Fo­to­rei­se An­fang Fe­bru­ar über die Was­ser­tal­bahn in Vi­șeu de Sus und die Bahn Mol­do­vi­ța. Hier wur­den ei­ni­ge Son­der­fahr­ten von FarRail Bernd Sei­ler or­ga­ni­siert und ich hat­te die Hoff­nung, auch et­was ′drumherum′ in der Re­gion se­hen und vor al­lem auch fo­to­gra­fie­ren zu kön­nen. Die bei­den Bah­nen stan­den schon ei­ne hal­be Ewig­keit auf mei­nem Rei­se­wunsch­zet­tel, kann­te ich doch vie­le tol­le Rei­se­ge­schich­ten, die mir Freun­de von hier er­zählt hat­ten. An so man­chem Abend, in klei­nen Dia-Kel­lern, durf­te ich mir Dias von den Rei­sen An­de­rer an­schau­en und ha­be mich im­mer to­tal über die Ge­schich­ten zu den Bil­dern ge­freut. Was al­les so auf den Rei­sen pas­siert ist, was er­lebt wur­de und was auch nicht ge­klappt hat. Na­tür­lich ha­be ich hier auch im Ad­vents­ka­len­der im­mer sehr ger­ne hin­ter die Tür­chen ge­schaut.
Mann am PC sitzend
So überkam mich aber auch ei­ne Angst, dass ich ein­fach zu spät für ei­ne Rei­se hier­hin bin. Klar war ich für die rich­tig ak­ti­ve ′Dampfzeit′, al­so die Zeit, wo noch al­les mit Dampf­lok be­trie­ben wur­de, de­fi­ni­tiv zu spät. Die­sel­loks fan­den den Weg zu den Bah­nen und die Dampf­loks wur­den nur noch für Son­der­fahr­ten und Tou­ris­ten vor­ge­hal­ten. War das noch wirk­lich in­te­res­sant oder nur noch ein ′ru­mä­ni­sches Dis­ney­land′? Und sieht das wo­mög­lich über­all so aus? Kann ich über­haupt noch ′rich­ti­ges Ru­mä­ni­en′ er­le­ben und fo­to­gra­fieren?
Micky Maus
Fragen über Fra­gen, und da hilft nur eins: Es ein­fach mal ma­chen und selbst er­le­ben. Al­so ab in den Flie­ger nach Cluj-Na­po­ca, was von Dort­mund aus schnell und ein­fach er­reicht ist. Dort schnell die Sa­chen ins Ho­tel ver­staut und ab mit der Ka­me­ra in die In­nen­stadt. Schon aus dem Ta­xi vom Flug­ha­fen war mir die Stadt di­rekt sym­pa­thisch.
verschneite Altstadtdächer
Blick aus dem Ho­tel­zim­mer auf das leicht ver­schneite Cluj
Stadt am Fluss
Fußgängerzone
Blaue Stunde in der heraus­ge­putzten Alt­stadt von Cluj
Fußgängerzone
Beeindruckt war ich, wie sau­ber und or­dent­lich die Stadt war. Man hat­te sich de­fi­ni­tiv schon he­raus­ge­putzt. Al­so doch schon zu spät? Mit dem Ein­bruch der blau­en Stun­de ging es durch die Alt­stadt. Auch hier ist al­les pi­co­bel­lo und sehr schön. Die Ge­schäf­te wer­fen ei­nen Licht­schein auf das Kopf­stein­pflas­ter und las­sen al­les ge­müt­lich wir­ken. Mit der Dun­kel­heit wer­den dann auch die Licht­in­stal­la­tio­nen ein­ge­schal­tet: Tau­sen­de Lam­pen tau­chen die Stra­ße in war­mes Licht. Sehr schön und ver­mut­lich auch sehr ′In­sta­gra­ma­ble′ und be­stimmt kein ech­tes Ru­mä­ni­en – aber schön. Ein ge­müt­li­ches Lo­kal ist schnell ge­fun­den und bei sehr gu­tem und def­ti­gem Es­sen und na­tür­lich ein paar Țui­că (viel­leicht auch ei­ni­gen zu viel) kön­nen die ers­ten Ein­drü­cke in Ru­mä­ni­en ver­ar­bei­tet wer­den.
Fußgängerzone
Nachts leuchtet die Alt­stadt in den schönsten Lichtern
Verkaufsstand
Kleiner Souvenirstand am Rande der Stadt
Der nächste Tag bietet noch­mal die Chan­ce, bei Ta­ges­licht durch die Stadt zu ge­hen. Aber der Trans­fer nach Vi­șeu de Sus steht schon bald an.
Eisenbahn
Die Diesellok des Planzuges hat natürlich Vorrang
Eisenbahn
Als bestellter Sonder­zug ist na­tür­lich für ei­ni­ges an Dampf, ori­gi­na­len Wag­gons und Gü­ter­wa­gen ge­sorgt. Es geht mehr­fach die Stre­cke rauf mit ver­schie­dens­ten ge­plan­ten Ak­tio­nen und na­tür­lich vie­len Fo­to­hal­ten. Auch Schnee lag ge­nug ent­lang der Stre­cke und Ei­ses­käl­te sorg­te für wun­der­ba­re Dampf­ent­wick­lung. Für die Ei­sen­bahn-En­thu­si­as­ten ist voll ge­sorgt. Ich will mich hier nicht in Ei­sen­bahn-De­tails ver­lie­ren: Für den Au­ßen­ste­hen­den wird es schon sehr lus­tig aus­se­hen, wenn die Fo­to­freun­de die meis­te Zeit ne­ben dem Zug her­lau­fen, auf der Su­che nach der idea­len Fo­to­stel­le, um dann den Zug mehr­fach an sich vor­bei­fah­ren zu las­sen. Aber hat nicht je­der ein ver­rück­tes Hobby?
Eisenbahn fähr in einem Tal
Hier fahren die Eisenbahn­freunde mal im Zug mit,  wenn auch nicht im ge­heizten Waggon.
Entsprach es denn meinen Er­war­tun­gen? Aber so­was von! Es gab so viel zu er­le­ben, und die Spei­cher­chips mei­ner Ka­me­ra hat­ten sehr viel weg­zu­spei­chern. Das Per­so­nal rund um die Lo­ko­mo­ti­ven, die Brem­ser und Ran­gierer und al­le, die sich um das leib­li­che Wohl und war­me Wag­gons ge­küm­mert ha­ben, wa­ren voll da­rum be­müht, es zu ei­ner sehr an­ge­neh­men und wun­der­ba­ren Rei­se zu machen.
Frau
Eisenbahn im Wassertal
Früher kam alles Material mit dem Dampf­zug ins Tal, heute fahren die schweren Schlepper einfach das Tal durch den Fluss hinauf.
Aber es gab auch so­viel zu er­le­ben. Or­ga­ni­sier­te Sa­chen wie der Ein­satz des Schnee­pflu­ges, Trans­port von Baum­stäm­men ins Tal, Ran­gie­ren und vie­les mehr wur­den ge­bo­ten. Aber auch ei­ni­ges, was nicht ge­plant war: die üb­li­chen Über­ho­lun­gen und Zug­kreu­zun­gen, die ein oder an­de­re Ent­glei­sung, so man­ches Ge­schrau­be am Ma­te­rial und lei­der auch ei­nen grö­ße­ren Lok­scha­den (über den ich an an­de­rer Stelle be­rich­te). Al­les bot vie­le Mög­lich­kei­ten, was zu er­le­ben und Si­tu­ati­onen zu fo­to­gra­fie­ren. Ich war ein­fach nur be­geis­tert und froh, end­lich mal hier zu sein.
entgleiste Eisenbahn
Arbeiten an der Lok
Havarie am ersten Tag. Das Fahrwerk muss auf freier Strecke de­montiert werden.
entgleise Eisenbahn
Eine der ′üblichen′ Ent­gleisungen.
Neben Vişeu wurde auch Mol­do­vi­ța be­sucht. Schnee­fall zum Abend be­gann und mach­te die Fahrt im Klein­bus über den Pass auch zu ei­nem Er­leb­nis. Im en­gen Zeit­plan muss­te na­tür­lich auch so man­cher Win­ter­dienst über­holt wer­den. Da half nur ent­spre­chend Țui­că auf der Rück­bank und vor­sichts­hal­ber ge­nug Frost­schutz auf­zu­nehmen.
Auto überholt Schneeflug
Am nächsten Morgen prä­sen­tie­ren sich Mol­do­vi­ța als ′Win­ter­wun­der­land′. In der Nacht hat­te Frau Hol­le al­les kräf­tig ein­ge­schneit und es hät­te schö­ner nicht sein können.
Eisenbahn fährt auf Dorfstraße
Mit Volldampf geht es von Moldovița aus durch die verschneite Landschaft.
Bei der Wald­bahn wur­de na­tür­lich auch kräf­tig Dampf ge­bo­ten, auch wenn hier der letz­te ′echte′ Zug schon lan­ge ab­ge­fah­ren ist. Die klei­ne Re­şi­ţa Lok muss­te sich gut durch den Schnee schie­ben, und hier war der ′Vor-Zug′ mit Schnee­pflug nicht nur Show für die Fo­to­gra­fen, son­dern ab­so­lut not­wen­dig für das Vo­ran­kom­men. Fo­to­mo­ti­ve bo­ten sich bei so ei­nem Wet­ter na­tür­lich in Hül­le und Fülle.
verschneiet Berglandschaft
Eisenbahnwaggons
Nicht nur tolles Wetter zum foto­gra­fieren sondern auch zum Rodeln
Die Bahn schlängelt sich durch Mol­do­vi­ța und wei­te­re Dör­fer, die ich wirk­lich toll fand. Über­all säum­ten die schö­nen Holz­häu­ser mit ih­ren Stal­lun­gen und Zieh­brun­nen, die mit Lat­ten­zäu­nen ein­ge­fass­ten Grund­stü­cke, auf de­nen die Hüh­ner lau­fen oder die Hun­de bel­len, die Stre­cke. Das ein oder an­de­re Pfer­de­fuhr­werk oder so­gar Schlit­ten gab es zu se­hen. Ge­nau­so ha­be ich mir Ru­mä­ni­en vor­ge­stellt und mir die Rei­se ge­wünscht.
Pferdefuhrwerk
Mann schippt Schnee
Blick in den Vorgärten. Der Schnee muss wieder weg, damit ein Weg für alle Bewohner besteht.
Klar war auch hier das Jahr 2023 an­ge­kom­men. Das ver­rie­ten die Sa­tel­li­ten-Schüs­seln an den teil­wei­se frisch re­no­vier­ten Dä­chern. Auch die Stra­ße war na­tür­lich kei­ne Schot­ter­pis­te, son­dern schon fast ei­ne klei­ne ge­teer­te Renn­stre­cke für Au­tos. Aber der Schnee konn­te das Meis­te sehr gut ver­stecken.
Satellitenschüssel
Eisenbahn in Winterlandschaft
′Winter Wunderland′ in Rumänien.
Mit meiner Kamera kam ich voll auf die Kos­ten. So lohn­te es sich hier, im­mer ne­ben oder hin­ter den Zug zu schau­en und die Ein­woh­ner beim Schnee schip­pen oder ih­ren täg­li­chen Ar­bei­ten zu be­ob­ach­ten und na­tür­lich die vie­len De­tails, die bei uns schon lan­ge voll­kom­men un­üb­lich sind, wahr­zu­neh­men. Wie schon in den Ta­gen zu­vor war ich be­geis­tert von der Freund­lich­keit der Men­schen. Ger­ne er­in­ne­re ich mich noch an die Frau, die uns mit Äp­feln be­schenk­te, als wir uns ge­ra­de auf den Rück­weg von ih­rer Wie­se mach­ten. Wo­an­ders hät­te man der Hor­de Fo­to­gra­fen sonst was er­zählt oder ge­droht, wenn sie das pri­va­te Ge­län­de be­tre­ten hät­ten, um ir­gend­was zu fo­to­gra­fie­ren. Hier wird man mir of­fenen Ar­men emp­fan­gen. Rück­bli­ckend bin ich et­was be­schämt, dass ich au­ßer ein ge­stam­mel­tes ′mul­țu­mesc′ nichts zu­rück­ge­ben konnte.
freudiges Gesicht mit Apfel
Hinterhof
Blick in den Hinterhof 
Frau reicht Mann einen Apfel
Ein Apfel für die Foto- und Film­freunde, die einem Zug hinter­laufen.
Auch hier war die Fahrt im Zug wie­der ein wah­res Ver­gnü­gen. Das Per­so­nal war su­per be­müht, al­le fo­to­gra­fi­schen Wün­sche zu er­fül­len und auch zum x-ten Mal an­ders an der Fo­to­stel­le vor­bei­zu­fah­ren. Ku­li­na­risch war die Tour auch bes­tens ver­sorgt. Kurz­fris­tig wur­den mit dem Lok-Was­ser­halt die Es­sen­pau­se auf die Stre­cke ver­legt und der klei­ne Wag­gon zum Spei­se­wagen.
Kochtopf
Eisenbahnwaggon
Der Waggon wird zum Speisewagen umfunktioniert.
Was kann ich nun als Fa­zit zu mei­nem ers­ten Be­such in Ru­mä­ni­en sa­gen? War es das, was ich er­war­tet hat­te? Ha­be ich das Ru­mä­ni­en ge­se­hen, was ich se­hen wollte?
Liste
Es war großartig! Es war ei­ne tol­le Rei­se, die viel zu kurz war, und ich wer­de auf je­den Fall wie­der­kom­men. Ich ha­be so viel er­lebt in den we­ni­gen Ta­gen und konn­te mit so vie­len Er­leb­nis­sen wie­der nach Hau­se kom­men, und vie­le die­ser Ein­drü­cke konn­te ich auch auf mei­ner Ka­me­ra spei­chern. Jetzt, beim Schrei­ben die­ser Zei­len und beim er­neu­ten Durch­schau­en der Bil­der kann ich nur sa­gen, dass mei­ne Er­war­tun­gen viel mehr als er­füllt wur­den. Na­tür­lich ha­be ich ein Ru­mä­ni­en im Jahr 2023 er­lebt und nicht in den 1980ern, aber da bin ich ei­gent­lich auch froh da­rü­ber. Dank der Ini­tia­ti­ven ei­ni­ger Per­so­nen kann man zum Glück auch heu­te z. B. noch die Wald­bah­nen er­le­ben und zu­min­dest der Ein­druck ist ge­nau­so wie früher.
Kleeblatt
Eisenbahn und Pferdefuhrwerk
Zwei Pferdefuhrwerke warten auf den Dampfzug.
Es haben sich nun vie­le neue Punk­te auf mei­ner ′Bu­cket List′ an­ge­sam­melt. So vie­le Or­te, die ich dem­nächst mal be­su­chen möch­te und so vie­le Fahr­ten, die noch zu ma­chen sind. So wür­de ich ger­ne das nächs­te Mal mit dem Zug nach Ru­mä­ni­en fah­ren. Oder viel­leicht gibt es auch die Mög­lich­keit für ei­nen ′Kurz­trip′ nur zu ei­nem Ziel. Mal schau­en, was sich in den kom­men­den Jah­ren er­gibt. Und viel­leicht ist das dann auch wie­der ei­nen Be­richt für den Ru­mä­ni­en­ad­vents­ka­len­der wert.
Plan
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