Ambulanța pentru Monumente


Ansichten von Ana Budurea aus Rumänien und Heinz Lahni aus Deutschland

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Menschen sitzen auf einem LKW vor einer Kirche
Die Liste der histo­ri­schen Bau­denk­mä­ler, die dem Ver­fall in Rumä­nien preis­ge­ge­ben sind, ist lang. Seit eini­gen Jahren gibt es ein Pilot­pro­jekt, eine „Ambu­lanz für Bau­denk­mäler“, die sich mit Hilfe von vie­len Frei­wil­li­gen er­folg­reich dem Er­halt vieler Bau­denk­mä­ler ver­schrie­ben hat. Wir freuen uns, dass uns Ana und Heinz hier im Advents­ka­len­der von ihrer Zeit als Frei­wil­lige bei der „Ambu­lanța pentru Monu­mente” be­rich­ten.
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Heinz Lahni, (56) aus Deutschland
September 2023 - die Außenmauer der befestigten Kirche von Meeburg/Beia
November 2020 - Gewölbedecke der Kirche in Alzen/Alțîna
Februar 2022 - das Dach der Kirche in Wermesch/Vermeș
Oktober 2017 - das Dach der Kirche in Dobring/Dobârca
Februar 2016 - der Kirchturm in Rothbach / Rotbav
Februar 2016 - der Kirchturm in Radeln/Roadeș
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Man muss kein Sieben­bürger Sachse sein, um die Trag­weite der Ver­luste zu spüren. Denn darum geht es in der Liste weiter oben: es sind dies einige der Denk­mäler, die im letz­ten Jahr­zehnt in Sie­ben­bür­gen (ganz oder teil­weise) ein­ge­stürzt sind. Nicht, dass die Situa­tion in an­deren Tei­len Rumä­niens viel besser aus­sähe. Creaca (Land­kreis Sălaj), die Stei­nerne Brücke des Fürs­ten Ștefan cel Mare in Ne­goiești (Land­kreis Bacău), die Cula Crăs­naru in Gro­șerea (Land­kreis Gorj), die Holz­kirche in Hulu­bești (Land­kreis Dâm­bo­vița): vom Aus­ster­ben be­drohte stei­nerne Zeu­gen einer ver­gan­genen Welt.
Menschen arbeiten in einer Kirchenkuppel
Copyright: Foto: Martin Schuster
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Aber gleichzeitig auch Denk­mäler, die von wun­der­ba­ren Men­schen ge­ret­tet wur­den, die nicht nur kla­gen, son­dern im echten Wort­sinn Hand an­ge­legt ha­ben. Allein im Jahr 2023 haben über 600 Frei­wil­lige, da­run­ter mehr als 400 Stu­den­ten, ge­nau das ge­tan und 18 Denk­mä­ler vor dem Ver­schwin­den be­wahrt. Junge Men­schen, voller Stolz da­rauf, kleine Räd­chen in die­sem großen Uhr­werk zu sein, das von Vero­nica, Eugen und Ste­fan Vaida mit viel Cha­ris­ma und Kom­pe­tenz ins Leben ge­ru­fen wurde und ge­lei­tet wird.
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Der Verein besteht seit 2016 und hat in­zwi­schen Nach­wuchs be­kom­men: unter der Schirm­herr­schaft der „Am­bu­lanz“ wur­den in­zwi­schen acht wei­tere Ver­eine ge­grün­det, die einen guten Teil Rumä­niens ab­de­cken.
Die Liste der von der end­gül­ti­gen Zer­stö­rung be­droh­ten Bau­denk­mä­ler um­fasst mehr als 600 Na­men und Orte. Diese zu ret­ten, ist nicht das ein­zige Ziel der „Ambu­lanz“: der Ver­ein zielt auch da­rauf ab, die loka­len Ge­mein­schaf­ten ein­zu­be­zie­hen, die sich als Part­ner an den Maß­nah­men zum Schutz des Kul­tur­er­bes be­tei­li­gen wol­len, und das Niveau der be­ruf­li­chen Aus­bil­dung aller Teil­neh­mer, vor allem der Ar­chi­tek­tur­stu­den­ten, durch in­for­mel­les Ler­nen zu ver­bes­sern. Dies ge­schieht haupt­säch­lich durch die An­wen­dung tra­di­tio­nel­ler Tech­ni­ken und bzw. Wie­der­ver­wen­dung der vor Ort vor­han­denen Mate­ria­lien.
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Dies hat zu einem Modell der Zusam­men­ar­beit und einem schönen Mix an Finan­zie­rungs­quel­len ge­führt, bei dem rumä­ni­sche Un­ter­neh­men, Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen, Privat­per­so­nen und Be­hör­den be­tei­ligt sind, und nicht zu­letzt Seine Hoheit König Charles, der für sein Enga­ge­ment für das natür­liche und bau­li­che Erbe des Landes be­kannt ist.
Allein im Jahr 2023 kehr­ten 440 Stu­den­ten von den 18 Bau­stel­len mit einem un­schätz­ba­ren Wissens­schatz an ihre Fa­kul­tä­ten zu­rück. Mehr als 600 Frei­wil­lige haben mit ihrem Kön­nen und ihrer Ge­duld dazu bei­ge­tra­gen, wert­volle Kirchen, Brücken, Türme, Villen und Fried­höfe zu retten. Ich bin stolz da­rauf, dabei­ge­wesen zu sein und mit meiner Tochter ein paar Tage lang auf einer der kom­ple­xe­ren Bau­stel­len, der evan­ge­li­schen Kirche in Ver­meș/Țara Bis­tri­ței, ge­schwitzt zu haben.
verfallene Kirche
verfallener Kirchturm
verfallener Kirchenraum mit Baugerüst abgesichert
verfallener Altarraum
Als wir dort ankamen, sah der Ort fast völlig ver­las­sen aus. In den ver­gan­genen Win­tern waren Teile des Daches ein­ge­stürzt und hatten einen Teil des Innen­raums zer­stört. Wir brauch­ten einen Tag, um den Raum um die Mauern herum frei­zu­machen, ein wahrer Dschun­gel war da ge­wach­sen. Die Haupt­ar­beit der ersten Tage be­stand darin, Ton­nen von Schutt und Dut­zende von Dach­bal­ken mit Schub­kar­ren oder un­se­ren Hän­den aus der Kirche zu tragen.
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Vater und Tochter arbeiten im Kirchenraum
Heinz und Tochter Maria
Mädchen schippt Erde in einer Schubkarre
Doch diese eintönige Arbeit wurde täg­lich durch spon­tane Vor­trä­ge über Struk­tu­ren, Bal­ken­ver­bin­dun­gen, oder ver­schie­dene span­nende De­tails über diese früh­go­ti­sche Kirche unter­brochen.
junge Menschen sitzen auf zusammenS
Ich habe gemeinsam mit etwa 20 jun­gen Leu­ten ge­schwitzt und war be­ein­druckt von ihrer Moti­va­tion. Oana und Lavi­nia, die guten Geis­ter vor Ort, küm­mer­ten sich um alles: Essen, Mate­ria­lien, Arbeits­pla­nung. Eine Frau aus dem Dorf hat ge­kocht, wir haben ab­wech­selnd Küchen­dienst ge­leis­tet. Ein Amei­sen­hau­fen, funk­tio­nal, effi­zient, gut ge­launt.
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Ich weiß, dass die Ambulanz für Denk­mä­ler nicht die ein­zige Orga­ni­sa­tion ist, die sich für das Kul­tur­erbe ein­setzt. Es gibt sie­ben­bür­gisch-säch­sische Struk­tu­ren aus­ge­wan­der­ter Sach­sen, die sich je­weils im Som­mer der Kirche ihres Hei­mat­dorfes wid­men. Es gibt eine Stif­tung für Kirchen­bur­gen, es gibt wun­der­bare Privat­ini­tia­ti­ven (Fell­dorf/Fili­tel­nic, Trap­pold/Apold), es gibt die Mihai Emi­nescu Stif­tung (erst kürz­lich mehr­fach aus­ge­zeich­net für die Reno­vie­rung der Kirche in Almen/Alma Vii). Meine Fa­milie un­ter­stützt die Am­bu­lanz für Denk­mä­ler, weil sie zu den ers­ten Ini­tia­ti­ven ge­hört, weil die Brü­der Vaida es immer ver­stan­den ha­ben, die loka­len Com­mu­ni­ties zu in­te­grie­ren, weil sie be­reits eine sehr be­ein­dru­ckende Er­folgs­bi­lanz vor­wei­sen kann, und nicht zu­letzt auch, weil sie sich nicht nur auf das sie­ben­bür­gisch-säch­si­sche Ge­biet be­schränken.
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Für das nächste Jahr ist auch ein neuer Ein­satz in mei­ner Heimat­stadt an­ge­kün­digt. Ich werde alles tun, dabei zu sein.
Heinz
verfallener Turm mit einer Mauer
Sighișoara/Schäßburg

Ana Budurea, (23) aus Bukarest, Rumänien
Die Erinnerung spielt mit gezink­ten Kar­ten. Was ges­tern sicher war, ist heute viel­leicht noch wahr­schein­lich, und scheint mor­gen schon un­mög­lich. Das Ge­dächt­nis schlägt uns Schnipp­chen. Von Zeit zu Zeit ver­langt die Erin­ne­rung, dass man sich ihrer er­innert.
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Mädchen auf einer Dorfstraße
Meine Initiation dauerte zwei Jahre: neun Denk­mä­ler konn­ten ge­ret­tet wer­den, neun­fach ist die Er­in­ne­rung: von be­schei­de­nen Holz­kir­chen bis zu im­po­san­ten Stein­brü­cken, keine ver­dient es, ver­ges­sen zu wer­den. Dabei habe ich ein durch­aus faires Ge­schäft ge­macht: für jeden ge­schnitz­ten Holz­na­gel, je­den aus­ge­tausch­ten Dach­zie­gel und jeden neu ver­fug­ten Stein er­hielt ich im Ge­gen­zug ein Stück Hoff­nung: da­rauf, dass es gute Men­schen gibt. Dass auch alte Mauern eine Zu­kunft haben.
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blaue Keramikfließen
Wie spät ist es?
8:20 Uhr muss ich spätestens los.
Habe ich alles dabei?
Zahnbürste, Duschgel, Arbeitsschuhe, Bluse.
Die Koordinatorin bat uns, wir sollen unsere eigene Tasse mitbringen.
Welche Tasse?
Was, wenn sie unterwegs kaputt geht?
Ah, die Sonnenbrille!
8:13: Sollte ich mich schminken?
8:17: Auf geht’s!
Trolley, Rucksack, Telefon, Kopfhörer.
Ich schließe die Tür.
Der Trolley ist ein bisschen leicht, da ist sicher noch Platz für Kleidung.
Ich hoffe, ich verpasse den Bus nicht.
Der Bus ist da.
Tasse vergessen.
Sicherlich bin ich nicht die Einzige, die sie vergessen hat, oder?
Ich hoffe, die Koordinatorin schimpft nicht.
Ich steige aus.
8:40. Zug schon da?
Abfahrt in zehn Minuten.
Genug Zeit, um Wasser und Knabberzeug zu kaufen.
Gleis 9, Wagen 3. Platz 54.
Der Wagen steht etwas weiter vorne.
Fensterplatz gefällig?
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Mein erster Kontakt mit der Am­bu­lanz für Denk­mä­ler war in Șona. Ich kannte nicht mehr als den Namen des Dor­fes. Eine Woche als Frei­wil­lige, nach dem achten Stu­dien­se­mes­ter Archi­tek­tur in Buka­rest. Bis da­hin bin ich nur in die Ferien ver­reist. Frei­wil­lige war ich schon mal, als Schü­lerin, aber bloß, weil sich das gut macht im Lebens­lauf.
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Als ich in der am nächsten ge­le­genen Stadt, Foga­rasch, an­kam, nahm ich ein Taxi. Ich kannte die Adres­se meiner Unter­kunft nicht, aber der Taxi­fahrer kannte sie: Das Blaue Haus in Șona. Unter­wegs wurde ich ge­fragt, ob ich zum erst­en Mal in der Ge­gend sei, und mir wurde ge­ra­ten, das schöne Wetter zu nut­zen und Foga­rasch zu be­su­chen. Es war auch das erste Mal, dass ich mich mit einem völlig Frem­den un­ter­hielt – etwas, was ich mir seit­her zur Ge­wohn­heit ge­macht habe.
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Das Tor des Blauen Hauses ist ein Tor in eine an­dere Welt. Die Straße selbst war ruhig. Ein Storch auf einem Strom­mast, eine ver­ein­zelte Blume im hohen Gras am Stra­ßen­rand. Der Innen­hof je­doch war voller Le­ben: Men­schen, Musik, Essen, alles rang um meine Auf­merk­sam­keit. Was geht hier vor? Es gibt ein Spen­den­glas mit der Auf­schrift „Für die Hoch­zeit“. Sollte je­mand heira­ten? Vier Tor­ten lock­ten an den Tisch, man musste sich ent­schei­den, mit wel­cher man an­fing und mit wel­cher man auf­hörte. Ein ein­ziger psy­cho­lo­gi­scher Krieg um meine Auf­merk­sam­keit. Ich ging auf den ersten Erwach­senen zu, den ich sah und dem ich irgend­eine Ver­ant­wor­tung zu­traute. Ich grüßte höf­lich, siezte die Per­son dabei, nur um so­fort da­rauf hin­ge­wie­sen zu wer­den, dass hier alle das Du ver­wen­den.
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Menschen sitzen auf einer Wiese
Schon wenige Tage später ver­wen­de­ten wir den Be­griff “wir gehen nach Hause“: Un­ter­kunft hörte sich doof an. Eine Woche lang war das Dorf unser Zu­hause. Tags­über ar­bei­te­ten wir an der Maria-Him­mel­fahrts-Kirche, abends fuhren wir “nach Hause“. In den Pausen kauf­ten wir Eis im Dorf­la­den oder bade­ten im Fluss Olt, abends gab es Vor­träge oder Work­shops in der Scheune. Am Sonn­tag be­such­ten wir die pyra­mi­den­ar­ti­gen Hügel bei Șona und pflück­ten Blu­men. Șona hatte viel zu bieten, und wir wollten alles mit­neh­men. Wir wussten, wo die Dorf­schmiede von Herrn Lazar ist, und wir wussten, in welcher Schub­lade die Kellen lagen.
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zwei Mädchen arbeiten an einem Kirchendach
Mann spielt neben einer eingefallenen Mauer Geige
Eines Tages ging uns der Zucker aus, und an einem an­deren Tag machten wir Tira­misu. Ich kann sagen, dass ich eine Woche lang in Sona ge­lebt habe. Natür­lich musste ich nicht die Blumen im Garten gießen oder Holz für den Winter hacken, aber ich habe dort ge­lebt. Frei­willig. Wir waren ein Teil des Lebens des an­deren. Nach meiner ersten Sona-In­ter­ven­tion begann sich das Leben reicher an­zu­fühlen.
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Vor zwei Jahren wusste ich nur, dass Rumä­nien groß ist. Ich wusste von Sie­ben­bür­gen und der Mol­dau, aber ich dachte, das seien beides eine Art an­dere Wala­chei. Dann lernte ich die ers­ten Sie­ben­bür­ger und Mol­dauer kennen, Cou­sins und Cou­sinen zwei­ten Grades, Groß­fa­milie. Wir spra­chen die­selbe Sprache. Oder doch nicht? Wir lern­ten neue Wörter und strit­ten uns über die, die wir kann­ten. Jede De­batte war his­to­risch und emo­tio­nal auf­ge­la­den; jeder, der uns zu­hörte, hätte uns für Sozio­lo­gen ge­hal­ten. Aber für uns war es Spaß. So hab ich be­gon­nen, Ge­schichte zu be­grei­fen. Seit ich bei der „Am­bu­lanz” bin, lerne ich, ganz un­will­kür­lich, Ge­schichte. Man trinkt Schnaps aus Nord­ru­mä­nien und isst „Poale-n-brâu” (Quark­ta­schen) aus der Mol­dau. Und wird dank­bar für jede Klei­nig­keit, die man so mit­nimmt. Nach­dem du einen gan­zen Tag lang alten Mörtel aus den Fugen ge­kratzt hast, be­ein­druckt dich ein Kuchen. Und wenn man ihn dann zu Hause in der Bäckerei sieht, kauft man ihn sofort. Das Ge­dächtnis wird durch Ge­fühle ge­speist, und die Am­bu­lanz bietet jenen, die mit­ma­chen, die ganze Band­breite da­von.
Es gäbe zu viel über all die Men­schen zu er­zäh­len, deren Wege ich wäh­rend der Arbeits­ein­sätze ge­kreuzt habe, Stu­dien­kol­le­gen oder Ameri­kaner aus Ohio. Jeder Frei­wil­ligen-Ein­satz auf einer Bau­stelle ist ein Tor zu einer neuen Welt.
Ana
Zwei Frauen stehen neben einer Kirche

Fotos weiterer Projekte von Ambulanța pentru Monumente:
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Mann malt an einer Wand
Apos/ Abstsdorf 2020
Menschen stehen in einem Kirchendach
Altina/ Alzen 2017
Menschen stehen auf einem Kirchendach
Brusturi 2019
Menschen stehen auf einem Baugerüst
Apos/ Abstsdorf 2020
Menschen arbeiten auf einem Kirchendach
Altina/ Alzen 2017
Menschen arbeiten
Roades/ Radeln 2020
gemalter Clip
eingerüstete Holzkirche
Brusturi 2019
Menschen arbeiten an einem Dach
Roades/ Radeln 2020
Ambulanța pentru Monumente
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