Am Ortsrand


von Katharina Emenenth

gemalter Clip
In der Weite der Tiefebene zwi­schen Ma­rosch und Kreisch, aus der Fer­ne un­schein­bar, liegt die Wie­ge mei­ner Kind­heit. Sank­tan­na/Sân­tana (Alt­sankt­an­na-Kom­losch) im Nord-Wes­ten Ru­mä­niens, hat auch nach zwan­zig Jah­ren un­se­rer Tren­nung von sei­nem ein­ma­li­gen Reiz nichts ein­ge­büßt. Auf vie­len Kar­ten ein un­schein­ba­rer klei­ner Punkt, von so vie­len ver­las­sen, bleibst du uns auf der Spur. Du gibst Stil­le, aber nie­mals Ru­he. Dein ent­le­ge­ner Platz im Rhyth­mus der Ver­gan­gen­heit, gibt mir Raum und Zeit zur tie­fe­ren Be­sin­nung und er­füllt mich heu­te noch mit sanf­ter Weh­mut.
gemalte Dorfansicht
Obwohl mein Leucht­turm jetzt wo­an­ders steht, bleibst du mei­ne Quel­le, die Was­ser­stel­le in mir. So lebst du fort an vie­len Or­ten. Wo im­mer ich hin­ge­he, neh­me ich dich mit. Nach Jah­ren der Un­si­cher­heit re­de ich heu­te von dir, zei­ge dich her. In all dei­ner Ein­fach­heit bleibst du ein­ma­lig für mich. Dein Wahr­zei­chen, die Kirch­tür­me, win­ken von wei­tem und doch ver­mis­se ich ihn nicht, den be­stra­fen­den Gott dei­ner Ta­ge. Zu ei­nem lie­ben­den Va­ter hat er sich ge­wan­delt für mich, das Gött­li­che in al­lem für mich of­fen­bart.
gemalter Clip
gemalte Kirche
Eine ländliche Schwal­ben­ko­lo­nie mit ver­steck­ten Häu­sern hin­ter ho­hen Aka­zien und Nuss­bäu­men, von ein­zel­nen Pap­peln be­rauscht, mit Schwal­ben­nes­tern un­term Dach, bist du wei­ter im Be­sitz von ge­nü­gend Zeit, welch ein Wohl­stand. Zur räum­li­chen Aus­deh­nung hat­test du im­mer Platz für brei­te Stra­ßen, We­ge, Hö­fe und frucht­ba­re Gär­ten. Viel Ver­trau­tes ha­ben wir hier zu­rück­ge­las­sen, doch dei­ne Bil­der le­ben in uns fort.
Es sind die Maisfelder, die Rü­ben­äcker, gelb wo­gen­des Korn so weit das Au­ge reicht, so wie der na­tür­li­che Duft von Ro­sen und Joargâ (Flie­der), Pfer­de­wä­gen, Gän­se in den Stra­ßen­grä­ben, heim­keh­ren­de Kü­he. Un­ver­gess­lich die Bank vor dem Haus, der Plausch vor dem Gas­sâ­ter­le (Gas­sen­tür­chen), die zu­fäl­li­gen Be­geg­nun­gen der Men­schen oder die spie­len­den Kin­der mit­ten auf der Straße.
gemalter Clip
Reglose Ruhe liegt über dei­nen mü­den Dä­chern in der Mit­tags­hit­ze. Der Schwen­kel­brun­nen mit der da­rin ge­kühl­ten Milch oder der schwim­men­den Was­ser­me­lo­ne le­ben nur noch in mei­nen Er­in­ne­run­gen.
gemalte Melone
Doch vom Ortsrand bertrachtet sieht vie­les an­ders aus. Ver­ges­sen die Müh­sal der kno­chen­har­ten Ar­beit auf den Fel­dern. Ver­ges­sen die son­nen­ver­brann­ten Ge­sich­ter, ver­ges­sen die Schwie­len un­se­rer Vä­ter und die zer­furch­ten Ge­sich­ter der Müt­ter. Le­ben­dig noch die ewig lan­gen Quen­der (Acker­län­ge), die wir Kin­der über Brom­bâschnier (Brom­beeren­schnü­re) und fri­schen Stop­peln ge­stol­pert sind, um vom an­der­en En­de den Was­ser­krug zu ho­len oder die Son­ne hat mich er­wischt. An ei­nem die­ser Ern­te­ta­ge ha­be ich ent­we­der zu viel Was­ser ge­trun­ken oder die Son­ne hat mich er­wischt. Noch nie hat­te sich un­se­re Stu­be so mit mir ge­dreht.
gemalter Clip
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