Schülerreise in die Dobrudscha


Schülerinnen der Georg-Goldstein Schule berichten
Fotos: Alexandros Ntinas

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I. Teil 1. Bukarest und Constanța
1. Tag: Bukarest und Reise nach Kon­stanza/Con­stanţa
Am 18.09.23 hat unser ers­ter Pro­jekt­tag mit gu­tem Wetter und vielen Er­war­tun­gen be­gon­nen. Das erste Er­leb­nis war die Be­sich­ti­gung des Par­la­ments­pa­lasts in Bu­ka­rest, den Nicolae Ceau­șescu er­bauen ließ. Das rie­sige Ge­bäude hin­ter­ließ durch seine Pracht und Ge­schichte un­ver­gess­liche, aber auch fas­sungs­lose Ein­drü­cke. Es ist nach dem Pen­ta­gon das zweit­größte Ver­wal­tungs­ge­bäude der Welt. Ton­nen von Marmor, Edel­holz, Gold und Tep­pi­che — ge­gen mensch­li­chen Schweiß und Men­schen­le­ben. Wir haben nur 5% des Pa­las­tes be­sich­tigt und einen Bruch­teil über die rumä­nische Ge­schichte er­fah­ren, aber jeder Teil­neh­mer konnte re­flek­tie­ren, wie wert­los ein Men­schen­le­ben in der Ma­schine der Dik­ta­tur sein kann.
Menschen im Parlamenstgebäude
Besichtigung des Parlaments­palasts in Bukarest
Die nächste Station hat uns wieder eine trau­rige Seite der Welt­ge­schichte er­öff­net. Das Holo­caust­mahn­mal, das im Zen­trum von Buka­rest er­rich­tet wurde, schickte uns ge­dank­lich in die Zei­ten des zwei­ten Welt­krieges – ein grau­sa­mes Ka­pi­tel der Mensch­heit, das uns da­ran er­in­nert, dass tau­sen­de Un­schul­dige, ge­teilt nach Ras­sen, Spra­chen und Na­tio­na­li­tä­ten, in je­dem Krieg ihr Leben ver­lie­ren. Dr. Hein­ke Fa­bri­tius, Kul­tur­re­fe­ren­tin für Sie­ben­bür­gen, die uns die ge­samte Pro­jekt­wo­che be­glei­tete, machte deut­lich, welch sym­bo­li­sche Be­deu­tung das Denk­mal für die jüdi­sche Ge­mein­de Rumä­niens hat.
Unterwegs zu unserer nächsten Sehens­wür­dig­keit er­lebten wir ein wenig die Alt­stadt Buka­rests. Schöne alte Ge­bäude und Fas­sa­den von be­rühm­ten euro­pä­ischen Archi­tek­ten er­freu­ten das Auge. Auf­fäl­lig wa­ren manch alte Ge­bäude, die mit ei­nem roten Kreis und der Auf­schrift „risc seis­mic“ ver­se­hen wa­ren. Diese Zeichen wei­sen da­rauf hin, dass diese Häuser ein­sturz­ge­fähr­det sind.
Der letzte Halt, bevor wir Buka­rest Rich­tung Con­stanţa ver­ließen, war für alle Teil­neh­men­den sehr be­ein­dru­ckend, denn wir hatten die Mög­lich­keit Dr. Klaus Fa­bri­tius, Na­tur­for­scher und rumä­nien­deut­schen Iden­ti­täts­be­wah­rer ken­nen­zu­ler­nen. Wir be­such­ten ihn im Schil­ler­haus — dem deut­schen Kul­tur­zen­trum, das die deut­sche Min­der­heit in Rumä­nien ver­tritt, be­grüßt von der Direk­to­rin Mari Ana Duliu. Die deut­sche Min­der­heit ge­hört zu den zwan­zig an­er­kann­ten Min­der­hei­ten Ru­mä­niens, die so­gar durch Ab­ge­ord­nete im Par­la­ment ver­tre­ten sind. Dort haben wir noch­mals ge­lernt, dass jede Spra­che und Kul­tur eine Be­rei­che­rung ist, jede Na­tio­na­li­tät ihre Da­seins­be­rech­ti­gung hat und die An­er­ken­nung je­des In­di­vi­du­ums da­zu führt, uns dem demo­kra­ti­schen Modell Euro­pas näher­zu­bringen
Dr. Klaus Fabritius: „Wir tragen drei Hüte auf dem Kopf – der eine steht für die deut­sche Natio­na­li­tät, der an­dere für die rumä­nische Staats­bür­ger­schaft und der letzte für die Mit­glied­schaft in der Euro­pä­ischen Union.“
Menschen mit einer Ukrainefahne vor einem Haus
Am Schillerhaus in Bukarest beim DFDR
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2. Tag: Techirghiol und Gymnasium in Constanţa
Die Sprache, die uns ver­bindet: Schüler- und Stu­den­ten­aus­tausch zwi­schen Deutsch­land, der Ukra­ine und Rumä­nien.
Der sonnige Morgen hat uns wei­tere Er­eig­nisse ver­spro­chen und hat uns nicht ent­täuscht. Unsere Rei­se­gruppe wurde um wei­tere Teil­neh­mer größer: die Schüler und Lehr­kräfte des Gym­na­siums Mircea cel Bătrân Natio­nal Col­lege (Con­stanța) ha­ben sich uns an­ge­schlossen.
Das geschichtliche Wissen, das uns Dr. Klaus Fabri­tius am Tag zu­vor über die Dobru­dscha­deut­schen ver­mit­telte, konn­ten wir be­reits an die­sem Tag ver­knüpfen.
Wir hatten die Möglichkeit, den Pries­ter und die deut­sche katho­li­sche Kirche in dem Kur­ort Techir­ghiol kennen­zu­lernen. Jene Kirche wurde im Jahr 1934 von Mit­glie­dern der deut­schen Ge­meinde er­baut. Dieses alte aber sehr schön er­hal­tene Ge­bäude hat bei uns warme Ge­fühle aus­ge­löst und viele neue Er­kennt­nisse zu un­seren Themen ge­schenkt. Es war eine Kirche der deut­schen Katho­li­ken, die noch im 19. Jahr­hun­dert aus Bes­sa­ra­bien nach Dobru­dscha um­ge­siedelt sind. Die Leute such­ten bis heute nach bes­seren Mög­lich­kei­ten für ihr Leben, ihre Wunsch­ver­wirk­li­chun­gen und ihren Wohn­raum. Im Ver­gleich zu Bes­sa­ra­bien, wo die deut­schen Kolo­nis­ten in ihren ei­genen Dör­fern leb­ten, waren die Dörfer in Dobru­dscha mul­ti­eth­nisch, es herrschte je­doch Frie­den unter allen Ethnien. In den heuti­gen Zei­ten, in denen die meis­ten Deut­schen ver­schwun­den sind, fin­den dort aus­schließ­lich Gottes­dienste in den Sommer­mo­naten statt. Die heuti­gen Gäste sind mul­ti­eth­nisch, aber alle kommen mit offenen Her­zen und werden ge­nau­so emp­fan­gen, wie der Pries­ter uns be­rich­tete.
Kirche von oben
deutsche katholische Kirche in Techirghiol
Genauso warm wurden wir in einem der ältesten Gym­na­sien von Con­stanţa emp­fan­gen. Voller Er­war­tung folgte dort das erste Tref­fen der Schüler aus allen drei Pro­jekt­län­dern.
Schüler stehen auf einem Schulhof
Im Hof des Gymnasium Mircea cel Bătrăn
Die ukrainischen und deut­schen Schü­ler be­such­ten das „Colegiul Natio­nal Mircea cel Bătrân“, ein Gym­na­sium, das seit dem Jahr 1896 exis­tiert. Nach einer herz­li­chen Be­grü­ßung durch die Schul­lei­tung, den Schü­lern und Deutsch Lehre­rin Ro­xa­na Nico­lăescu be­ka­men wir eine Füh­rung durch das alter­tüm­li­che Schul­ge­bäude. Die Schule or­ga­ni­siert viele in­ter­na­tio­nale Pro­jekte, wie bei­spiels­weise in Deutsch­land, Frank­reich oder den USA. Be­son­ders viele Kon­takte pflegt die Schule zu Deutsch­land, unter zahl­rei­chen Part­nern findet sich auch der Bes­sa­ra­bien­deutsche Ver­ein.
Interaktive Spiele und leb­hafte Dis­kus­sio­nen hal­fen neue Freund­schaften zu knüp­fen und Schlüssel da­zu war die ge­mein­same Sprache: Deutsch. Die rumä­nischen Schüler ler­nen be­reits seit sechs Jahren diese Sprache und be­herr­schen sie sehr gut. Ein wich­tiger In­put zur Be­rei­che­rung des Wort­schatzes war ein Wort von Frau Dr. Fa­bri­tius, das man im Leben sehr ernst neh­men müsse: das Wort „Ver­spre­chen“.
Haben wir heute einander nicht schon etwas „ver­spro­chen“? Doch, un­sere Freund­schaft zu pfle­gen und unserem ge­mein­sa­men Weg ver­traut zu sein.
Nach einem Kennenlernspiel tauschten sich die Schüler über die Themen Euro­pa, Um­welt­schutz, Flucht/Migra­tion und Bessa­ra­bien/Dobrud­scha aus. Es war be­wun­derns­wert, in wel­cher Ge­schwin­dig­keit die jun­gen Erwach­senen, die sich zu­vor nicht kannten, durch die ge­mein­same Sprache und die Be­schäf­ti­gung mit ge­sell­schaft­lich re­le­van­ten Themen zu­ei­nan­der­fan­den.
Der Tag hat am Morgen viel ver­spro­chen, aber noch mehr ge­ge­ben. Die er­wünschte Ent­span­nung hat uns das Schwarze Meer mit dem weichem Sand an den Füßen und den er­fri­schen­den Wellen ge­schenkt. Be­son­ders die ukra­ini­schen Teil­nehmer haben sich wie zu Hause ge­fühlt, denn das Schwarze Meer ist auch in der Ukra­ine ein be­lieb­ter Bade- und Er­ho­lungs­ort. Es bringt immer Ruhe und Ener­gie, und er­weckt die Krea­ti­vi­tät, was die Pro­jekt­teil­neh­mer am Abend demons­triert haben: Zwei Stun­den er­folg­reiche Pro­jekt­ar­beit waren ein guter Aus­gleich zu dem ent­spann­ten Nach­mittag.
3. Tag: Besichtigung des Demo­kra­tischen Forums der Deut­schen und Kara­murat/Mihail Kogălniceanu
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Die Region Dobrudscha hat eine reiche Ge­schichte, die auf ver­schie­dene Kul­tu­ren und Völker zurück­zu­führen ist. Sie er­fuhr im Laufe der Jahr­hun­derte zahl­reiche kultu­relle Ein­flüsse. Dement­spre­chend ist und war sie eine multi­eth­ni­sche Re­gion, die auch ein Zu­hause für deut­sche Kolo­nis­ten wurde. Die erste An­sied­lung deutsch­stäm­mi­ger Bau­ern in der Do­brud­scha fand zwischen 1841 und 1854 aus dem be­nach­bar­ten Bessa­ra­bien statt.
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Dies spürt man bis zum heu­ti­gen Tag. Wir be­ga­ben uns auf die Spu­ren der deut­schen Ge­schichte und star­teten unseren Tag mit dem Be­such der so­ge­nann­ten Be­geg­nungs­stätte der Deut­schen, wo all diese Erin­ne­run­gen und Tra­di­tio­nen un­ter dem Dach des Demo­kra­ti­schen Forums der Deut­schen aus Rumä­nien in Con­stanţa ge­pflegt wer­den. Das Ge­bäude wurde als erste deut­sche Schule Con­stan­ţas im Jahr 1901 er­baut und ist seit 1990 ein demo­kra­ti­sches Forum, wo ver­schie­dene Ver­wal­tungs­ar­bei­ten und Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen aus­ge­übt wer­den.
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Das Forum besteht aus ca. 200 Mit­glie­dern. Zur Zeit liegt das Durch­schnitts­alter bei ca. 75-80 Jah­ren. Trotz­dem führt das Forum seine Tätig­keit aktiv weiter, ge­stal­tet Pro­jekte und sucht Partner auf.
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Unser nächstes Ziel war die Ge­meinde Mihail Kogăl­ni­ceanu. Ur­sprüng­lich wurde der Ort von Osma­nen be­wohnt und trug den Namen "Kara­mu­rat", was in etwa "Murat der Schwarze" be­deu­tet und auf einen Tata­ren­füh­rer zurück­geht. Im Jahr 1876 zogen 30 bes­sa­ra­bien­deut­sche Sied­ler­fa­mi­lien in den Ort In den 1930ger Jah­ren wurde das Dorf zu Ehren des rumä­ni­schen Königs in "Fer­di­nand I." um­be­nannt. Kara­murat war einst die größte katho­li­sche An­sied­lung der Dobru­dscha­deut­schen, die un­ter­schied­li­chen Kon­fes­sio­nen an­ge­hör­ten und ein en­ges Ge­mein­schafts­le­ben führ­ten. Nach dem Ende der rumä­ni­schen Monar­chie wurde der Ort in Aner­ken­nung des Staats­mannes Mihail Kogăl­ni­ceanu um­be­nannt und er­hielt da­mit seinen aktuel­len Namen.
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Vor Ort empfing uns die Bür­ger­meis­te­rin der Ge­mein­de, Frau An­cuța-Da­niela Belu, die die Aus­tausch­pro­jekte un­ter­stützt und Ideen für eine wei­tere Zu­sam­men­ar­beit ge­äu­ßert hat.
Schüler stehen auf einer Treppe
Bürgermeisteramt Mihail Kogălniceanu
In der Gemeinde kann man noch heute deut­sche Häu­ser fin­den. Wir be­sich­ti­gten die ört­li­che katho­li­sche Kirche, die im Jahr 1898 von den Dobru­dscha­deut­schen er­baut wurde. An den Ge­denk­ta­feln wird an die Kriegs­opfer des 1. Welt­kriegs er­in­nert und es ist an­hand der Namen er­sicht­lich, dass die Ver­stor­be­nen deut­scher Her­kunft waren.
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Neben der deutschen Minder­heit gibt es in Rumä­nien wei­tere 17 Min­der­hei­ten. Zum Bei­spiel die der Tür­ken, Grie­chen, Bul­ga­ren, Un­garn, Ita­lie­ner der Aro­mu­nen etc. Letz­tere hat uns un­sere Rei­se­be­glei­tung An­dreea vor­ge­stellt, denn sie hat eben­falls aro­mu­ni­sche Wur­zeln. Sie führte uns zu einer Nach­bil­dung eines aro­mu­ni­schen Dor­fes, das sie ge­mein­sam mit ihrer Fami­lie mit­hilfe von Spen­den­gel­dern auf­ge­baut hat. Das Pro­jekt ist noch nicht end­gül­tig be­en­det, gilt je­doch be­reits als Museum unter freiem Himmel, wo man unter an­derem sehen kann, wie die Aro­mu­nen ihre Tiere hielten, ihr Brot backten, die Frauen an den Web­stüh­len web­ten. Wir wurden dort mit einer un­glaub­li­chen Gast­freund­schaft emp­fan­gen und hatten die Mög­lich­keit tra­di­tio­nel­le Spei­sen und Ge­tränke zu kos­ten. Außer­dem fan­den sehr be­rei­chern­de und in­te­res­sante Un­ter­hal­tungen
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Portrait eines Mannes
Ein Aromune
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4. Tag: Stadtführung in Constanţa und Reise nach Tulcea
Bevor es am 4. Tag unseres Pro­jekts nach­mit­tags in den nächs­ten Ort Tulcea ging, machten wir in Con­stanţa eine Stadt­füh­rung im Zen­trum der Stadt. Con­stanţa, eine helle und ein­la­dende Stadt mit einer lan­gen Ge­schichte und einer mul­ti­na­tio­na­len Be­völ­ke­rung, ist das Herz­stück der Dobrud­scha.
Die Stadtführung begann mit dem Archäo­lo­gi­schen Park, in dem Säu­len, Ge­fäße und an­dere his­to­ri­sche Über­reste aus der rö­misch-grie­chi­schen Zeit aus­ge­stellt sind und einem Denk­mal für die im zwei­ten Welt­krieg ge­fal­lenen See­leute. Danach gingen wir in die his­to­ri­sche Alt­stadt und be­such­ten dort die „Moschee Carol-I“, die katho­li­sche Kirche des „Heili­gen An­to­nius von Padua“ und die ortho­doxe Kathe­drale „St. Peter und Paul“.
Es war bemerkenswert, dass im Um­kreis von ca. 100 Me­tern drei ver­schie­dene Glau­bens­stätte so nah bei­ei­nan­der sind. Auch dies be­weist die Mul­ti­ethni­zi­tät und Mul­ti­re­li­giö­si­tät der Region Dobrud­scha. Die Stadt ist ein Exem­pel für die Dobrud­scha, in der Men­schen ver­schie­dener Eth­nien und Natio­na­li­tä­ten fried­lich mit­ei­nan­der leben. Jede Epoche der Ge­schichte und die Men­schen, die nach Con­stanţa kamen, hin­ter­ließen so heraus­ra­gende his­to­rische und archi­tek­to­nische Denk­mäler.
An der Strandpromenade entlang mit Blick auf den viert­größ­ten Hafen Euro­pas und die ca. 30 Fracht­schiffe, die zu die­sem Zeit­punkt vor dem Hafen lagen, gin­gen wir weiter zu Con­stanţas Kunst­museum, wo Kul­tur­re­fe­ren­tin für Dobrud­scha, Bes­sa­ra­bien, Sie­ben­bür­gen u.a. und Kunst­wis­sen­schaft­le­rin Dr. Heinke Fabri­tius eine Füh­rung über die ma­le­ri­schen Werke im Zu­sam­men­hang mit der Region Dobrud­scha durch­führte. Wir sahen uns eine Aus­stel­lung von be­rühm­ten rumä­ni­schen Künst­lern an. Dar­ge­stellt wurden in den Male­reien bei­spiels­weise Por­traits oder Land­schaf­ten aus der Dobrud­scha oder aus Län­dern Euro­pas, vor­zugs­weise Frank­reich. Das Be­son­dere an den Kunst­wer­ken ist, dass wir heute einen Ein­blick in die Per­spek­tive der Künst­ler be­kom­men, ge­wis­ser­ma­ßen aus ihren Augen, wie sie die Welt da­mals wahr­ge­nommen haben.
Frau im Museum
Im Kunstmuseum Constanţa
Die Projektteilnehmer bekamen die Auf­gabe, durch die Galerie zu gehen und ein Ge­mälde aus­zu­suchen, das sie mit den Themen Europa, Krieg und Flucht, Um­welt und Dobrud­scha in Ver­bin­dung bringen. Darauf­hin stellten sie ihre tief­grün­digen Deu­tun­gen und Inter­pre­ta­tio­nen vor.
Am Nachmittag verließen wir Constanţa und fuhren Rich­tung Donau und ukra­inische Grenze nach Tulcea. Auf der Bus­reise er­leb­ten wir eine andere Seite Rumä­niens, als die, die wir bis zu die­sem Zeit­punkt in den beiden Groß­städten Buka­rest und Con­stanţa kennen­lernten. Kilo­me­ter­weite Fel­der und un­be­bau­tes Land, schmale Stra­ßen, die durch kleine authen­tische Dörfer führen, wo Dorf­be­wohner ihre eigen an­ge­bau­ten Pro­dukte ver­kau­fen, er­blick­ten wir durch die großen Fenster un­seres Busses. Am Abend er­reich­ten wir unser Ziel, wo wir mit Un­ge­duld auf den nächsten Tag war­teten.
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II. Teil 2. Tulcea
Am fünften Tag erwartete uns eine der Haupt­at­trak­tio­nen in der Region Dobrud­scha: das Donau­delta. Wir konn­ten es kaum ab­war­ten diese atem­be­rau­bende Natur zu er­le­ben. Die Donau ent­springt im Schwarz­wald, durch­quert mehrere Länder Euro­pas und mün­det über das Donau­delta in das Schwarze Meer. Sie ist der zweit­längste Fluss Euro­pas. Das Donau­delta ist ein großes Feucht­ge­biet, wo eine er­staun­liche Viel­falt an Tier- und Pflan­zen­ar­ten be­hei­ma­tet sind. Es gibt vor allem sehr viele Vogel­ar­ten, die auch wir an diesem Tag be­stau­nen konnten. Unsere Schiffs­fahrt dauerte ca. 6 Stun­den. Wir ge­nos­sen die male­rische Land­schaft und dieses ein­zig­ar­tige Öko-System. Viele von uns nutzten das sanfte Schau­keln des Schiffes, die Sonnen­strah­len, den tief­blau­en Him­mel und die schön klin­gen­den Ge­räusche der Vögel, um sich zurück­zu­lehnen und zu ent­span­nen. Der Kapitän ist un­serem Wunsch nach­ge­kommen, einen Halt mitten im Schilf zu machen, da­mit wir ein Gruppen­foto auf dem Deck schießen können.
Schüler auf einem Schiff im Schilf
Schiffsrundfahrt Donaudelta
Da die Donau als Grenze zwischen Rum­änien und der Ukra­ine dient, kamen wir sehr nah an die Ukra­ine. Für unsere ukra­ini­schen Freunde, die teil­weise seit Beginn des Krieges aus ihrem Land ge­flüch­tet sind, war dies ein sehr emo­tio­na­ler Mo­ment. So nah an der eige­nen Hei­mat und den Fami­lien­mit­glie­dern und Freun­den zu sein, sorgte dafür, dass wir uns, wie auch in vielen anderen Situa­tio­nen wäh­rend un­serer Reise, über die schreck­li­chen Er­eig­nisse un­ter­hielten, die sich nur wenige Kilo­meter von uns ent­fernt ab­spiel­ten.
Am Nachmittag gab es eine kleine Stadt­führung durch die Innen­stadt Tulceas. Die Stadt liegt am Ufer der Donau und ist auf­grund ihrer Lage ein wich­ti­ger Han­dels- und Fischerei­stand­ort. Die Ge­schichte von Tulcea reicht bis in die An­tike zu­rück. Die Stadt wurde von ver­schie­de­nen Kul­tu­ren ge­prägt, darun­ter die Römer und die Byzan­tiner. Heute ist Tulcea ein Ort ver­schie­dener Kul­tu­ren und Ethnien. Hier leben Rumä­nen, aber auch eth­nische Min­der­hei­ten wie Lipo­wa­ner, Tata­ren und Ukra­iner. Die kul­tu­relle Viel­falt in Tulcea ist ein wich­ti­ger Teil des Stadt­bil­des und spie­gelt die reiche Ge­schichte und die ver­schie­de­nen Ein­flüsse wider, die die Region im Laufe der Jahr­hun­derte ge­prägt haben. Diese eth­nischen Min­der­hei­ten tragen zur kul­tu­rellen Viel­falt und zur leben­di­gen Atmo­sphäre der Stadt bei und be­rei­chern die lokale Kultur und Ge­mein­schaft.
Am späten Nachmittag gingen wir auf einen Hügel der Stadt, wo an der Spitze des Hügels das Unab­hän­gig­keits­denk­mal „Monu­men­tul Inde­pen­den­tei“ steht. Das Denk­mal dient zur Er­in­ne­rung an den Hel­den­mut und die Tapfer­keit des rumä­ni­schen Volkes im Be­freiungs­krieg von der osma­ni­schen Herr­schaft (1877-1878). Von dort aus hat man einen schönen Blick auf die Stadt und auf die Donau. Außer­dem konnten wir in weiter Ferne die ukra­inische Stadt Ismajil sehen.
Säule als Denkmal auf einem Hügel
Unabhängigkeitsdenkmal „Monumentul Independentei“
Nach diesem eindrucksvollen Tag, setzen sich die Pro­jekt­teil­nehmer am Abend zum letzten Mal zu­sam­men, um die Pro­jekt­the­men ab­schlie­ßend vor­zu­be­rei­ten, denn am nächs­ten Tag fanden die Ab­schluss­prä­sen­ta­tio­nen statt.
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6. Tag: Abschlusspräsen­ta­tionen und Rück­reise nach Bukarest
Der letzte Tag in Tulcea war be­son­ders wichtig für alle Be­tei­lig­ten, denn es ist von Be­deu­tung, nicht nur ge­mein­sam In­for­ma­tio­nen zu sam­meln, son­dern auch Er­geb­nisse zu­sam­men­zu­fas­sen und Schluss­fol­ge­run­gen zu ziehen. Jeder Tag der Pro­jekt­wo­che war reich an Ex­kur­sio­nen, For­schungs­ar­beit und vie­len Dis­kus­sio­nen, die es auf­zu­ar­beiten galt.
Obwohl die Projektteil­nehmer auf­grund der er­eig­nis­rei­chen Tage und der Masse an in­te­res­san­ten In­for­ma­tionen nicht viel Zeit hatten, um die Ge­dan­ken zu sor­tie­ren, stell­ten sie gut durch­dachte und in­halt­lich qua­li­ta­tive Prä­sen­ta­tio­nen vor. Dies war unter an­derem nur mög­lich, weil sich die jewei­ligen deutsch-ukra­ini­schen Teams sehr gut zu­sam­men­fan­den und sich ge­gen­sei­tig un­ter­stützten.
Die ausgewählten Themen: Krieg und Migra­tion; Eu­ropa; Um­welt­schutz; Bes­sa­ra­bien und Dobrud­scha — Be­deu­tung für ukrai­ni­sche, deut­sche und rumä­nische Jugend­liche, sind in der heu­tigen glo­balen Welt von großer Be­deu­tung und ge­rade die Jugend­li­chen können weg­wei­send zu der Ent­wick­lung un­serer glo­ba­len Welt bei­tragen.
Vielleicht ist es nicht für alle offen­sicht­lich, warum die his­to­rische Auf­ar­bei­tung für junge Gene­ra­tio­nen so re­le­vant sein soll? Die rich­tige Ant­wort be­ka­men wir von der ukra­ini­schen Schü­lerin Anas­tasia: „Der Mensch, der seine Ver­gan­gen­heit nicht kennt, hat keine Zu­kunft.“ Eben­falls sagte sie schluss­fol­gernd in Be­zug auf das ge­samte Projekt, dass das Haupt­ziel da­rin be­stand, junge Menschen zu­sam­men­zu­bringen und dass das ge­lun­gen sei.
Dies zeigte sich ausdrück­lich bei der herz­li­chen Ver­ab­schie­dung von drei Schülern, die den Rest der Gruppe Rich­tung ukra­ini­sche Hei­mat ver­ließen. Für die er­folg­reiche Teil­nahme an dem Pro­jekt über­reichte uns Heinz-Jürgen Oertel die Teil­nah­me­be­stä­ti­gung, die wir mit Stolz ent­ge­gen­nahmen.
Gruppenfoto der Schülergruppe
Die Schüler mit ihren Teilnahme­bescheinigungen
Ein einzigartiges Monument konnten wir in der Region um Tulcea nicht un­be­achtet lassen. Wir fuhren nach Mal­kotsch/Malcoci, eines der ersten Dörfer in der Dobru­dscha, das von deut­schen Sied­lern im Jahr 1842 ge­grün­det wurde. Dort emp­fing uns der für die Res­tau­rie­rung der deut­schen Kirche maß­geb­lich Ver­ant­wor­tliche Octa­vian Motoc und öff­nete uns die Tore zu der ein­drucks­vol­len Ruine der Kirche Sankt Georg. Diese Kirche wurde 1881 von den deut­schen Sied­lern er­baut und wurde zum Her­zen der deut­schen Ge­meinde, aber als die Men­schen weg­gin­gen, hörte das Herz auf zu schla­gen.
Heute befindet sich die Kirche, in­zwi­schen rumä­ni­sches Kul­tur­denk­mal, in bau­fäl­li­gem Zu­stand und es wer­den Spen­den ge­sammelt, um die Kirche wieder­auf­zu­bauen. Sie bleibt nach wie vor eines der be­deu­tends­ten archi­tek­to­ni­schen Denk­mäler der Dobru­dscha­deut­schen und ver­fügt über den höchs­ten Kirch­turm unter den ehe­ma­ligen deut­schen Ge­mein­den in der Region Dobrud­scha. Es bleibt nur zu hoffen, dass die nötigen Gelder ge­sam­melt wer­den und die his­to­risch be­deut­same Kirche ihr neues Leben be­kommt.
Luftaufnahme einer Kirchenruine
deutschen Kirche Malkotsch/Malcoci
Am Nachmittag reisten wir zurück nach Bu­ka­rest und gingen am Abend fort, wo sich im Zen­trum der Stadt ein im­po­nie­ren­des Licht­spek­ta­kel auf der rie­si­gen Fas­sade des Par­la­ments­pa­lasts er­eig­nete.
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7. Tag: Dorfmuseum in Bukarest und Heimreise
Am letzten Tag besichtig­ten wir die letzte Sehens­wür­dig­keit un­serer aben­teu­er­li­chen Pro­jekt­woche. Wir mach­ten eine Rund­füh­rung durch das schöne Dorf­mu­seum „Muzeul Națio­nal al Satului Dimi­trie Gusti.“ Das Haupt­ziel des Museums ist es, die reiche und viel­fäl­tige Kul­tur des rumä­ni­schen Land­le­bens dar­zu­stel­len. Es um­fasst mehr als 200 Bau­ern­häu­ser, Scheu­nen, Kir­chen und an­dere Ge­bäude aus ver­schie­de­nen Re­gio­nen Rumä­niens. Diese Ge­bäude wur­den sorg­fältig demon­tiert und im Museums­ge­lände wie­der auf­ge­baut, um die authen­tische Atmo­sphäre der länd­li­chen Ge­mein­den aus ver­schie­denen Tei­len des Lan­des wie­der­her­zu­stellen.
Haus mit Strohdach
Dorfmuseum in Bukarest
Am Nachmittag steuerten wir den Flug­hafen Buka­rests an. Auf dem Weg zum Flug­hafen machten wir einen Stopp am Bahn­hof, denn von dort aus fuhr der Rest der ukra­ini­schen Gruppe zu­rück in ihre Hei­mat. Mit warmen Worten und vielen Um­ar­mun­gen ver­ab­schie­de­ten wir uns von­ei­nan­der.
Es war schön zu sehen, wie wir uns inner­halb so kur­zer Zeit ins Herz ge­schlos­sen ha­ben und ob­wohl wir un­ter­schied­liche Na­tio­na­li­tä­ten ha­ben, eine an­dere Sprache spre­chen und an­dere kul­tu­relle Tra­di­tio­nen wah­ren, wir eine große Familie auf un­serer Erde sind, die zu­sam­men­halten muss. Das hat uns die­ses Pro­jekt offen­bart und be­weist, wie wich­tig solch ein in­ter­kul­tu­rel­ler Aus­tausch, vor allem in Zei­ten wie diesen ist. Wir hoffen, dass wir uns alle bald wie­der­se­hen und dann ge­mein­sam den Frie­den in der Ukra­ine feiern kön­nen! Es war in jeder Hin­sicht eine wun­der­bare und mit­rei­ßende Woche, die uns ein Leben lang in Er­in­ne­rung blei­ben wird.
Wir danken dem Bessa­ra­bien­deut­schen Ver­ein, dem BKM und Dr. Heinke Fabri­tius für die Er­mög­li­chung dieses Pro­jekts!
Schülergruppe mit Ukraineflagge
Verabschiedung der ukrainischen Schüler in Bukarest
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