Längst vergangene und aktuelle Bahnerlebnisse in den Wäldern Rumäniens
von Bertram Frenzel
In mehreren europäischen Ländern fand in ausgedehnten und unzugänglichen Waldgebieten der Holzabtransport teilweise mit forstwirtschaftlichen Eisenbahnen statt. Beispielsweise im Bayerischen Wald waren bis 1960 Waldeisenbahnen im Betrieb. Zeitweise hatten dort die beiden nicht miteinander verbundenen Waldbahnen Spiegelau und Zwieselau ein Streckennetz mit einer Gesamtlänge von mehr als 100 km. In anderen Regionen wurden diese Transportmittel erst wesentlich später durch Forststraßen und Lastkraftwagen ersetzt.
Nachdem Ende 1982 in der Slowakei die Holzbeförderung auf der Waldbahn Čierny Balog endete, kamen nur noch in Rumänien Dampflokomotiven regelmäßig vor Waldbahnzügen zum Einsatz. Auf den von den Forstverwaltungen in der ehemaligen Sowjetunion (Russland und Ukraine), Polen und Ungarn betriebenen Schmalspurbahnen fuhren in den 1980er Jahren schon Dieselloks.
Für die Freunde der Dampftraktion waren früher die rumänischen Waldbahnen ein ausgesprochen lohnendes Reiseziel. Anfang der 1990er Jahre gab es noch etwa 15 aktive Waldbahnen. Allerdings standen die meisten davon kurz vor der Stilllegung bzw. fuhren relativ unzuverlässig. Der Zustand der Fahrzeuge und Gleisanlagen war teilweise sehr schlecht und es gab häufig Entgleisungen oder andere Ausfälle.
Bereits 1991 besuchten wir die Bahnen in Moldovița, Râșca (bei Fălticeni) und Vișeu de Sus. Diese Strecken konnten gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden und es gab werktags täglich Zugbetrieb. Der Betriebsablauf war bei sämtlichen Bahnen ähnlich. Überwiegend hatten die Waldbahnen ihren Ausgangspunkt in einem großen Sägewerk. Von dort fuhren am Morgen die mit Dampflokomotiven bespannten Leerzüge zu den Holzladestellen und kehrten beladen mitunter erst am Abend wieder zurück. Zusätzlich waren auf den längeren Bahnen oft mehrere Draisinen unterwegs. Neben Holz wurden auch Waldarbeiter, Lebensmittel, Forsttraktoren, Vieh und Tierfutter befördert.
Mich faszinierte es, in den Karpatenwäldern die schwer arbeitenden Dampfloks vor den bergwärts fahrenden Zügen zu erleben. Das Zugpersonal war gegenüber Eisenbahnfreunden in der Regel ausgesprochen gastfreundlich und hilfsbereit. Mir wurde immer gestattet, auf den Waldbahnzügen im Dienstwagen oder auf der Lokomotive mitzufahren.
Im Juni 1992 hatte ich nach Beendigung meiner Lehre kurzfristig 14 Tage frei und wollte ein zweites Mal nach Rumänien fahren. Leider konnte ich spontan keine weiteren Mitreisenden finden. Es sollten vorzugsweise abgelegene Waldbahnen besucht werden, die nicht oder nur eingeschränkt mit Bahn oder Bus erreichbar waren. Aus diesem Grund führte ich ein altes Fahrrad, an dem zuvor alle nicht zwingend notwendigen Bauteile entfernt wurden, mit. So konnte ich es schnell auseinander bauen und selbst in überfüllten Verkehrsmitteln relativ problemlos mitnehmen.
Da es damals in entlegenen Gebieten kaum touristische Übernachtungsmöglichkeiten gab, gehörte zu meiner Ausrüstung auch eine Plastikplane und ein Schlafsack. Aus Gewichtsgründen verzichtete ich auf ein Zelt sowie auf eine Isomatte bzw. Luftmatratze.
Von dieser spannenden Reise möchte ich nun berichten. Zur Orientierung standen mir lediglich eine Autokarte von Gesamtrumänien sowie die Informationen aus dem Buch »Dampf und Wälder, 1000 km auf den Waldbahnen Rumäniens« (Rudolf Reichel und Hans Hufnagel 1990) zur Verfügung. Alles Weitere in den mir bis dahin völlig unbekannten Gebieten konnte ich immer erst vor Ort in Erfahrung bringen. Die Hinfahrt erfolgte über Arad.
Im Güterbahnhof Arad konnte ich die Normalspurdampflok 50.351 im Rangierdienst beobachten.
Danach ging es mit dem Zug weiter nach Orăștie. Schon Anfang der 1980er Jahre wurde dort die letzte Waldbahnstrecke aufgegeben. Trotzdem war das dreischienige Gleisnetz im Sägewerk erhalten geblieben und den Rangierdienst erledigten unverändert Waldbahndampfloks. Die Schmalspurmaschinen hatten asymmetrisch angebrachte Pufferbohlen mit Schraubenkupplungen und konnten so mit Regelspurgüterwagen gekuppelt werden.
Mein Besuch fand allerdings an einem Samstag statt und auf dem gesamten Areal herrschte Wochenendruhe. Die 764.375 als einzige betriebsbereite Maschine stand kalt im Fahrzeugdepot. An der 764.414 wurde unter freiem Himmel eine Hauptuntersuchung durchgeführt.
Im Waldbahndepot Orăștie standen 764.375 sowie die teilzerlegte 764.414.
Am folgenden Tag besuchte ich Sibiu und unternahm mit dem Fahrrad eine Rundfahrt durch das historische Stadtzentrum. Außerdem konnte ich auf den recht umfangreichen Bahnanlagen mehrere abgestellte Regel- und Schmalspurdampfloks entdecken.
Am Montag früh kam ich dann mit dem Zug in Rastolița an. Das einst weit verzweigte Waldbahnnetz war zum größten Teil durch Forststraßen ersetzt worden. Lediglich ein kurzes Reststück sollte in Betrieb sein. Entlang einer ehemaligen Waldbahntrasse fuhr ich mit dem Fahrrad nach Norden bis zu dem früheren Abzweigbahnhof Secu. Ursprünglich teilte sich hier die Strecke in drei verschiedene Richtungen. Lediglich die nach Nordwesten führende Strecke existierte noch und die Gleise machten einen benutzten Eindruck. Etwas abseits der Holztransportwagen stand die Dampflok 764.437. Mir wurde mitgeteilt, dass wahrscheinlich am nächsten Tag ein Zug fahren soll.
Im ehemaligen Abzweigbahnhof Secu wurde 764.437 für gelegentliche Einsätze bereitgehalten.
Daraufhin bin ich mit dem Fahrrad zurück nach Rastolița und anschließend weiter mit dem Zug nach Toplița gefahren. Hier hatte die Industrieschmalspurbahn nach Borsec ihren Ausgangspunkt. Die als Rangierlok verwendete 764.406R stand zwar unter Dampf, jedoch fanden an dem Nachmittag keine Zugbewegungen mehr statt. Mit der bereitstehenden Diesellok L45H-049 sollte erst am folgenden Tag nach Borsec gefahren werden. Damals wurde das in Borsec abgefüllte Mineralwasser mit der Schmalspurbahn nach Toplița transportiert und in gedeckte Normalspurgüterwagen umgeladen.
Mit der Diesellok L45H-049 sind die Züge zwischen Toplița und Borsec bespannt worden.
Am späten Abend war ich schließlich wieder in Rastolița zurück und konnte dort mein zurückgelassenes Fahrrad nicht mehr finden. Ich hatte es nur mit einem sehr einfachen Fahrradschloss gesichert und war davon ausgegangen, dass niemand für dieses Gefährt eine Verwendung hat. Ich wollte zwar das Fahrrad nicht wieder mit nach Hause nehmen, aber der Verlust zu diesem Zeitpunkt schmerzte schon etwas.
Die folgende Nacht musste ich zwangsläufig am Bahnhof Rastolița verbringen. Ein trockenes Nachtlager war schnell gefunden. Auf einem Nebengleis standen ausgemusterte gedeckte Güterwagen und in einem davon übernachtete ich. Am zeitigen Morgen fuhr ich dann per Anhalter mit einem Lkw wieder nach Secu.
Leider war die 764.437 nicht angeheizt worden. Immerhin konnte ich den Lokführer ausfindig machen. Er versicherte mir, dass definitiv am nächsten Tag gefahren wird. Ich entschied mich daraufhin spontan für eine Bergtour ins nahegelegene Călimani-Gebirge. Die Wanderung führte entlang der Waldbahnstrecke, dann weiter auf den Hauptkamm und über das weiter östlich gelegene Paralleltal zurück Richtung Secu. Die Nacht konnte ich recht komfortabel in einer leerstehenden Schäferhütte verbringen.
Blick zum Călimani......und nach einer schönen Wanderung wurde später der Gebirgskamm erreicht.
Am Mittwochmorgen bot sich in Secu folgendes Bild: die Dampflok war zwar am Vortag mit Brennholz beladen worden, aber unter Dampf stand sie trotzdem nicht. Ferner waren alle Drehschemel verschwunden. Am Gleis konnten frische Reifenspuren festgestellt werden. Also wurden folglich die Wagen mit einem Forsttraktor zu den Beladestellen geschleppt. Ich hatte jetzt keine Hoffnung mehr, dass hier in den nächsten Tagen ein Waldbahnzug mit Dampflok verkehren wird. Also ging es per Anhalter zurück nach Rastolița und weiter mit dem Zug über Deda nach Reghin. Ausgehend von Reghin existierte eine Waldbahn in Richtung Osten mit mehreren Zweiglinien. Die Strecke im Haupttal war bereits in den 1970er Jahren eingestellt worden, aber zwei Stichbahnen wurden weiter genutzt.
Ursprünglich hatte ich geplant, mit dem Fahrrad dorthin zu gelangen. Glücklicherweise standen am Bahnhof Reghin einige Taxis und so erreichte ich recht schnell das Waldbahndepot in Fâncel. Wenig später kehrte 764.474 vom Streckeneinsatz zurück. Mit den Eisenbahnern kam ich schnell ins Gespräch. Ich hatte mir inzwischen die rumänische Sprache etwas angeeignet und konnte mich auf einem einfachen Niveau gut verständigen. Für die vielfach sehr abgeschieden lebende Landbevölkerung brachten Besucher aus dem Ausland oft etwas Abwechslung in den meist sehr beschwerlichen Arbeitsalltag. Ich wurde gleich gefragt, ob ich Interesse hätte, am nächsten Morgen mit dem Zug in die Berge zu fahren. Später wurde mir außerdem angeboten, im Dienstgebäude der Waldbahn zu übernachten.
Der folgende Tag war ein voller Erfolg. Bei sonnigem Wetter konnte ich mit dem Waldbahnzug die 14 km lange Linie bis zum Endpunkt befahren. Von der Eisenbahn und ihrem Personal entstanden mehrere schöne Fotos. Die Lok war sehr gepflegt und in einem technisch guten Zustand. Allerdings funktionierte die Sandstreueinrichtung nicht mehr. Jedes Mal, wenn die Maschine anfing zu schleudern, musste der Zugführer vorauslaufen und von Hand Sand auf die Schienen streuen. Am oberen Ende der Bahn hatte leider schon der Streckenabbau begonnen. Bereits ein Jahr später gab es diese Waldbahn nicht mehr und auf der Bahntrasse war eine Forststraße angelegt worden.
Da bei der 764.474 die Sandstreueinrichtung nicht funktionierte, musste das Zugpersonal vorauslaufen und das Sandstreuen von Hand übernehmen.Pause am Streckenendpunkt der Waldbahn Fâncel.
Nachdem ich mich am Nachmittag von dem netten Zugpersonal verabschiedet hatte, wanderte ich im Haupttal weiter bis Lapușna, dem Ausgangspunkt der anderen Waldeisenbahn. Die Nacht konnte ich dort in einer einfachen Holzhütte bei Forstarbeitern verbringen.
Am nächsten Tag fuhr ich in Lapușna ebenfalls mit der Waldbahn. Die 1994 eingestellte Strecke war 10 km lang und hatte eine äußerst bescheidene Ausstattung. Im Bahnhof Lapușna gab es lediglich zwei Gleise und eine Weiche. Die mit Holz beladenen Wagen rollten grundsätzlich allein mit Gravitationskraft in das Entladegleis. Die Dampflok 764.367 wurde bei Dienstende stets in das parallel dazu verlaufende Abstellgleis gefahren. Ein Lokschuppen existierte nicht und Fahrzeugreparaturen fanden grundsätzlich im Freien statt.
Da es Freitag war, verkehrte nachmittags ein Bus der Forstverwaltung von Lapușna nach Reghin. Viele der hier beschäftigten Forstarbeiter und Waldeisenbahner konnten nur das Wochenende in ihren Heimatorten verbringen. Die Busfahrt endete am Sägewerk und das letzte Stück zum Bahnhof Reghin musste ich zu Fuß zurücklegen.
Ausgangspunkt der Waldbahn Lapușna mit 764.367.
Für das Wochenende hatte ich eine Wanderung in den Südkarpaten geplant. Ich fuhr in einem Nachtpersonenzug von Reghin über Deda und Ciceu (heute: Siculeni) nach Brașov und anschließend von dort gleich weiter nach Predeal. Danach ging es zu Fuß auf den Omu (2507 m), dem höchsten Berg des Bucegi-Gebirges. Ich übernachtete in der Berghütte direkt am Gipfel.
Unterwegs im Bucegi.Nach einem langen Aufstieg bin ich endlich am Omu angekommen.
Am Sonntag erfolgte der Abstieg nach Bușteni und danach eine lange Bahnfahrt über Ploiești und Bacău nach Roznov. Bei meiner Ankunft in Roznov gegen Mitternacht warteten am Bahnhof keine Taxis. So musste ich in der zweiten Nachthälfte ins 20 km entfernte Tazlău laufen. Besonders unangenehm war, dass mich in den Dörfern meistens mehrere laut bellende Hunde verfolgten. Tazlău erreichte ich noch vor Sonnenaufgang und konnte so etwa zwei Stunden auf einer Wiese am Ortseingang schlafen.
Als ich gegen 7 Uhr den Ausgangsbahnhof der 15 km langen Waldbahn aufsuchte, wurden gerade die unter Dampf stehende 764.411R und der als Zusatztender genutzte Dienstwagen mit Brennholz beladen. Danach wurde der Zug zusammengestellt und schließlich musste die Lok ein weiteres Mal Wasser nehmen. Auch zahlreiche Waldarbeiter mit Gepäck und Lebensmittelvorräten für die kommende Arbeitswoche bestiegen den Zug.
Hinter dem Ort Tazlău führten die Gleise zunächst über Wiesen und später in einem engen Flusstal stetig bergan. Die Hauptattraktion der Bahn war ein schätzungsweise 10 m hoher und 20 m langer Holzviadukt. Wie auf vielen Waldbahnen üblich, bediente auch hier der Lokführer nur während der Zugfahrt die Maschine. Wenn unterwegs rangiert wurde, musste der Heizer die Lok fahren und der Lokführer nutzte die Zeit zur Erholung oder zum Essen und Trinken.
Auch auf der Waldbahn Tazlău wurde nicht täglich gefahren. Aber die 764.411R war angeheizt ...... und brachte später Leerwagen und zahlreiche Forstarbeiter zu den Ladestellen.
1995 wurde die Waldbahn Tazlău stillgelegt. Ursprünglich hatte es sich um ein ausgedehntes Waldbahnnetz gehandelt, dass in Roznov den Betriebsmittelpunkt hatte. Die letzte von Roznov ausgehende Linie war 1991 bei einem schweren Hochwasser zerstört und danach nicht wieder instandgesetzt worden.
Anscheinend hatte im Sägewerk Roznov noch einige Zeit innerbetrieblicher Bahntransport stattgefunden. Als ich am Nachmittag mit dem Bus aus Tazlău dorthin zurückkehrte, waren die Schienenköpfe der vom Waldbahndepot zum Sägewerk führenden Verbindungsbahn erst kürzlich blank gefahren worden. Das verwendete Triebfahrzeug stand aber vermutlich bereits wieder im Lokschuppen. Zum damaligen Zeitpunkt waren möglicherweise die Loks 764.486 und 764.404R noch betriebsfähig.
In der Nacht darauf fuhr ich mit dem Zug über Ciceu und Sfântu Gheorghe nach Covasna. In meiner Jugend konnte ich problemlos mehrere Tage hintereinander mit sehr wenig Schlaf auskommen. Auf einer Fahrt in den früher oft hoffnungslos überfüllten Nachtzügen konnte man sich schlecht ausruhen. Den Halt in Covasna hätte ich beinahe verpasst, denn in dem ab Sfântu Gheorghe nur gering besetzten Personenzug schlief ich noch einmal tief ein. Aber als ich in Covasna nach dem Aussteigen Dampflokgeräusche hörte, war ich schlagartig wieder hellwach. Schon kurz darauf konnte ich die beiden regelspurigen Werkbahndampfloks 131.059 und N3-404 in Augenschein nehmen. Vor dem Lokschuppen der Waldbahn wurde zeitgleich 764.001 für den bevorstehenden Einsatz vorbereitet.
In Covasna wurde auf den Regelspurgleisen des Sägewerkes N3-404 als Rangierlok eingesetzt.764.001 abfahrbereit im Sägewerk Covasna.
Am Vormittag beförderte 764.001 ein Zugpaar ins 7 km entfernte Siclău. Auch hier gestatteten mir die freundlichen Waldeisenbahner eine Mitfahrt im Mannschaftswagen. In Siclău wurde der Höhenunterschied zu der weiter in Richtung Comandău führenden Strecke mit Standseilbahn (Spurweite: 1445 mm) überwunden. Die Standseilbahnwagen hatten Platz für ein mit Holz beladenes Drehschemelpaar bzw. drei einzelne leere Drehschemel. Es dauerte mindestens zwei Stunden, bis die Wagen eines kompletten Zuges die Standseilbahn passiert hatten.
Da die Fracht ins Tal musste, benötigte die Anlage keinen Antrieb. Der beladene Wagen zog den leeren Wagen nach oben und die Umlenkrolle an der Bergstation hatte lediglich eine Bremseinrichtung. Den Verschub an beiden Enden der Standseilbahn erledigten Pferde. Die vierbeinigen Rangierhelfer waren wesentlich kostengünstiger als die Verwendung von Maschinenkraft. Dadurch konnten die Waldbahnloks sofort mit bereits fertig gebildeten Zügen die Rückfahrt antreten.
Auf dem Bild ist das Rangierpferd mit einem beladenen Wagen auf der kurzen Fahrt von der Talstation der Seilbahn zum Bahnhof Siclău zu sehen.
Am Nachmittag bediente 764.001 ein an der Strecke Richtung Siclău gelegenes Sägewerk. Selbstverständlich wollte ich auch die von Comandău ausgehenden Linien besuchen. Durch Zufall hatte ich mitbekommen, dass am Abend ein Bus dorthin fahren soll. Zur geplanten Abfahrtszeit konnte ich an der zentralen Haltestelle in Covasna den entsprechenden Bus erst einmal nicht finden. Etwas später tauchte ein ROMAN-Lkw mit einem Spezialaufbau auf. Als in das Fahrzeug einige der anwesenden Personen stiegen, wurde mir klar, dass es sich um den Lokalbus nach Comandău handeln muss. Wahrscheinlich kam das Fahrzeug direkt von der Post, denn es wurden auch Postsäcke und Stückgut transportiert. Während der Fahrt wurde mir schnell klar, warum auf dieser Linie der umgebaute Lkw verkehrte. Die in die Berge führende Schotterstraße war in einem extrem schlechten Zustand und ein normaler Bus konnte unmöglich verwendet werden.
In Comandău suchte ich sofort den Bahnhof der Waldeisenbahn auf. Neben der Verbindung zur Standseilbahn wurde nur noch die Linie ins etwa 19 km entfernte Manicica betrieben. Die nach Süden verlaufende Strecke war erst kurz zuvor demontiert worden. Am Stationsgebäude waren an einer schwarzen Tafel die Abfahrtszeiten der Waldbahnzüge und Draisinen für den Folgetag angeschrieben. Zu meiner Freude sollte früh ein Dampfzug nach Manicica verkehren. Im Sommer 1992 wurden nämlich auf dieser Linie relativ selten Holztransporte durchgeführt.
Danach versuchte ich eine Herberge für die folgenden Tage zu finden. Heute gibt es in dem Waldarbeiterort mehrere Pensionen bzw. Gästehäuser, aber damals hatte der Tourismus in dieser Region nur eine sehr geringe Bedeutung. Etwas außerhalb konnte ich in einer Waldarbeiterunterkunft schließlich problemlos nächtigen. Es wohnten dort unter der Woche zwölf aus Lopătari stammende Forstarbeiter. Von Dienstag bis Donnerstag mussten täglich mindestens zehn Stunden hart im Wald gearbeitet werden, da montags und freitags wegen der langen An- und Abreise die Arbeitstage entsprechend kürzer waren. Zum Feierabend wurde dann gemeinsam nahrhafte Mămăligă (Maisbrei) gegessen und als »Nachtisch« gab es Țuică. Die Waldarbeiter waren abends sehr müde und legten sich schon vor Sonnenuntergang schlafen.
In dieser Waldarbeiterunterkunft bei Comandău übernachtete ich.
Die Waldbahnfahrt am nächsten Tag nach Manicica und zurück dauerte insgesamt sieben Stunden. Auf dem Rückweg musste der Zug vor dem Holom-Pass (1 200 m) geteilt werden. Wegen der starken Steigung konnte eine Reșița-Lok nur maximal fünf beladene Wagen auf die Passhöhe schleppen. Während meines Besuches war 764.455 in Betrieb und kalt im Lokschuppen standen 764.379 und 764.405R.
764.455 auf dem Weg nach Manicica am Gleisdreieck Benedec ...... und etwas später beim Wasserhalt an der Abzweigstelle Dealu Negru.Auf der Waldbahn Comandău kamen auch Draisinen zum Einsatz.
Am Donnerstag bespannte dann 764.455 zwei Zugpaare zur Standseilbahn. Die Züge auf der 10 km langen Strecke transportierten nur zum Teil Stammholz. Das im Sägewerk in Comandău zu Brettern verarbeitete Holz wurde ebenso mit der Waldbahn nach Covasna abgefahren. Letztmalig hat es 1999 regulären Betrieb auf der Waldbahn gegeben. Seit 2019 verkehren auch keine Touristenzüge mehr.
764.455 in Comandău bei der Bereitstellung eines Zuges mit Schnitt- und Stammholz zur Standseilbahn.Die Strecke von Comandău zur Bergstation der Standseilbahn überwindet auf etwa 1 100 m den Hauptkamm des Karpatenbogens.
Auf der Rückfahrt nach Covasna konnte ich die Waldbahn nutzen. Von Comandău fuhr ich mit dem Zug zur Bergstation und gelangte anschließend mit der Standseilbahn bequem hinunter ins Tal. Mit einem Stadtbus erreichte ich den Bahnhof Covasna und danach folgte eine Nachtzugfahrt nach Reghin. Von dort setzte ich meine Reise in einem Taxi nach Câmpu Cetății fort.
Als ich am Waldbahndepot ankam, stand 764.467 angeheizt vor dem Lokschuppen. Der Heizer sagte mir, dass bald (was speziell bei den Waldbahnen ein sehr dehnbarer Begriff war) mit der Zugabfahrt zu rechnen ist. Zu dieser Zeit wurde nur noch die 8 km lange Strecke nach Osten bedient. Das 5 km lange Verbindungsgleis zur Staatsbahnschmalspurbahn existierte zwar noch, wurde aber nicht mehr genutzt. Über dieses Gleis verkehrten früher CFR-Schmalspurgüterwagen mit Holz im Durchlauf vom Waldbahnbahnhof Câmpu Cetătii bis Târgu Mureș.
Einige Zeit später erhielt ich die Information, dass kein Lokführer zum Dienst erschienen sei und erst am Montag wieder gefahren werden solle. Erfreut über das vorzeitige Wochenende fuhr der Heizer die Maschine sofort zurück in den Lokschuppen. Wenig später schlenderte er zufrieden vermutlich in die nächste Bar, um zusammen mit den Kollegen den einen oder anderen Țuică zu trinken. Für mich war die Situation etwas bedauerlich, aber bei den kleinen Waldbahnbetrieben musste immer damit gerechnet werden, dass die nächste Zugfahrt in einem oder erst in zwei Tagen erfolgt. Bis zum Montag konnte ich definitiv nicht warten, denn da wollte ich bei meinem neuen Arbeitgeber unbedingt pünktlich erscheinen.
Ich folgte dem Verbindungsgleis zum Haltepunkt an der Staatsbahnschmalspurbahn. Dort musste ich mich bis zum Nachmittag gedulden, denn von Sovata nach Târgu Mureș verkehrte nur einmal täglich ein Personenzug. Die Heimreise führte über Războieni, Cluj-Napoca, Oradea, weiter durch Ungarn und die damalige ČSFR. Auf der Waldbahn von Câmpu Cetății fand mit Unterbrechungen bis 1997 Betrieb statt und in den folgenden Jahren hatte ich sogar zweimal die Gelegenheit, einen Zug auf der Strecke zu erleben. Auch konnte ich später noch die Waldeisenbahnen Margina, Scutaru (bei Onești) und Tismana in Betrieb erleben.
Auszug aus dem immer noch HIER bestellbaren »Themenheft Rumänien II« (Fern-Express IV/2022) mit ausführlichen Informationen über:
Bahnbetrieb und Fahrzeugpark der rumänischen Eisenbahnen
Doch jetzt ein Blick in die Gegenwart. Heute sind die erhalten gebliebenen Waldbahnen in erster Linie Touristenattraktionen. In Moldovița wurde die Strecke wieder bis nach Argel verlängert und es verkehren regelmäßig Touristenzüge mit Dampflok. Darüber hinaus ist die ehemalige Normalspurbahn Richtung Vama bis Vatra Moldoviței auf Schmalspur umgebaut worden. Dort haben die Fahrgäste Gelegenheit, das zum UNESCO-Welterbe zählende Kloster zu besichtigen. Nähere Informationen dazu HIER.
Die Touristenzüge zwischen Moldovița und Vatra Moldoviței fahren planmäßig mit Dieseltraktion.
Erst seit Ende 2024 fahren bei Sereca auf einem kurzen wieder aufgebauten Abschnitt der ehemaligen Waldbahn Orăștie Nostalgiezüge. Nur auf der Waldbahn Vișeu de Sus (»Wassertalbahn«) findet neben dem Touristenverkehr (Informationen dazu HIER) zusätzlich Holzbeförderung statt.
Von dem früher verzweigten Waldbahnnetz ist nur noch die durch das Vasertal führende Hauptlinie in Betrieb. Der mittlere Teil des Tales ist auf einer Distanz von etwa 15 km eine felsige Schlucht und stellt für den Straßenbau eine natürliche Barriere dar. Allerdings existiert vom Bergbauort Băile Borșa eine Straßenverbindung ins obere Vasertal, über die inzwischen ein Großteil des geschlagenen Holzes abtransportiert wird.
Im Mai 2025 verbrachte ich einige Tage in Borșa auf einem Campingplatz. Ich hatte mir ein Mountainbike geliehen, mit dem ich auch das obere Vasertal erkunden wollte. Der genaue Verlauf der Forststraßen war mir leider nicht bekannt. In Băile Borșa fragte ich nach dem Weg, aber die Auskünfte waren widersprüchlich. Letztendlich fuhr ich auf einer relativ guten Betonplattenstraße bergwärts und konnte schnell an Höhe gewinnen. Allerdings endete die Straße auf 1 350 m an einem stillgelegten Bergwerk.
In Băile Borșa erkundigte ich mich nach dem Weg ins Vasertal.Über diese Betonplattenstraße radelte ich bergwärts.Hier an diesen ehemaligen Schachtanlagen endete die immer schlechter werdende Straße.Vielleicht möchte jemand in Rumänien investieren und dieses Gebäude in ein Berghotel umbauen?
Danach folgte ich einem steilen Wanderweg (rote Markierung). Das Fahrrad musste ich jetzt schieben und zunehmend behinderte auch Schnee mein Vorwärtskommen. An der Passhöhe auf ungefähr 1 600 m stand eine kleine Schutzhütte (Refugiul Montan Lucaciasa). Ein Stück westlich lag der Berg Toroiaga (1 927 m). Es war hier oben völlig einsam und absolut still. Nur ziemlich frische Bärenspuren waren im Schnee zu erkennen. Anscheinend handelte es sich um ein Muttertier mit einem Jungen. Interessant war, dass das Jungtier exakt in der Spur des großen Bären gelaufen ist.
Der nun folgende Weg war für Radfahrer nur eingeschränkt nutzbar.In dem Fußabdruck eines großen Braunbären befindet sich ein weiterer Abdruck von einem kleinen Bären.Bei dem markanten Berg in der linken Bildhälfte handelt es sich um den 1 927 m hohen Toroiaga.Eine eindrucksvolle Szenerie auf 1 600 m: Auf dem dunklem Gebirgskamm links hinter dem Refugiul Montan Lucaciasa verläuft die rumänisch-ukrainische Grenze.Trotz Wegweiser war es wegen der geschlossenen Schneedecke nicht ganz leicht den Weg zu finden.
Wegen der geschlossenen Schneedecke war der Abstieg ins Vasertal nicht leicht zu finden. Auf der Talfahrt musste ich an einigen besonders steilen Stellen vom Fahrrad steigen und schieben. Unterwegs befanden sich mehrere leerstehende Gebäude und ehemalige Schachtanlagen. Auch in diesem Gebiet hat früher einmal Bergbau stattgefunden. An der Ladestelle Măcârlău (km 36,6; der heutige Ausgangspunkt der Waldbahn in Vișeu de Sus befindet sich am Streckenkilometer 3,2) erreichte ich schließlich das Vasertal und somit auch die Waldbahn.
Ein Blick zurück: Von dem schneebedeckten Gebirgskamm bin ich talwärts geradelt, gerade habe ich die früher dem Bergbau dienenden Gebäude passiert und bis zum Vaserfluss ist es nun nicht mehr weit.
Ich folgte jetzt dem parallel zum Fluss Vaser verlaufenden Forstweg talaufwärts. Mehrfach wurde der Fluss gequert. An den Furten war die Strömung nicht sehr stark und mit dem Mountainbike konnten diese problemlos – nur bis zum Knöchel wurden die Füße nass – passiert werden. Bei Hochwasser ist die Situation für Fußgänger und Radfahrer natürlich ganz anders.
Bald hatte ich die Abzweigstelle Gura Ștevioarei (km 37,5/km 0,0) erreicht, wo die letzte noch existierende Zweiglinie ihren Ausgangspunkt hat. Ich fuhr mit dem Fahrrad teilweise zwischen den Schienen bis zu dem sehr idyllisch gelegenen Endpunkt Ștevioara (km 3,0). Allerdings waren die Gleise schon länger nicht mehr benutzt worden und möglicherweise wird der Zugverkehr nicht wieder aufgenommen.
Übrigens bin ich in diesem Seitental von einer Streife der rumänischen Grenzpolizei angehalten und kontrolliert worden. Bis zur rumänisch-ukrainischen Grenze sind es nur wenige Kilometer und anscheinend flüchten viele ukrainische Männer – die im Alter zwischen 23 und 60 Jahren offiziell nur mit einer Sondergenehmigung das Land verlassen dürfen – hier über die Berge. Diese Route ist zwar gefährlich (unwegsames Gelände mit häufigem Wetterwechsel und schwieriger Orientierung), aber in Bergregionen wird vermutlich die Grenze von den ukrainischen Behörden weniger stark bewacht als in deutlich besser erschlossenen Gebieten.
Ob jemals ein Zug wieder den Bahnhof Ștevioara erreichen wird?
Anschließend erkundete ich das Vasertal weiter flussaufwärts. Bis Valea Babei (km 38,3) waren die Waldbahngleise noch intakt. Auf dem Abschnitt bis Coman (km 43,5) lagen viele umgestürzte Bäume, aber mit vertretbarem Aufwand könnte die Strecke wieder befahrbar gemacht werden. Die schon vor vielen Jahren aufgegebene Verbindung von Coman nach Izvorul Bouli (km 46,3) ist ebenfalls vorhanden, aber die Gleise wurden durch Forsttraktoren und Hochwasser irreparabel beschädigt.
Viele Jahre war der Bahnhof Coman der Endpunkt der Waldbahn Vișeu de Sus.Die Strecke oberhalb von Coman wurde durch Hochwasser ... ... und Forsttraktoren zerstört.
Der Ausgangspunkt der Forststraße Richtung Băile Borșa konnte schnell gefunden werden. Diese zwischen Valea Babei und Coman bei Ivășcoaia (km 41,0) von der Talstraße abzweigende Verbindung nutzte ich auf dem Rückweg. Der Abschnitt bis zu dem 1 400 m hohen Passübergang war erst zuvor saniert worden und gut fahrbar. Die Talfahrt erfolgte über einen engen und teilweise schlammigen Waldweg. Für mich war es sehr angenehm, endlich einmal bequem ohne Kraftanstrengung bergab zu rollen. Für die Fahrer der schweren, mit Holz beladenen Lkw ist diese Passage eine echte Herausforderung. Nach vielen Serpentinen erreichte ich den Fluss Tâșla. Durch dieses Tal fuhr ich über Băile Borșa zurück nach Borșa.
Diesen 1 400 m hohen Pass musste ich auf der Rückfahrt vom Vasertal nach Borșa überwinden.
In der folgenden Woche verbrachte ich zusammen mit Freunden einige Tage in Vișeu de Sus. Da die regulären Touristenzüge nur bis Paltin (km 21,6) verkehren, charterten wir uns eine Draisine, um weiter hinauf ins Vasertal zu gelangen. Eigentlich sollte die Fahrt bis Valea Babei (km 38,3) gehen, aber wegen eines Murenabganges mussten wir leider ein Stück unterhalb von der Abzweigstelle Gura Ștevioarei (km 37,5/km 0,0) wenden. Auf der Rückfahrt besichtigten wir den Soldatenfriedhof bei Miraj sowie die Kapelle der Heiligen Elisabeth in Faina.
Abfahrt in Vișeu de Sus.
Fotohalt an einem der drei zwischen Bardău und Botizu gelegenen Tunnel.Draisinenparade in Mărcârlău.Der gepflegte Soldatenfriedhof bei Miraj.
Pause in Faina.Kapelle der Heiligen Elisabeth in Faina.
An diesem Tag war auch ein dem Holztransport dienender Produktionszug (rumänisch: Tren de producție) auf der Strecke. Dieser bediente die Ladestelle Șuliguli (km 29,3) und fuhr zum Rangieren und Umsetzen weiter bis Faina (km 31,2). Auf der Rückfahrt überholte unsere Draisine in Cozia den deutlich langsamer talwärts rollenden Zug. Ein Teil der Gruppe stieg in den Dienstwagen des Produktionszuges um und kehrte mit diesem nach Vișeu de Sus zurück. Im Gegensatz zu früher fahren kaum noch Forstarbeiter in den unregelmäßig verkehrenden Produktionszügen mit. Für den Arbeitsweg werden heute hauptsächlich Draisinen verwendet. Nur an manchen Tagen erreichen die Produktionszüge die Ladestellen Lostun (km 33,5) und Miraj (km 35,6). Die Zugförderung übernehmen seit etlichen Jahren grundsätzlich Dieselloks. Lediglich die Touristenzüge fahren mit Dampftraktion.
Voraussichtlich in der Ausgabe 2/2026 der Zeitschrift LOK Report (erhältlich im Bahnhofsbuchhandel oder bestellbar beim Verlag) wird über den Betrieb sowie den Fahrzeugpark von sämtlichen rumänischen Schmalspurbahnen – neben Waldbahnen auch Industrie- und sonstige Touristenschmalspurbahnen – ausführlich berichtet. Näheres dazu HIER.
Unterwegs im Dienstwagen des Produktionszuges.
Der mit 87-0033 bespannte Produktionszug wurde bei Faina aufgenommen.Nur die Touristenzüge auf der Waldbahn Vișeu de Sus werden mit Dampflokomotiven bespannt. Hier sind 764.408, 764.211, 764.457 und 764.480 vor dem Lokschuppen zu sehen.