Momentaufnahme aus dem Alltag der Musikerin Tincuţa Mezei aus Siebenbürgen
Text + Fotos: Grit Friedrich
Über Jahrhunderte war traditionelle Musik in Rumänien fest in Männerhänden, mit wenigen Ausnahmen. Vor 10 Jahren traf ich eine Romamusikerin, die Bratsche und Geige spielt. Szászcsávás ist ein überwiegend von Ungarn bewohntes Dorf im Herzen Siebenbürgens im Kreis Mureș. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließen sich Romamusiker in diesem relativ wohlhabenden Dorf nieder. Es gab mehrere Bands in Szászcsávás, aber die Formationen von István Jámbor „Dumnezeu“, Sándor Csányi, „Cilika“, Ferenc Mezei „Csángáló“ und Matyi Mezei wurden auch international bekannt. Über den Geiger Csángáló wurde auch ein Film gedreht (Divine Hand – 2019). Csángálós Tochter, Tincuţa Mezei, führt die Tradition fort.
Tincuţa Mezei:„Ich wurde hier im Dorf geboren, mit sechs Jahren habe ich angefangen Geige zu lernen, es hat mir gefallen und ich wollte es auch. Es gab damals keine anderen Mädchen außer mir im Dorf, die ein Instrument gelernt haben. Doch in meiner Familie sind alle Musiker, Tänzer oder Sänger. Mit der Musik komme ich herum, treffe aber nur selten Frauen in anderen Kapellen. Es gefällt den Leuten, dass ich als einzige Frau zum bekannten Szászcsávás Orchester gehöre.“
Tincuţa Mezei spielt auf dem Hof einer ungarischen Familie bei einem Fest. Wie ihr Mann, ihre Söhne und Enkel singt die Hausherrin Emma Vass im evangelischen Kirchenchor des Dorfes. Dieser Chor war einst der Grund, warum sich in Szászcsávás, rumänisch heisst das Dorf Ceuaș, (auch Grubendorf) einst Romamusiker angesiedelt haben, denn die Lieder werden dort virtuos mehrstimmig gesungen. Seit Jahrzehnten kommen Gäste aus dem Ausland, für diese Lieder, aber auch wegen ihrer Familienband, erzählt Tincuţa Mezei.
Tincuţa Mezei:„Wir freuen uns darüber, denn wir wissen, dass die Leute, die uns besuchen kommen, unsere Musik lieben. Sie kommen wegen uns von sehr weit her und wir spielen für sie. Wir machen es so, dass sie tanzen und sich wohlfühlen. Genau so muss es auch sein. Es gab auch Leute, die gefragt haben, wie es mir geht, was und wie ich spiele. Und denen, die Rumänisch oder Ungarisch können, habe ich all das erklärt.“
In Siebenbürgen treffen verschiedene bäuerliche Kulturen aufeinander. Hier lebten über Jahrhunderte Deutsche, Ungarn, Rumänen und Roma in den Dörfern nebeneinander, doch die instrumentale Musik wurde und wird überwiegend von Romamusikerinnen und Musikern weitergetragen, die sich dabei mühelos zwischen den verschiedenen Kulturen und Sprache bewegen, von einer maygar nota zu einem lokalen rumänischen Tanz.
Tincuţa Mezei:„Da machen wir keinen Unterschied, wir spielen alles liebevoll und mit Seele. Wenn einer von den Männern etwas angetrunken ist, wird auch mal ein trauriges oder sehnsuchtsvolles Lied gespielt. Und wenn ich die rumänischen Drehtänze Învârtite höre, bekomme ich eine solche Sehnsucht. Sie gefallen mir und man kann mir das auch ansehen.“
Fast alle Roma wohnen in Szászcsávás im Mahala genannten Viertel auf einem Hügel. Die Straße dorthin versinkt zwischen Oktober und April im Schlamm, es gab 2017 noch keine Kanalisation.Tincuţa Mezei lebte damals mit ihrer Familie in einem kleinen Haus am Dorfrand. Kaufen konnte sie es nur, weil sie jedes Jahr als Erntehelferin arbeitet.
Tincuţa Mezei:„Ich würde gern ausschließlich Musik machen, aber leider kann man in Rumänien nicht mehr von traditioneller Musik leben. Wenn ich keine Konzerte oder Tourneen habe, arbeite ich im Ausland in der Landwirtschaft. Auch hier im Dorf habe ich Boden, mein Vater besitzt Land, das wir bearbeiten, auch das macht mir Spaß. Im Ausland arbeite ich in Slowenien, Spanien oder Deutschland. Doch mehr als ein, zwei oder maximal drei Monate möchte ich nicht aus meinem Dorf weg sein. Ich könnte nicht für immer weggehen.“
Tincuţa Mezei singt zum Abschied für die Gastgeber ein ungarisches Liebeslied. Beim Spielen unter freiem Himmel stehen die Bratschenspielerin und die anderen fünf Musiker dicht beieinander um jeden Melodie- oder Tempowechsel mitzubekommen. Szászcsávás ist bis heute ein magischer Name in der traditionellen ungarischen Musik. Von hier kamen exzellente Streicher wie István Jámbor, genannt „Dumnezeu“, von ihm hat Tincuţa Mezei sich viel abgeschaut. Und ihre Kinder und Enkel lernen auch Instrumente. Um lokale Tänze und Techniken zu lernen, kommen immer wieder junge Geiger ins Dorf. Dort leben sie auch bei der Familie von Tincuţa Mezei, die sich so etwas dazuverdienen kann, denn Einladungen zu Familienfesten werden immer seltener und Konzerte gibt es meist nur in Ungarn.
Szászcsávás zenekar mit Tincuţa Mezei spielt und tanzt Csárdás és szökő (Szászcsávás):
Ungarischer Film über die Generation von Tincuţa Mezeis Vater mit Musik: