Von der Adventszeit in den 1940er Jahren Damals begann die hl. Messe in der Adventszeit schon um 7 Uhr. Da mussten wir Ministranten sehr früh aufstehen. Zum Waschen nahmen wir Wasser in den Mund, ließen es in die Hände rinnen, machten uns das Gesicht nass und trockneten uns am Handtuch, welches am Haken hinter der Tür hing, nahmen unsere Schultasche und das Pausenbrot und schon waren wir weg.
Auf dem Weg in die Kirche stapften wir durch den tiefen Schnee. Damals schneite es viel und der Schnee war noch nicht geräumt. In der Kirche war es kalt, nur in der Sakristei war ein kleiner Blechofen der geheizt wurde. Wein und Wasser blieben in der Sakristei bis man es brauchte, denn sie wären eingefroren.
In der Mitte der Kirche hing ein Adventskranz mit vier Kerzen. Jede Woche wurde eine mehr angezündet. Am letzten Sonntag vor Weihnachten war schon die letzte Kerze dran.
Zu Weihnachten herrschte in allen Häusern Festtagsstimmung. Am Heiligen Abend brachte das Christkind einen Christbaum, der mit Nüssen, Äpfeln und Franzelzucker geschmückt war. Auch kleine Geschenke brachte das Christkind. Da mussten die Kinder beten und kleine Gedichte aufsagen. Oft brachte das Christkind auch Ruten.
Über die Weihnachtsfeiertage wurde besonders gut gekocht und feiner Kuchen gebacken. In der Kirche in Altsanktanna war es zu meiner Kindheit besonders feierlich. Da sang der gemischte Chor mit Musikbegleitung und es musizierten gute einheimische Musiker und auch Berufsmusiker aus Arad und Temeswar. Im Jahre 1953 spielte ich auch mit der Bassgeige mit und dann zelebrierte unser Kirchenchor die heilige Messe auch in Temeswar in der Mehala.
Josef Merle mit seinen Eltern und seiner Schwester
Damals war ich das erste Mal in Temeswar, konnte aber nicht viel von der Stadt sehen, da alle Fenster der Straßenbahn zugefroren waren. Nach der hl. Messe gab es ein gutes Essen im Festsaal.
Am Heilig Abend durften wir Kinder aufbleiben und in die Christmette gehen. Die Christmette und das Hochamt zu Weihnachten dauerten fast zwei Stunden. An diesen Tagen waren fast alle Ministranten in Ministrantenkleidung und durften den Gottesdienst mitgestalten. Am zweiten Weihnachtstag kamen viele Gläubige aus Neusanktanna nach Altsanktanna (Komlosch), denn in Neusanktanna wurde das Hochamt am zweiten Weihnachtstag in Ungarisch abgehalten. Dann waren wir auch schon am Jahresende angekommen. Zu Silvester gab es die Danksagung in der Kirche.
Wir gingen gerne in die Kirche denn dann hörten wir, wieviele Kinder geboren wurden, wieviele Menschen gestorben sind und wieviele geheiratet haben. Nach der Volkszählung von 1941 gab es in Neusanktanna 5855 Deutsche und in Altsanktanna 2425 Deutsche. Ende 2020 lebten in Sanktanna noch 265 Deutsche, davon 207 in Neusanktanna und 58 in Altsanktanna.
Am Silvesterabend fand auch der Silvesterball statt und die Jugend strömte in Scharen zum Tanz. Um Mitternacht ging das Licht für einen Moment aus, dann spielte die Musik das Neujahrslied und alle sangen mit. Dann wünschte man sich gegenseitig alles Gute und Gesundheit für das neue Jahr.
Im Herbst 1944 brachte man jeden Abend russische Soldaten in die Häuser der Leute. Diesen Soldaten musste man Essen und ein Bett zum Schlafen geben. Am Morgen sind sie wieder weg und am Abend kamen andere.
Bevor sie etwas gegessen haben, musste die Mutter oder die Großmutter etwas von dem Essen probieren, um die Soldaten zu überzeugen, dass es nicht vergiftet war.
Gegen Weihnachten hörte man im Ort, dass den Deutschen etwas ganz Großes bevorsteht, doch was, wusste man nicht. Mitte Januar ging der Trommler mit der Botschaft um, dass niemand das Dorf verlassen darf und alle Leute sollen daheim in ihren Häusern bleiben. Meine Schwester hatte Bauchtyphus, was sehr ansteckend war. Und so schlief ich bei meinen Großeltern.
Als ich dann am Sonntag, den 14. Januar 1945 nach Hause ging, sah ich eine große Menschenmenge umringt von einigen Soldaten mit aufgestockten Bajonetten. Als ich dort ankam sah ich zwischen den weinenden Menschen auch meine Mutter, die gerade auf mich zulaufen wollte. Sie wurde jedoch mit den Gewehrkolben zurückgestoßen. Dann kam auch schon meine Großmutter über den Weg und sagte, sie sollen sie anstelle meiner Mutter mitnehmen und die Mutter bei ihrem kranken Kind lassen. Auch meine Großmutter wurde zurückgestoßen und die Gruppe zog von Haus zu Haus weiter.
Im Dorf wurde nur noch geweint und gejammert. Man nahm die Männer von 17 bis 45 Jahren und die Frauen von 18 bis 30 Jahre. Es war eine grausame Zeit, man riss die Mütter von ihren Kindern weg. Verschont wurden nur Schwangere und Mütter mit Kindern unter einem Jahr. Oft blieben nur die Großeltern mit ihren Enkelkindern zurück. Es blieb nur Elend und Verzweiflung für die deutsche Bevölkerung. In diesen Tagen blieb kein Auge trocken. Ab diesem Zeitpunkt blieb ich ohne Vater und Mutter. Mein Vater ist 1941 gefallen im Krieg.
Es gab nach dieser Verschleppung einige Großeltern, die bis zu 10 Kinder versorgen mussten. Viele der Verschleppten aus unseren Reihen waren bis zu 5 Jahren in russischen Lagern gefangen und unter schwierigsten Bedingungen festgehalten. Viele sind auch dort verhungert und elendig zu Grunde gegangen. Diese Zeit gehört für viele Banater Schwaben zu der größten Katastrophe und Leidensgeschichte ihres Lebens.
Am 12. Juli 1948 haben wir meine Mutter am Bahnhof in Sanktanna unter Freudentränen in die Arme geschlossen. Endlich hatten wir wieder eine Mutter.
Josef Merle mit seiner Mutter und seiner Schwester