Mit dem Tandem in Rumänien


von Karin Göpfert

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Um es vorneweg zu nehmen, wir reden hier von Dingen, die uns im All­tag be­glei­ten oder uns auch ge­hören, näm­lich Hunde und Fahr­räder. Nun lässt sich die Er­fah­run­gen mit die­sen zwei Dingen nicht vom länd­li­chen Raum Süd­west­sach­sens auf eine Fahrt durch Rumä­nien über­tra­gen, aber wenn man so was noch nie ge­macht hat, kann man sich das nicht vor­stellen. Außer­dem gibt es in meiner Familie den Aus­spruch „geht nicht“ ein­fach nicht.
Wie oft habe ich schon gehört: „Ihr seid ja ver­rückt …“. Selbst beim Treffen der Rumä­nien­freunde gab es bei diesem Thema zwei­felnde Blicke. Die Reisen­den sind meine Schwester Monika und mein Schwa­ger Harald. Beide sind keine Spitzen­sportler und die Ge­lenke sind, sagen wir mal, alters­ent­spre­chend bis bissl drüber hi­naus. (Moni, ent­schuldige, aber es ist die Wahr­heit.)
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Bei dem Fahrrad handelt es sich um ein E-Bike als Tan­dem, die Hunde sind zu­fällig mit von der Partie. Ge­plant war, dass wir uns in Poiana Marului treffen und sie mit dem Fahr­rad per Zug an­reisen, irgend­wo aus­steigen und be­quem mit dem Bike zu uns rollern. Im Vor­feld wurden Straßen­karten und Zug­fahr­pläne ge­wälzt.
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Die Einreise nach Rumänien er­folgte mit dem Zug am 16.7.23, von Prag ging es über Buda­pest-Keleti bis nach Ora­dea. Eigent­lich sollte die Reise per Zug weiter Rich­tung Bra­șov gehen, aber in Cluj-Na­poca meinte ein Schaffner, das gehe so nicht mit diesem Tan­dem. Es wurde dis­ku­tiert, aber zum Schluss musste meine Schwester aus dem Zug aus­stei­gen. Also ging es per Rad auf Neben­straßen Rich­tung Ludus. Sie be­finden sich also grob zwischen Turda und Targu Mures. Als App für unter­wegs eignet sich her­vor­ragend mapy.cz. Lei­der hatten sie Moun­tain­bi­king ein­ge­geben und wun­derten sich, warum es äußerst holprig über Wie­sen und große Uneben­heiten ging. Nichts mit lau­schigen Mini-Sträßchen durch ge­die­gene Dörfer. Häufig kamen sie auf Feld­wegen am Orts­aus­gang raus, und immer um­ringt von ver­störten, kläf­fenden und ihr Revier ver­tei­di­genden Hunden im An­griffs­modus. Monika musste ihr Pfeffer­spray ein­setzen, armer Hund, hoffent­lich ist die Seh- und Riech­kraft nicht ge­stört.
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Die Fahrt führt weiter Richtung Sighi­soara. Am Fluss Tarnava Mare schlag­en sie ihr Zelt auf. Hier in der Gegend wird Wein an­gebaut.
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Und nun geht es los. Ohrenbe­täubend!! Wetter­schießen, Wetter­läuten, Hagel­ka­nonen, Rake­ten. Man denkt, der Krieg ist aus­ge­brochen und ist jetzt zwischen die Front­linien ge­raten. Was soll das? Die Wein­bauern wollten ihre Ernte vor großen Schäden be­schützen und führten eine „Wolken­imp­fung“ durch. Kurt Werth be­schreibt das in seinem Buch „Die Geschichte der Hagel­ab­wehr“ als skur­rile Praxis.
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Zitternd und verstört nach einer schlaf­losen Nacht ab in die Stadt. Sighi­soara und Um­ge­bung lässt sich her­vor­ra­gend mit dem Rad er­kun­den. Ge­schichte und Kul­tur, Herz, was will man mehr. Die Fahrt geht durchs Sie­ben­bür­ge­ner Land nach Faga­ras.
Die Burg ist ein Hin­gucker, der Markt lässt keine Wünsche offen. Über Sinca Veche geht es nach Poiana Marului.
Mann allein auf einem Tandem fahrend
Das Bike stellen wir im Ort bei einem Freund unter, auf dem Berg nutzt es niemanden und wir bekommen es auch nicht hinauf.
Mann schaut mit einem Fernglas in die Bergwelt
In den folgenden Tagen machten wir Aus­flüge, natür­lich war meine Schwester durch Reise­führer auf einige Sachen neu­gierig. So fuhren wir zum Balea Lac an einem Sonntag. Ich konnte ihr die An­reise mit dem Fahr­rad ausreden, da halb Rumä­nien auch diese Idee hatte.
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Paar vor Bergpanorama
Bergsee mit Schneeresten
Garten mit Burg auf einem Berg im Hintergrund
Wir unternahmen eine Rundreise, begleitet von heftigsten Unwettern, die uns von Fagarasch nördlich nach Sachez führte. Hier gibt es ein Cafe mit einem zauberhaften Garten.
Ladesäule hinter einem Bauerngehöft
Und was finden wir – eine Ladesäule.
Kirchenburg
Weiter geht’s! Archita empfängt uns mit dunklen Wolken. Wir sind die einzigen Touristen.
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Der Weg führt uns nach Corund, be­rühmt für seine Töpfer­waren.
Menschen bei der Gymnastik in einer Salzmine
In Praid besuchten wir natürlich die Salzmine.
Berglandschaft
Über Gheorgheni fuhren wir ins Muntii Hasmas.
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Hier ist eine der kältesten Gegen­den Rumä­niens. Nachts hatten wir Tem­pe­ra­turen um den Ge­frier­punkt.
Menschen sitzt am Essenstisch auf einer Wiese neben einem Zelt
Aufgrund der ständigen Unwetterlage mussten wir auch mal eine Pension nehmen, aber das Zelten ließen wir uns, wo es ging, nicht nehmen.
Bär auf einer Wiese
Der Weg wird immer schöner. Wir fahren durch die Harghita. Auf dem Heimweg in der Nähe von Crizbav trafen wir ihn, den Bär. Wir hielten gebührend Abstand und staunten.
Essenstisch
In Codlea im Restaurant Arte fürstlichst gegessen.
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Gebirgslandschaft
Unsere kleine Rundreise neigt sich dem Ende zu, wir sind wieder zu Hause in Poiana Marului.
Paar vor Gebirgslandschaft
Meine Schwester tritt die Heimreise an, im wahrsten Sinne des Wortes, es wird in die Pedale getreten.
Tandem an einem Baum gelehnt
Das ist das Gefährt
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Mann auf einer Bank sitzend
Mein Schwager bereitet sich mental auf die Rückreise vor
Frau packt Fahrradtasche auf einer Bamk
Moni hat zu tun...
Fahrräder
Alles Aufsitzen
Tandem fährt auf einer Straße
Start
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Radrennen
Ich fahre mit Ronny nach Zarnesti, schnell noch ein paar Besorgungen machen und was findet dort statt - ein Radrennen. Verrückt.
Die Rückreise war für meine Schwester und meinen Schwager nicht ein­fach, aber mach­bar. Wie ge­sagt, geht nicht gibt’s nicht und geht Plan A nicht nehmen wir den Rest vom Alphabet.
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Über Harseni, Recea und Victoria am Fuße des Faga­ras ent­lang rollern sie Rich­tung Carti­soara, um den Olt zu über­queren. Be­glei­tet wird das mit Schlamm, Regen und Angst vor löchrigen Hänge­brücken.
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Im Ort Daja entdecken sie die Pen­sion „Flander­hof“ und schlafen im Wach­turm. Das Ziel ist Sibiu. Es ge­staltet sich als schwierig, eine Fahr­rad­karte für den Zug nach Un­garn zu kau­fen, auch eine deutsch spre­chende Kun­din kam hel­fend beim Über­setzen dazu, leider gab es kein Fahr­rad-Billett. Irgend­wie zu viele ver­schiedene An­bieter. Also ein­fach rein in den Zug, wird schon irgend­wie werden. Mut wird be­lohnt. Und es ging.
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In Oradea ging der Zug nicht weiter, da zu diesem Zeit­punkt die Schienen repa­riert wur­den. Da hilft nur ein kleiner Zelt­platz. Nun wird ge­müt­lich über die Grenze gera­delt. Das Per­sonal öffnet extra eine Fahr­rad­spur, mit dem Fahr­rad also, soso, Sachen gibt's. In Bihar­ke­resz­tes ge­lan­gen sie wieder in einen Zug, der nach Buda­pest Keleti fährt. Weiter geht es nach Wien. Nach Salz­burg ge­langen sie aber nicht, sie werden mit dem Mons­trum nicht mit­ge­nommen. Macht nichts, fahren sie eben nach Tsche­chien. Auch von Bud­weis nach Cheb lässt es sich wun­der­bar radeln.
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So, liebe Monika. Berichte in einer Minute, was dir zu dieser Reise ge­rade in den Kopf kommt.
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Hm, was macht man, wenn man zwanzig Tage Zeit hat?
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An- und Abreisen, die Familie (mich) treffen, ge­mein­same Aus­flüge machen, Land und Leute kennen­lernen, Fahrrad fahren mit dem Ehe­mann, zelten, Bären­be­geg­nun­gen ver­mei­den, Essen kochen, Pen­sion suchen, Gewit­ter­zellen ab­war­ten, Kir­chen­bur­gen an­schauen, den Körper aus­ruhen, Gelenke pflegen, Fahr­rad repa­rieren, von allem mal kosten, auf Märkte gehen, wan­dern, im Magazin ein­kau­fen, Kleidung waschen, im Fluss baden gehen … .
Das kennt vielleicht jeder, man hat tausend Ideen und die Zeit ist so kurz, aber man will alles mit­nehmen.
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Ja, liebe Moni und lieber Harald, wie habt Ihr das ge­macht?
Antwort sinngemäß: Man muss offen für Neues sein, weg­gehen von vor­ge­fer­tigten Mei­nungen und Klischees über andere Men­schen, auch die eigene Skepsis ge­gen­über Frem­den und Neuen über­winden, sonst hat man keine Über­ra­schungen.
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Und hier noch eine kleine Frage an die Leser: In welche Stadt führt dieser Fahr­rad­weg? Hin­weis sind die zwei Türme in der Ferne …
Radweg
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