Es ist der 3. Juni 2024. Bert und ich befinden sich auf Gleis 1 des Dresdener Hauptbahnhofs und wollen wieder mal nach Rumänien fahren. Diesmal führt unsere Reise in die Hașmașer Berge, auch Munții Hașmaș genannt. Um 22:08 Uhr soll es nach Budapest gehen. Der Zug kommt mit einigen Minuten Verspätung an. Wir steigen in unseren Liegewagen und erreichen am nächsten Morgen ausgeschlafen Budapest.
Zum Abend ist die Weiterfahrt nach Rumänien von Budapest-Keleti geplant. Und zwar um 17:40 mit einem weiteren Liegewagen, dem IC 407 Korona nach Brașov. Wir haben vor in Miercurea Ciuc/Szeklerburg auszusteigen. So ist der Plan. Also hatten wir viel Zeit, uns in Budapest umzusehen und nicht wegen der Anschlüsse unter Druck zu geraten. Das haben wir alles schon erlebt oder aus Berichten anderer Rumänienfreunde erfahren. Es verläuft alles nach Plan. Unsere Abfahrt in Budapest-Keleti ist pünktlich und auch die Fahrt in der Nacht durch Ungarn und Rumänien verläuft entspannt. In Miercurea Ciuc sind wir am nächsten Morgen.
Im Bahnhofsbuffet wird erst mal ein warmer Kaffee getrunken. Nachdem wir in der Stadt Geld umgetauscht haben, geht es mit dem Bus weiter in die Bergarbeitersiedlung Balan. Am Eingang des Ortes gibt es eine Pension. Diese steuern wir an. Als wir im Zentrum des Ortes essen gehen, merken wir schnell, dass wir uns in einer Gegend mit einer vorwiegend ungarischen Bevölkerung befinden, denn es wird kaum rumänisch gesprochen. Natürlich kann ich mich hier trotzdem auch bequem auf rumänisch verständigen. Ich versuche unsere Ankunft in der Cabana Piatra Singuratica telefonisch anzukündigen, aber ich erreiche niemanden. Später ruft die Hüttenwirtin zurück und so melde ich uns schon mal für den nächsten Tag an. Sie fragt, ob sie für uns etwas zum Essen zubereiten soll. Na, aber sicher.
Weil wir eine mehrtägige Tour in den Bergen planen, kaufen wir im dortigen Profi-Markt erst mal verpflegungstechnisches Material, z. B. Slanina, Cârnați, Kekse, Schokoriegel, also alles was energiereich und vor allem haltbar ist. Tee und Suppen haben wir mit. Der Aufstieg ist in der Karte von der Kirche in Balan über blaues Band zur Cabana Piatra Singuratica mit 2:15 Stunden angegeben. Die Hüttenwirtin sprach aber am Telefon von 2:30 Stunden.
Na, mit Gepäck wird es wohl etwas länger dauern, aber das sind wir ja gewohnt. Diesmal ist es kein Gebirge mit Schneefeldern, wie wir es im letzten Jahr ausgiebig genießen durften. Der Anstieg ist auch nicht sehr schwierig und trotz Gepäck und tragbarer Vollpension immer noch sehr gemütlich. Das letzte Stück zur Cabana wird es etwas steiler und es geht über eine schöne Gebirgswiese. 13 Uhr sind wir oben und beziehen auch gleich unser Zimmer. Wir stellen unser Gepäck ab und erkunden erst mal die nähere Umgebung.
In der Nähe befindet sich eine kleine Kapelle an einem Ort mit wundervoller Aussicht über die wirklich traumhaft schöne Landschaft. Es hat sich voll gelohnt diesen Ort aufzusuchen. Aufmerksam geworden sind wir auf diesen schönen Ort durch Karpatenwillis Bericht "Auf den Spuren der Tschangos" sowie durch Erzählungen von Michael Horn, einem Rumänienfreund, der leider schon gestorben ist. Nun sind wir selbst auf deren Spuren unterwegs.
Am Abend beobachten wir einen traumhaften Sonnenuntergang und später gibt es dann ungarische Gulaschsuppe für uns.
Der nächste Tag beginnt mit wunderschönem Wetter. Unser Plan für heute ist ein Aufstieg auf die Felsengruppe "Piatra Singuratică", auch bekannt als die "Einsamen Felsen". Zur Sicherheit nehmen wir unsere Helme mit, man kann ja nie wissen. Wir passieren einen Durchstieg und kommen so auf die Rückseite der Felswand. Nach einiger Kletterei erreichen wir einen seilgesicherten Klettersteig. Er ist leicht zu beklettern und so stehen wir nach 15 Minuten oben auf dem mittleren Felsen. Von hier oben bietet sich ein traumhafter Blick zu den benachbarten Bergen "Moara Dracilor" und "Hașmașul Mare". Den letzteren der beiden wollen wir morgen erreichen. In der Ferne ist auch das Massiv des Ceahlau-Gebirges zu sehen.
Der Abstieg ist schnell geschafft, man muss nur immer wissen wo man den Fuß hinsetzt. Am Nachmittag sammeln wir in der Umgebung totes Holz für ein abendliches Lagerfeuer. Inzwischen sind noch andere rumänische Wanderer angekommen. Mit ihnen sitzen wir dann gemeinsam am Lagerfeuer. Sie bieten uns Afinate, eine Art Blaubeerlikör an. Der schmeckt wirklich gut.
Es ist Sonnabend, der 8. Juni und das erste Urlaubswochenende ist angebrochen. Heute beginnt eine weitere Etappe unserer Wanderung. Unser Ziel ist die Schutzhütte auf der Poiana albă, der weißen Alm. Unterwegs wollen wir auch den höchsten Gipfel des Hașmașgebirges angehen, den Hașmașul Mare. Nach dem Frühstück starten wir mit unseren Rucksäcken auf dem roten Band. Es geht durch eine wunderschöne Landschaft, die aus Wiesen durchzogen von Wald besteht. In der Ferne sehen wir eine Stâna mit Kühen. Etwa um die Mittagszeit erreichen wir den Abzweig zum Hașmașul Mare. Der Weg geht nun auf dem rotem Punkt weiter, es ist eine Gehzeit von 30 Minuten angegeben. Nach mehr als einer halben Stunde erreichen wir den Gipfel und treffen dort auf drei Wanderer aus der Ukraine, die sich auf russisch unterhalten.
Auch ein gemeinsames Gipfelfoto ist drin, also ein Friedensgipfel. Wahrscheinlich der einzig Wahre. Vom Gipfel ist auch der Ceahlau zu sehen und die markante Poiana albă, unser Tagesziel. Da es Sonnabend ist, kommen uns auf dem Weg dorthin einge Tageswanderer aus Lacu Roșu entgegen.
Wir gehen immer weiter nach Norden. Bald sehen wir das rote Band nicht mehr. Wegweiser gibt es auch nicht mehr. In der Ferne sind Hirten zu sehen. Bis dahin wollen wir aber nicht gehen. So schaue ich in die GPS-basierte Alpenvereinsapp. Funkempfang leider Fehlanzeige. Sie zeigt mir aber unsere Position. So kann die Wanderkarte im Gepäck bleiben. In unserer Umgebung wird die Hütte "Mendekhegy" angezeigt. Nur dass kann unser Ziel sein. Also um 90 Grad nach links und so erreichen wir schnell wieder den Wanderweg mit dem Roten Band und bald auch die Hütte. Der ungarische Begriff "Refugiu montan" steht auch auf dem Schild vor der Hütte in rumänisch und ungarisch.
Eine Wandergruppe kommt aus Richtung Hășmașul Mare. Sofort fangen die Hunde an zu bellen. Schnell stelle ich mich zwischen die Wanderer und die Hunde und rufe laut "Gata!!!". Das rufen die Hirten, wenn sie ihre übereifrigen Hunde von den Wanderern zurück halten. Sofort reagieren die Hunde und sind still. Eine junge Frau fragt mich, ob das meine Hunde sind. Ich verneine es und sage, dass ich auch nur ein Tourist bin. Sie schaut ungläubig, aber freut sich, dass die Hunde still sind. Ich bin wohl als Viehhirte akzeptiert worden.
Bald taucht auch der diensthabende Hirte auf. Wir zählen zwölf Hunde. Inzwischen ist die Herde in Richtung der Stallungen weitergezogen. Einer der Hunde kommt noch mal zurück und möchte von mir gestreichelt werden. So was erlebt man nicht alle Tage. Wenn man Karpatenwillis Hundeknigge liest, dann weiß man, dass es auch solche Begegnungen geben kann, sobald man von den Hunden akzeptiert wird.
Wir bereiten unser Abendbrot zu und kochen Tee. Sobald es dunkel ist, gehen wir auch nicht mehr vor die Tür. In der Nacht schlagen die Hunde unweit von uns bei der Stâna an. Dazu laute Rufe von den Hirten. Wahrscheinlich ist es wieder eine Wandergruppe? Aber nachts um zwei Uhr? Diesmal ist der Lärm auch heftiger, den wir aus der Ferne mitbekommen. Wer weiß, was da los ist. …
Im Juni wird es zeitig hell, sodass wir wieder vor die Tür gehen können. Heute wollen wir Lacul Roșu erreichen. Das sind drei Stunden Gehzeit auf dem blauen Band.
Unmittelbar nach dem Frühstück brechen wir auf und folgen dem blauen Band. Wieder finden wir keine Markierung auf der Wiese. Der ausgetretene Weg führt uns durch das eingezäunte Weidegebiet. Wie in Österreich ist es wichtig ist, das man das Tor wieder zumacht. Am Ende der Lichtung beginnt der Forstweg und wir finden das blaue Band wieder. Nun geht es nur noch bergab. Bald kommen die ersten Häuser und wir sind wieder in der Zivilisation. Gegen Mittag erreichen die Straße.
Bis Lacul Roșu ist es noch ein Stück. Am Ortseingangsschild machen wir ein Foto. Am See gibt es einige Restaurants und Terrassen, sodass wir richtig essen und trinken können.
Wir planen mehrere Tage beim Lacul Roșu zu bleiben und wollen auch die Aussichtspunkte über der Cheile Bicaz besuchen.
Danach führt uns unsere Reise weiter mit dem Bus nach Piatră Neamț und von dort mit dem Zug nach Bukarest und danach mit dem Liegewagen nach Budapest.