Peleş und Pelişor


von Aurelia L. Porter

zwei Kronen
Über Pelişor kann man nicht be­rich­ten, ohne zu­vor ein paar Worte über sei­nen gro­ßen und be­rühm­ten Bru­der Pe­leş ver­loren zu ha­ben. Denn die bei­den Schloss-Brü­der sind so was von unter­schied­lich, ob­wohl sie aus dem­sel­ben El­tern­haus stam­men und in der­sel­ben Ge­gend auf­ge­wach­sen sind - am Fu­ße des Bu­cegi-Ge­bir­ges nahe Si­naia in den Süd­kar­pa­ten. Ein Be­such bie­tet sich auf dem Weg von Bu­ka­rest nach Bra­șov (Kron­stadt) ge­rade­zu an.
zwei Schlösser
Während Peleş prunk­voll und pom­pös in Er­schei­nung tritt, ihm von jeher eine Men­ge Auf­merk­sam­keit zu­teil wur­de und er im Lau­fe seines Da­seins vie­le pro­mi­nente Gäs­te em­pfan­gen hat, winkt sein klei­ner Bru­der ein bis­schen schüch­tern um die Ecke. Da­bei hat er es ab­so­lut nicht nö­tig, sich hin­ter sei­nem gro­ßen Bru­der zu ver­ste­cken. Ganz im Ge­gen­teil! Mag er auch be­schei­dener und we­niger ge­wichtig auf­treten, da­für strahlt sein kost­bares In­nen­le­ben eine sol­che Har­mo­nie und Le­ben­dig­keit aus, dass man sich so­fort bei ihm will­kom­men fühlt.
Herz
Aber fangen wir mit dem gro­ßen Bruder an, denn er war schließ­lich zu­erst da:
Castelul Peleş
Buchumschlag
„Wo Ur­wald hohe Fel­sen krönt,
Der Berg­strom wild zu Tale dröhnt,
Und tau­send Blu­men blü­hen,
Viel süße Düfte sprü­hen,
Da liegt, dem schöns­ten Gar­ten gleich,
MEIN KÖNIG­REICH.“
Aus den „Pelesch-Märchen“ von Car­men Sylva
(Königin Eli­sa­beth von Rumä­nien)
Hrsg: Sil­via Irina Zimmer­mann
Fast jeder Rumä­nien­rei­sende wird früher oder später das Juwel der Süd­kar­paten in Si­naia zu sehen be­kom­men: Das Königs­schloss Peleş.
Schloss
Stolz und ge­diegen steht es in der male­rischen Berg­kulisse – be­nannt nach dem Ge­birgs­bach, der dort vor­bei­fließt; erbaut im 19. Jahr­hundert von Carol I., Rumä­niens erstem König.
Schloß
Die Archi­tek­tur kommt einem ir­gend­wie ver­traut vor und mu­tet so gar nicht ru­mä­nisch an: das vie­le Fach­werk um Türm­chen und Er­ker, die bun­ten Ba­rock-Male­reien an der Haus­wand … Im ers­ten Mo­ment glaubt man sich in Bay­ern statt in Ru­mä­nien.
Schlosswand
Darüber wun­dert man sich aller­dings nicht mehr, wenn man er­fährt, dass Kö­nig Ca­rol I. ei­gent­lich Karl Ei­tel Fried­rich hieß, aus dem Hau­se Hohen­zollern-Sigma­rin­gen stam­mte und seine Gat­tin Eli­sa­beth eine Prin­zes­sin vom Rhein war. Dort, in ihrer neu­en Hei­mat, schu­fen sich die bei­den ein Stück al­te Hei­mat.
Bild
Bild
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Königin
König
Ein­ge­weiht und be­zo­gen ha­ben sie das Berg­schloss 1883; bis 1914 wur­de es fort­lau­fend er­wei­tert. Es dien­te dem Königs­paar als Som­mer­resi­denz, um der Hit­ze Bu­ka­rests zu ent­kom­men.
Hitze in Bukrarest
Schnell ge­riet es zur Kul­tur­stät­te. Be­rühm­te Musi­ker und Dich­ter ga­ben sich hier ein Stell­dich­ein, denn Köni­gin Eli­sa­beth för­der­te nicht nur die schö­nen Küns­te, sie war selbst viel am Musi­zie­ren und Dich­ten. Unter ihrem Pseu­do­nym Car­men Sylva veröf­fent­lichte sie u. a. die Pe­lesch-Mär­chen, ins­pi­riert durch die wil­de Na­tur der Kar­pa­ten vor ihrer Haus­tür.
Das Pracht­stück Peleş mit seinen 160 Zim­mern kann be­sich­tigt wer­den. Aller­dings sollte man dazu früh auf­ste­hen, denn das Schloss ist ein abso­lu­ter Tou­risten-Ma­gnet. Ähn­lich wie Castel Bran, das von der Tou­rismus­bran­che als Dra­cula-Schloss be­wor­ben wird, kom­men täg­lich Bus­ladun­gen von Be­su­chern nach Peleş.
Busse
Bei unserer Besich­ti­gung haben wir Glück und schlur­fen noch vor den Men­schen­mas­sen auf Filz­pan­toffeln ganz gemüt­lich durchs Schloss – mit un­serem ei­genen Guide. Ob­wohl wir alles in Ruhe im In­neren be­stau­nen und be­gucken dür­fen, sind wir hin­ter­her wie er­schla­gen von all dem Prunk.
Das Musik­zim­mer, wo u. a. der be­rühm­te Vio­linist und Kom­ponist George Enescu ver­kehr­te, der meh­rere Ge­dichte der Köni­gin ver­tonte. Seine Vio­line ist auf Bild Nr. 3 auf dem Tisch zu sehen.
prunkvoller Raum mit Harfe
Klavier
Tisch mit Geige
Der Wand­fries und die Decke des The­ater­saals wurden von dem ös­ter­rei­chischen Ma­ler Gus­tav Klimt – wich­tigs­ter Ver­treter des Wiener Jugend­stils – be­malt. Hier fand 1906 Rumä­niens erste Kino­vor­stel­lung statt.
Kino
Theatersaal
Bühne
Sonne
Als Be­sonder­heit des Schlos­ses gel­ten die seiner­zeit tech­ni­schen Neuer­ungen, die König Carol I. ein­bauen ließ. So ver­fügte das Schloss be­reits da­mals über elek­tri­sches Licht, Zen­tral­hei­zung, Auf­züge und Tele­fon – und so­gar über ein elek­trisch zu öff­nen­des Glas­dach in der Ru­hmes­hal­le.
Halle
Halle
In keinem Herren­haus Rumä­niens – und erst recht in kei­nem Pa­last – dur­fte das or­ien­ta­lische Zim­mer feh­len, wo ur­sprüng­lich die Ge­sand­ten des Sul­tans emp­fan­gen wur­den. Hier wur­de mit den er­lauch­ten Gäs­ten tür­ki­scher Kaf­fee ge­schlürft, viel pa­lavert und Ta­bak ge­nos­sen. Ob in Schloss Pe­leş noch tra­ditio­nell die Was­ser­pfei­fen zum Ein­satz kamen, ist mir nicht be­kannt.
Sultan
reich verzierter Thronsaal
Hier zu sehen: Teile des üppig deko­rier­ten Thron­saals.
Thronsaal
verzierte Komode und Kamin
Nach all dem Prunk können sich die Sin­ne an­schlie­ßend in dem auf sie­ben Ter­ras­sen an­ge­leg­ten Schloss­gar­ten an der herr­li­chen Natur rings­um be­ru­higen.
Natur
Schloss von aussen
Figuren vor Waldlandschaft
Dort steht eine Skulp­tur, die Köni­gin Eli­sa­beth bei einer Stick­ar­beit zeigt. Mit Auf­kom­men der Tex­til­fa­bri­ken in Rumä­nien för­derte sie die rumä­nische Web- und Stick­kunst, damit die­ses Kul­tur­gut nicht ver­loren­ginge. Darum ließ sie sich gern in rumä­ni­scher Volks­tracht ab­lich­ten.
Tracht
Frau als Skulptur
Foto von Königin in Tracht
Das Foto von Kö­ni­gin Eli­sa­beth in ru­mä­ni­scher Tracht so­wie die Cover­ab­bil­dung der Pe­lesch-Mär­chen dur­fte ich mit freund­licher Ge­neh­mi­gung von Dr. Sil­via Irina Zim­mer­mann ver­wen­den – DIE Car­men-Sy­lva-Ex­pertin schlecht­hin. Auf ihrer Web­site fin­det man di­verse Ver­öf­fent­li­chungen der ers­ten Köni­gin von Rumä­nien, die un­ter ihrem Pseu­do­nym Car­men Syl­va Mär­chen, Ge­dichte, Brief­ro­mane und ei­niges mehr ge­schrie­ben hat.
www.sizimmermann.de
Bücher
Die Ein­drü­cke von Schloss Peleş blei­ben lange. So lange jeden­falls, dass wir be­schlie­ßen, es rechts liegen zu lassen, als wir das nächste Mal wieder in Si­naia sind. Statt­des­sen neh­men wir den klei­nen Bruder Pe­lişor in Augen­schein.
Castelul Pelişor
Gemälde der Königin
„Sinaia: Scharfe Höhen­luft, Tannen.
Hier ist alles Wachs­tum, Baum und Blume, kräf­tig, auf­recht, far­big.
Jeder Atem­zug ist wie ein Trunk kalten, klaren Was­sers. …“
Aus der Auto­bio­grafie „Traum und Leben einer Köni­gin“
von Köni­gin Maria von Rumä­nien.
Pflanzen und Wasser
Das Schlös­schen Pe­lişor be­findet sich etwa 300 Me­ter berg­auf­wärts von Schloss Pe­leş. Etwas ver­steckt hinter hohen Bäu­men taucht es plötz­lich vor einem auf. Die bunten durch das viele Grün blit­zenden Dach­schin­deln sind das Ers­te, was man von ihm zu se­hen be­kommt.
Schloss von aussen
So­dann steht man einem hei­me­ligen, von vie­len Gie­beln und Er­kern ge­schmück­ten und eben­falls von Fach­werk domi­nier­ten Schloss gegen­über. Die Über­ra­schung aber lauert im In­neren.
Schloß
Schloss von aussen
Krone
Frau als Skulptur
Foto von Königin in Tracht
Pelişor wurde im Auf­trag von König Carol I. für seinen Nef­fen und Thron­fol­ger König Fer­dinand I. und des­sen Gat­tin, Köni­gin Maria, um die Jahr­hun­dert­wen­de er­aut und ist so­mit das rein­ste Eldo­rado für jeden Ju­gend­stil-Lieb­ha­ber.
Gemälde der Königin
Und das Beste: Wir dür­fen uns ganz al­lein im In­neren be­wegen; kein Durch­schleu­sen, wie es in Pe­leş üb­lich ist. Was aller­dings dazu führt, dass wir fast nicht mehr hin­aus­zube­kom­men sind.
Aurelia
Be­geistert er­kun­den wir einen Raum nach dem an­deren. Schnell spü­ren wir: Hier wur­de nicht nur re­prä­sen­tiert, son­dern ge­lebt, mit der gan­zen Fa­mi­lie und mit ganz viel Kunst.
König im Sessel
Alles trägt die Hand­schrift der in Rumä­nien immer noch sehr ver­ehr­ten Köni­gin Ma­ria, die eine En­kelin Köni­gin Vic­to­rias war und in der eng­li­schen Graf­schaft Kent auf­wuchs. Da­her fin­den sich hier so­wohl rumä­ni­sche (brân­coveneske*) als auch kel­ti­sche Stil-Ele­mente.
* Der brân­cove­neske Bau­stil wur­de von Fürst Cons­tan­tin Brân­cove­nau ge­prägt – sie­he Be­richt von 2014 und 2021 im Ru­mä­nien­ad­vents­ka­lender.
Der An­blick von beidem lässt mein Herz höher schla­gen. Wie ei­nige viel­leicht wis­sen, ist mei­ne Ni­co­lae-Sa­ga eine eng­lisch-rumä­ni­sche Familien­ge­schichte, die im 19. Jahr­hun­dert und um die Jahr­hun­dert­wen­de spielt. In den kel­ti­schen und rumä­ni­schen Stil-Ele­men­ten in Pe­lişor spie­gelt sich für mich die per­fekte Sym­biose von Kel­ten und Da­kern.
Herz
Im Gol­denen Saal fällt Tages­licht in Form eines kel­ti­schen Kreu­zes durch die De­cke. Hier soll Köni­gin Ma­ria ih­ren letz­ten Atem­zug ge­tan ha­ben.
Die gol­denen Dis­teln, die sich auf dem Bild rechts un­ten um den Ofen ran­ken, sind ein Sym­bol ihrer schot­ti­schen Hei­mat. Ihr Ti­tel lau­tete: Prin­zes­sin Ma­rie Ale­xan­dra Vic­to­ria von Edin­burgh.
kunstvolle Decke
vergoldetes Zimmer
goldener Tisch
goldene Wand
Die Schlaf­zim­mer­möbel wurden von Köni­gin Ma­ria ent­wor­fen und von Hand­wer­kern aus der Re­gion ge­fer­tigt.
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Schlafzimmer
Marias Zim­mer ist mit Säu­len im Brân­cove­anu-Stil ver­ziert
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Klavier
Zimmer mit Sofa
Es sind Räu­me vol­ler Har­mo­nie, an de­nen wir uns gar nicht satt ge­nug se­hen kön­nen. War­me Holz­töne wer­den mit ei­nem wei­chen Lind­grün mit gol­denen Ak­zenten kom­biniert.
Bild
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Eckbank und Schrank
Die Kin­der­zim­mer hin­gegen sind nor­disch ge­prägt: licht­durch­flutet, in Blau­tönen mit wei­ßen Mö­beln.
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kunstvolles Bett
Bett hinter Vorhang
Essenstisch
Lalique-Va­sen, Tif­fany-Lam­pen, Fa­berge-Po­kale – Ju­gend­stil, wo­hin man schaut …
Bild
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kunstvolle Lampe
kunstvolle Lampe
kunstvolle Lampe
kunstvolle Lampe
Ein zauber­haf­tes Schlös­schen (bloß 70 Zim­mer!), nicht nur zum An­schau­en, son­dern zum Woh­nen und Wohl­füh­len.
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Aurelia auf der Treppe
Der Unter­schied zwi­schen dem Le­ben in Pe­leş und Pe­lişor zeigt sich am bes­ten im Ver­gleich der Speise­zim­mer. Na, wo wür­det ihr eher zu Tisch ge­be­ten wer­den wol­len?
Besteck
prunkvoller Speisessal
prunkvoller Speisesaal
Zuge­ge­ben, die bei­den Kö­nigs­schlös­ser re­prä­sen­tieren kei­nes­wegs das rumä­ni­sche Land und Le­ben, und den­noch sind sie un­wei­ger­lich mit der ru­mä­ni­schen Ge­schich­te ver­knüpft. Es war Kö­nig Carol I., der 1878 die Un­ab­hän­gig­keit Ru­mä­niens vom os­ma­ni­schen Reich an der Sei­te der Rus­sen er­kämpf­te und das Fürs­ten­tum zu ei­nem Kö­nig­reich mach­te.
Seine Gattin Eli­sa­beth be­mühte sich nach Kräf­ten, ihr klei­nes Kö­nig­reich durch un­er­müd­liche Öf­fent­lich­keits­ar­beit in West­eu­ropa be­kan­nter zu ma­chen. Die För­de­rung rumä­ni­scher Künst­ler lag ihr sehr am Her­zen, ob in den Be­rei­chen Mu­sik, Li­te­ra­tur oder Ma­le­rei. Und auch das rumä­ni­sche Kunst­hand­werk un­ter­stütz­te sie nach Kräf­ten. Poli­tisch hat­te sie zwar eine ein­deu­tige Mei­nung, aber ei­nen schwe­ren Stand an der Sei­te ihres Gat­ten Karl Ei­tel Frie­drich, mit dem sie nicht im­mer kon­form ging. Lei­der sind Kö­ni­gin Eli­sa­beths Be­mü­hun­gen um ihre rumä­ni­sche Hei­mat kaum be­kannt.
Herz
Die Jugend­stil-Schön­heit Köni­gin Ma­ria hin­ge­gen steht noch im­mer hoch im Kurs bei den Rumä­nen. Das hat nicht zu­letzt da­mit zu tun, dass sie sich – ei­ner an­deren Ge­ne­rat­ion ent­stam­mend –, als so­genan­nte „Neue Frau“ auch in Re­gie­rungs­ange­legen­heiten ein­misch­te und gro­ßen Ein­fluss auf das poli­ti­sche Ge­sche­hen wäh­rend des Ers­ten Welt­krie­ges aus­ge­übt ha­ben soll. Nach Kriegs­ende setz­te sie sich im Aus­land tat­kräf­tig für die Rech­te der Rumä­nen ein. Das al­les scheint zu ei­nem nach­hal­tig po­si­ti­ven Image bei­ge­tra­gen zu ha­ben.
Beide Frau­en ha­ben sich nach Kräf­ten, ihrer je­wei­li­gen Zeit ge­mäß, für Rumä­nien ein­ge­setzt. Und ihre bei­den Mär­chen­schlös­ser ste­hen in ei­ner der schön­sten Berg­regi­onen Rumä­niens. Schon von da­her lohnt sich ein Blick auf Pe­leş und Pelişor – und sei es nur von au­ßen.
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