6. Juni Wieder einmal wollen wir, Bert und Stefan, nach Rumänien in die Berge fahren. Unser Ziel soll das Făgăraș-Gebirge sein, welches Transsilvanien von der Walachei trennt. Unser Eurocity nach Budapest fuhr um 9:00 Uhr von Berlin ab. Die Fahrt verlief wie immer ohne Probleme, wir kamen jedoch mit 30 Minuten Verspätung in Budapest Nyugati (Westend) an. Von dort ging es vom Keleti-Bahnhof (Ost) weiter nach Rumänien. Auch hier durften wir 25 Minuten später abfahren.
Über Brașov ging es zu unserem Ausgangspunkt Arpașu de Jos. Ich hatte telefonisch eine Pension für uns reserviert. Da sie auch Gastronomie hatten, konnten wir den Anreisetag mit Palinca und gutem Essen abschließen.
8. Juni So erreichten wir ausgeruht und gesättigt Victoria und checkten dort in ein Hotel ein. Es sollte unsere letzte bessere Unterkunft werden, bevor wir ins Făgăraș einsteigen.
9. Juni Heute geht es in die Karpaten. Im Hotel konnte ich jemanden organisieren, der uns für 20 Lei bis zum Ende der asphaltierten Straße fuhr. Hier stiegen wir aus und liefen zu Fuß weiter, bis wir auf das rote Dreieck trafen. Unterwegs begegnete uns ein Geländewagen, in welchem die Chefin der Podragu-Hütte saß. Mit ihr hatte ich bereits von zu Hause aus telefoniert, um mich nach den Hütten Turnuri und Podragu zu erkundigen. Sie sprach zum Glück deutsch und teilte uns mit, dass sie gerade den Cabanier der Turnurihütte abgesetzt hatte. Die Podragu Hütte wäre noch geschlossen, jedoch würde der Anbau mit dem Winterquartier immer offen stehen. Mit diesem Wissen erreichten wir gegen 11 Uhr den Einstieg zur Cabana Turnuri.
Beim Aufstieg erinnerte ich mich an den Bericht von Christian Neff im Rumänienadventskalender 2016 und dessen Aufstieg zum Moldoveanu auf demselben Weg. Na ja, nun sind wir an der Reihe. Damals hat es die Brücken durch starke Niederschläge weggeschwemmt. Die erste Brücke war intakt, zwei Bäche mussten wir zu Fuß durchqueren. Wir fragten uns, ob hier jemals Brücken vorhanden gewesen sind? Aber wir konnten unterwegs schöne Wasserfälle bestaunen. Die Schneeschmelze in den Bergen musste gerade in vollem Gange sein.
Gegen 15 Uhr erreichten wir die Cabana Turnuri (1520 m). Im Wald zuvor haben wir tatsächlich den Hüttenwirt angetroffen und noch vor der zweiten Bachüberquerung überholt. Kurz vor der Cabana muss man den Podragu-Bach noch einmal durchlaufen. Hier empfiehlt es sich wegen der vielen Steine mit Sandalen durch das Wasser zu laufen.
Anderthalb Stunden nach unserer Ankunft erreicht auch der Hüttenwirt die Cabana und gab uns ein Zimmer. Wie die Cabana Podragu hat auch die Cabana Turnuri einen Raum, der immer geöffnet ist. Bis auf ein paar Waldarbeiter, welche die Brücke oberhalb der Cabana reparierten, waren wir die einzigen Gäste.
10. Juni Heute wollen wir über die frisch reparierte Brücke weiter zur Cabana Podragu aufsteigen. Das Wetter zeigt sich sehr durchwachsen. Bei etwa 1700 Höhenmeter verlassen wir den Wald und sehen vor uns die ersten Schneefelder. Sie werden immer größer je näher wir kommen und einige müssen wir auch überqueren. Zwei Wanderer kommen uns entgegen. Sie erzählen uns, dass sie vom Moldoveanu kommen und in der Cabana Podragu übernachtet haben. Nach etwa zweieinhalb Stunden erreichen auch wir die Podragu-Hütte (2136 m) und stellen unser Gepäck in das Winterquartier.
Hier oben ist noch reichlich Schnee vorhanden und der Lacul Podragu ist komplett mit Eis bedeckt. Aber man sieht, dass die Schneeschmelze im vollen Gange ist. Die Nacht wird recht frisch hier oben, doch es ist ein sternenklarer Himmel, wie man ihn nicht alle Tage sieht.
11. Juni Heute wollen wir zum Moldoveanu und zum Refugiul Portița Viștei. Gegen 7:30 Uhr starten wir bei schönstem Wetter hinauf zum Podragu-Sattel (2301 m). Hier endet das rote Dreieck und wir treffen auf das rote Band. Unterwegs müssen wieder Schneefelder umgangen oder überquert werden. Das geschieht mit viel Konzentration und sehr langsam. Mein gutes Schuhwerk und die Stöcke geben mir den erforderlichen Halt.
Die Moldoveanu-Gruppe mit dem nördlichen Viștea mare (2527 m) und Moldoveanul (2544 m) südlich davon haben wir die ganze Zeit während des Aufstieges im Blick. Allerdings nehmen die Schneefelder auch viel Zeit in Anspruch. Aber die Tage sind im Juni lang und wir wollen ja auch in den Bergen übernachten. Genau 15 Uhr erreichen wir den Viștea Mare. Mit einer Seehöhe von 2527 m ist er der dritthöchste Berg Rumäniens.
Plötzlich kommt die Sonne raus und es ist wunderschön mit den Wolken auf Augenhöhe zu sein. Da sich genau im Durchstieg zwischen den beiden Gipfeln Viștea Mare und Moldoveanu eine aufgetürmte Schneewand befindet, bleiben wir hier und machen Pause. Die Aussicht ist grandios und keine Wolke trübt unsere Sicht. Obwohl viele Rumänen über die Schneewand klettern, entscheiden wir uns dagegen. Außerdem kennen wir ja den Moldoveanu bereits.
Nach etwa einer dreiviertel Stunde beginnen wir mit dem Abstieg und erreichen gegen 17 Uhr Portița Viștei (2315 m). Eigentlich war geplant am nächsten Tag nach Valea Sâmbetei abzusteigen. Dort war ich schon und hab auch davon im Adventskalender 2017 berichtet.
Auf der Seite von Karpatenwilli fand ich folgenden Hinweis: „Wer hier im Rea-Tal einen An- oder Abmarsch plant, sollte auf einen langen Waldspaziergang vorbereitet sein, denn bis zum ersten kleinen Dorf Slatina sind es etwa 35 km"
Das ist von hier oben aus eine große Strecke. Aber Willi erwähnte auch in seinem Bericht das Wort „Traumziel". So beschlossen wir, dass wir am nächsten Morgen in das Tal Valea Rea absteigen wollen. Vorher sollte ich die Aufgabe der Wasserflaschen auffüllen übernehmen. Da der See Iezer Triungului als nächste Wasserstelle weit im Talkessel des Valea Rea lag, entschied ich mich dazu, den Schnee hier oben einzusammeln und daraus dann Tee zu kochen. Am nächsten Morgen würden wir reichlich Wasser beim Abstieg finden.
12. Juni
Meine Ausrüstung hat sich bei der Karpatenwanderei gut bewährt. Auf meiner aufblasbaren Isomatte habe ich wunderbar geschlafen. Wir verlassen nun den Kammweg und steigen auf dem roten Dreieck ab ins Valea Rea. Der obere Teil des Weges ist von großen Schneefeldern bedeckt, die aber immer flacher werden und vor allem weniger werden, je tiefer wir absteigen. Bald hören wir das Rauschen des obersten Wasserfalls, den wir dann auch nach einiger Zeit weiter unten einsehen können. Die Schneefelder oben speisen den Bach mit dem Schmelzwasser und die Wasserfälle sind zu dieser Jahreszeit voll.
Von oben können wir die Stână Burnei sehen. Auf unserem etwa dreistündigen Abstieg von Porta Viștei bis zur Stână kommen wir an einigen Wasserfällen vorbei. Der Weg hat sich wirklich gelohnt, die Ausblicke sind wunderschön.
Im Tal angekommen sehen wir alle 7 Wasserfälle von einem Standort aus. Es ist ein traumhafter Blick und Willis Beschreibung von einem „Traumziel“ ist voll zutreffend.
Ab hier beginnt der Forstweg. Es fängt an zu regnen. Wenn der Regen aufhören sollte, können wir auf einer der schönen Wiesen am Weg übernachten und ein schönes Lagerfeuer machen. So sind meine Gedanken und Wünsche. Aber es hört bis zum frühen Abend nicht mehr auf mit regnen. Alles ist nass.
Wir machen mehrere Pausen auf den Rastplätzen der Forstarbeiter. Aber niemand ist anwesend. Auf einmal sehen wir ein Forsthaus. Rauch steigt auf und es ist tatsächlich jemand da. Wir fragen, ob wir hier übernachten können. Andrei, ein Waldarbeiter sagt mir, dass der Förster dies entscheidet und dass dieser in einer Stunde kommen soll. Aber nach 10 Minuten sagt Andrei „Sucht euch ein Bett aus, der Chef sagt eh nichts. Geht rein, legt ein paar Holzstücke in den Kachelofen, dass ihr eure durchnässten Klamotten trocknen könnt“. Als später der Förster kommt, freut er sich über uns als Gäste und wir reden lange miteinander.
13. Juni Nachdem wir in richtigen Betten ausgeschlafen haben, bekommen wir noch Frühstück, verabschieden uns und wandern weiter. Wieder setzt Regen ein. Doch endlich fährt ein Auto in unsere Richtung und nimmt uns bis zur Bushaltestelle mit. Direkt daneben ist ein Magazin Mixt. Dort kaufen wir uns Bier und erfahren, dass 13 Uhr ein Bus nach Pitești fährt. So endet unsere Bergtour um 10:30 Uhr im Magazin in Slatina und ist sogleich die längste Bergtour, die ich je in den Karpaten unternommen habe.
Pünktlich 13 Uhr kommt der Bus und in Pitești finden wir eine gute Übernachtung und kehren abends in einem preiswerten Restaurant ein.
Ich beglückwünsche alle, die auch in diesem Jahr den höchsten Berg in den rumänischen Karpaten bestiegen haben und habe hoffentlich mit diesem Bericht zumindest den geografischen Höhepunkt des diesjährigen Adventskalender gesetzt.