Zwischen Bären und Höhlen in Rumänien im Herbst 2024
von Stefan Kossatz
Corinna und ich sind wieder einmal dem Rumänienvirus erlegen und steigen am 09.09.2024 abends in Berlin in den Euronight nach Budapest-Nyugati (Westend), wo wir am folgenden Tag mit leichter Verspätung eintreffen. Auf der Fahrt begleitet uns ein junges Paar aus Hamburg, die später weiter nach Serbien weiterreisen wollen. Wir dagegen haben bis 17:40 Uhr Zeit, um dann weiter nach Rumänien zu reisen.
Bis dahin verbringen wir die Zeit an der Donau und im Stadtwäldchen, wo sich auch das bekannte und schöne Szecheniy-Bad befindet und auch der Budapester Zoo. In einer günstigen Gaststätte in der Nähe des Ostbahnhofes (Budapest Keleti) genießen wir ungarisches Letscho-Steak und Fassbier. Um 17:40 Uhr geht es weiter nach Rumänien. Der Zug nach Brașov bestand aus älteren Wagenmaterial und erinnerte uns an frühere Zeiten, wo wir noch Rumänien-Neulinge waren. Man kann sagen, Eisenbahn, die ihrem Namen gerecht wird.
Die Nacht im Zug war eigentlich wie immer. Die Grenzkontrolle fand am Abend statt, so dass wir die Nacht ruhig schlafen konnten. An die Fahrgeräusche auf rumänischen Strecken habe ich mich inzwischen längst gewöhnt, fahre ich doch schon bald 25 Jahre mit dem Zug die Strecke Deutschland-Rumänien und will sie nicht mehr missen, denn es ist immer wieder ein neues Eisenbahn-Abenteuer. In Brașov kommen wir am 11.09. bei Regen an.
Diesmal probieren wir was Neues aus. Wir haben uns für 10 Tage ein Auto gemietet. Schnell finden wir die Mietstation und werden dort bereits erwartet. Die freundliche Angestellte Roxana erledigt mit mir die Formalitäten auf rumänisch, das kann ich besser als Englisch. Ich habe mein Navi von Zuhause mitgebracht und schnell ist unser Ziel Balea Lac im Făgărașgebirge eingegeben. Im Refugiu Tunel habe ich ein paar Tage vorher angerufen und mitgeteilt, dass wir dort schlafen wollen. Also fahren wir aus Brașov in Richtung Sibiu bis zum Kreisverkehr wo die Transfăgărășan beginnt. Unterwegs sehen wir auf einem Parkplatz eine Bärin mit ihren Jungen.
Je höher wir kommen, um so mehr behindern Wolken die Sicht. Irgendwann durchfahren wir die Wolkenschicht und uns bietet sich ein großartiger Weitblick. Aber wir sind hier nicht allein. Überall sind Buden, die Andenken und rumänische Spezialitäten verkaufen. Wir kommen uns vor wie auf dem Polenmarkt. Vor zwanzig Jahren war hier oben nicht viel los. Überlaufen ist es aber trotzdem nicht. Am Nachmittag kommen wir in Balea Lac an. Das Refugiu Tunel befindet sich am südlichen Tunnelausgang. Wir beziehen erstmal für 14 Euro pro Person Quartier für zwei Nächte. Das Frühstück kostet 8 Euro pro Person, Duschen und Innentoilette sind vorhanden. Die Schlafsäle sind mit Doppelstockbetten und Bettwäsche ausgestattet und es lässt sich hier ausgezeichnet schlafen. Hier hat mal jemand an Wanderer gedacht, aber auch an Komfort. Kein Plumpsklo im Wald und kein Waschen an einer Quelle im Wald.
Der 12. September sollte uns eigentlich auf den Kamm führen, jedoch war Waschküche, so dass man nicht mal 20 m weit sehen konnte. Für eine Wanderung im alpinen Gelände ist das viel zu gefährlich, weil man sich ganz schnell verlaufen und ein Fall für die Salvamont (Bergrettung) werden kann, denn in den Wolken verliert man schnell jegliche Orientierung und kann das Gelände gar nicht mehr einschätzen. So verbrachten wir den Tag hier oben und liefen um den Balea-See. Allerdings bekommt man fast einen Hörschaden, wenn man durch den Tunnel läuft und die Motorradfahrer an einem vorbei donnern.
Die nahe Cabana Bâlea Lac hat mit einem Wanderquartier nicht mehr viel zu tun. Es ist eher ein Berghotel mit Übernachtungskosten von 100 Euro für ein Zimmer incl. Frühstück. Trotzdem ist das Restaurant mit einheimischer Küche und Bergenbier vom Fass sehr zu empfehlen. Die Portionen sind reichlich, jedenfalls das, was wir auf den Tellern der anderen Gäste sahen.
Zum Nachmittag zeigte sich auf der südlichen Gebirgsseite die Sonne und gab den Blick auf die Berge frei.
Am 13. September fahren wir auf der südlichen Gebirgsseite talwärts. Vorher gehen wir noch mal durch den Tunnel auf die Nordseite. Diesmal ist die Sicht besser, um ein Bild vom Bâlea Lac zu machen.
In Piscul Negru verbringen wir das Wochenende. Da wir gut in der Zeit sind, fahren wir die Transfagaras-Straße talwärts bis kurz vor Lacul Vidraru, um nach Bären Ausschau zu halten. Wir werden fündig und können im Vorbeifahren ein Foto machen.
Leider kommt es hier oft zu frevelhaftem Verhalten unvernünftiger Touristen, welche die Bären füttern und sich ihnen nähern. Das sollte man in jedem Fall unterlassen, weil es definitiv nicht artgerecht und vor allem gefährlich ist. Ich gönne es jedem ein Foto zu machen, jedoch mit der nötigen Vorsicht. Also niemals aus dem Auto aus- oder vom Motorrad absteigen. Das Vorbeifahren sind die Tiere inzwischen gewöhnt. Man muss dazu sagen, dass das falsche Füttern der Tiere zu dieser "Touristen-Attraktion" geführt hat, die auch leider eine Gefahr für Wanderer und Radfahrer darstellen kann, die nicht geschützt in ihren Autos sind.
Das Wochenende in Piscul Negru ist verregnet. Trotzdem besichtigen wir das dortige orthodoxe Kloster
Dank meines geschulten Blickes entdecken wir ein altes Bergwerk. Höhle Nummer 1 auf dieser Tour.
Unser Plan sah vor, dass wir auf dem Rückweg nach Brașov über die Transalpina fahren. Jedoch die Wetterentwicklung der nächsten Tage spricht dagegen. Wir entscheiden uns daher, Podu Dâmboviței anzufahren, um über den Bran-Pass nach Brașov zu kommen.
Unterwegs erfolgt ein Stopp am Vidraru-Stausee. Da hier die ganzen Wochenendausflügler aus Bukarest sind, bleiben wir nicht lange.
So kommen wir am Sonntagnachmittag in Podu Dâmboviței an. Im Nachbarort Dâmbovicioara gibt es eine Pension und Restauration "Cerbul" mit gutem Essen. Da laufen wir hin und müssen dabei durch die wunderschöne Cheile Dâmbovicioarei gehen. Der Anblick ist großartig.
Der Montag (16.09.2024) - ein sonniger herbstlicher Tag - ist dem Titelbild des diesjährigen Rumänienadventskalenders gewidmet. Auf dem Rumänienreisetreffen am Lütschestausee in Thüringen hatten wir mit Gudrun zusammengesessen. Sie zeichnete gerade das Titelbild für den Adventskalender und wir konnten auf dem Bild eine Höhle sehen. Also kamen wir zu der Idee, dass in meinem diesjährigen Beitrag eine Höhle vorkommen sollte. Naja, ich probiere es mal.
Heute wird genau diese Höhle besucht, und zwar die Peștera Dâmbovicioara. Sie entspricht Gudruns Zeichnung doch am ehesten. Zuerst gehen wir in der Pension Cerbul frühstücken und machen uns dann zu Fuß auf den Weg zur Dâmbovicioara-Höhle. Der Eintritt kostet 15 Lei. Aber der Besuch lohnt sich sehr. Innen ist alles gut in verschiedenen Farben ausgeleuchtet. Höhle Nummer 2 geschafft.
Anschließend geht es durch die Cheile Brusturet zur gleichnamigen Cabana, die leider geschlossen war. Von hier ist es nicht mehr weit zum Piatră Craiului. Auf dem Rückweg nimmt uns jemand nach Podu Dâmboviței mit, so haben wir noch Zeit, um die nächste Höhle zu besichtigen, welche einige Kilometer zu Fuß an der Straße nach Satic liegt. Eine unscheinbare Betontreppe führt hinauf zur Peștera Urșilor oder auch Colțul surpat genannt. Also Höhle Nummer 3 auch abgehakt.
Am Dienstag, den 17.09. fahren wir über den Rucăr-Bran-Pass nach Bran und besuchen dort die Burg, die angeblich etwas mit Dracula zu tun hat. Wir müssen uns nicht anstellen und gelangen schnell in die Burg.
Schön eingerichtet sind die Zimmer und auch die Spezialeffekte, die zum Gruseln animieren sollen. Es ist alles ganz nett hier gemacht. Das ganze Schloss hat mehr das Feeling "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel", als ein schauriger Vampirgruselschocker à la Bram Stoker. Aber Dracula lässt sich eben gut vermarkten.
Am Mittwoch laufen wir noch zum Wasserfall Urlătoarea Clinceni, von dem nicht viel zu sehen ist, da er für die Wasserversorgung verbaut ist.
Am Donnerstag fahren wir nach Timișul de Jos und besuchen am folgenden Tag die Leiterschlucht. Auch hier ist das Wetter ganz toll. Wir laufen den Weg oberhalb der Schlucht zurück, weil wir spät dran sind und der Tag im September zwei Stunden kürzer ist als im Juni. Die Leiterschlucht lohnt sich auf jeden Fall. Man bezahlt 20 Lei Eintritt. Es ist hier alles gut gesichert, so dass man auch mit wenig Bergerfahrung dieses Ziel besuchen kann. Es ist wirklich nicht schwer.
Am Sonnabend, den 21.09. fahren wir nach Brașov zurück und geben unseren Mietwagen ab, um anschließend mit dem Zug unsere langjährige Freundin in Bukarest zu besuchen. Außerdem buche ich gleich noch für den 26.09. unsere Rückreise nach Budapest. Wir bleiben drei Tage in Bukarest und besuchen unter anderem den Ghencea-Friedhof, wo ich Corinna die letzte Ruhestätte der Ceaușescus zeige.
Am Montag, den 23.09. geht es zurück nach Brașov. Vom Bahnhof nehmen wir die Buslinie 4 bis Livada Poștei und fahren von dort mit der Linie 20 hinauf zur Poiana Brașov. Der Fahrschein kostet Preis 4 Lei pro Person und ist eine Stunde gültig. Dazu braucht man wahrhaftig kein Auto.
In Brașov bleiben wir bis Donnerstag. In der traditionellen Gaststätte "Șura Dacilor" kann man gut einkehren, denn da passt Preis und Leistung.
Am Dienstag geht es mit der Seilbahn auf den Postavarul und von dort zu Fuß zum nahen Gipfel. Das Wetter belohnt uns. Bucegi und Piatră Craiului, sowie der ferne Ciucaș sind zu sehen. Beim Abstieg gehen wir über die Cabana Postavarul und die Peștera de Lapte. Also Höhle Nummer 4 auch abgehakt. Im Wald sehen wir noch einen Uhu, leider war er zu schnell, um ein Foto zu machen.
Der Mittwoch ist unser letzte Tag zum Wandern. Ich suche bei Google nach einem touristischen Hotspot hier in der Nähe und werde fündig. Avenul Groapa de aur (Goldgrube) klingt vielversprechend und ist unser Ziel. Zweieinhalb Stunden sind bis dahin zu laufen.
Im Wald sind wir allein. Es geht immer wieder hoch und runter. Etwa in gleicher Höhe bei 1000 m über NN verläuft der rote Punkt. Wir finden frische Bärenspuren im Wald und dann die Groapa de aur. Ein Aven ist eine Schachthöhle mit einem vertikalen Einstieg. Für das Befahren, also betreten, braucht man Spezialausrüstung. Wir sind aber keine Höhlis, die soetwas machen. Aber trotzdem können wir Höhle Nummer 5 abhaken. Auf dem Rückweg finden wir noch eine frische Bärenspur, die auf dem Hinweg noch nicht da war. Es könnte derselbe Bär von heute früh gewesen sein. War sie doch auf demselben Weg und zeigte auch hochwärts. Von der Größe war sie identisch mit dem Fund heute früh auf dem Hinweg. Hat der Bär unsere Bärenglocke gehört und sich zurück gezogen? Das kann gut sein. Dann hatte er einen gesunden Bärenverstand gehabt. Gehört haben wir im Wald nichts. Am Abend kehren wir noch in Șura Dacilor ein.