Jubiläum!



Auf den Spuren von Vlad Tepes und meines Romanhelden Nicolae


von Aurelia L. Porter

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Vor 20 Jahren wurde der Rumänien­ad­vents­ka­len­der (RAK) ins Leben ge­ru­fen. Vor 20 Jah­ren habe ich mit den Roman­re­cher­chen zu mei­ner 7-bän­di­gen Nico­lae-Saga be­gon­nen. Es hätte nicht bes­ser kom­men können.
So hat mich der RAK von Anfang an be­glei­tet. Er war all die Jahre über eine wun­der­volle Er­gän­zung zu mei­nen an­sons­ten eher his­to­risch ge­präg­ten Re­cher­chen zu dem viel­fäl­ti­gen Kar­pa­ten­land.
Bevor ich mit dem Schreiben der Nicolae-Saga begann, die sich im 19. Jahrhundert zuträgt, war Rumänien für mich ein weißer Fleck auf der Landkarte.
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Warum es trotzdem zum Haupt­hand­lungs­ort mei­ner Fami­lien­saga wur­de? Ganz ein­fach: weil meine Roman­fa­milie mich dort­hin führte.
Rumänien passte perfekt, weil:
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Im Schlusswort von Band 7 der Nicolae-Saga bitte ich den ruhe­lo­sen Geist von Vlad III. aus dem Hause Ba­sarab aus­drück­lich um Ver­zei­hung, dass er aber­mals für einen Roman (dies­mal sogar einer gan­zen Buch­serie) eines aus­län­di­schen Ver­fas­sers her­hal­ten musste – wenn auch auf völlig an­dere Art. Denn ich hoffe in­stän­dig, ihm, der so viel Wert auf Gerech­tig­keit legte, eini­ger­maßen ge­recht ge­wor­den zu sein, und ihn trotz der um ihn ran­ken­den Le­gen­den vom Sto­ker’schen Man­tel be­freit zu haben.
Als Autor hat man zwar die Zügel in der Hand, aber die Pferde kön­nen wäh­rend des Schreib­pro­zes­ses trotz­dem mit einem durch­ge­hen und ei­nen in un­ge­ahnte Ge­filde füh­ren. Das ist gut so! Das macht die Span­nung aus! Das ist Schreib­aben­teuer pur! Letzt­end­lich konnte ich durch meine ab­so­lute Ent­de­ckungs­freude an dem Land ein Ge­spür für das Rumä­nen­tum ent­wi­ckeln und da­mit – so hoffe ich zu­min­dest – Authen­ti­zi­tät ent­ste­hen lassen.
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Ich habe es meinen Charakteren er­laubt, aus sich selbst he­raus zu agie­ren und die Hand­lung vor­an­zu­trei­ben. Und so hat mir meine Roman­fa­milie früh die Fe­der aus der Hand ge­nom­men. Ich habe ihre Ges­chichte zu Pa­pier ge­bracht, aber es ist ganz die ihre. Da­rum wa­ren tat­säch­lich sie es, die mich nach Rumä­nien führten.
Das war vor 20 Jahren – 5 Jah­re be­vor der erste Band der Nico­lae-Saga er­schien. Zu­sam­men mit mei­nem Titel­hel­den, der als Acht­jäh­ri­ger in seine neue Heimat Rumä­nien kommt, habe ich das Land nach und nach ken­nen­ge­lernt – weit be­vor ich selbst das erste Mal mei­nen Fuß auf rumä­ni­schen Bo­den ge­setzt hatte.
Mittlerweile habe ich das Land mehr­fach be­reist, in die Kreuz und in die Quer. Zual­ler­erst als Kul­tur- und Wan­der­rund­reise inner­halb ei­ner Klein­gruppe. Dann als Stu­dien­rund­reise, weil ich die Dar­stel­lung der His­to­rie als Ab­gleich zu mei­nen ei­ge­nen Re­cher­chen be­nö­tigte. Ich war heil­froh, als ich meine „Ver­sion“ be­stä­tigt fand, und das ob­wohl un­ser rumä­nischer Rei­se­lei­ter die Ge­schichte sei­nes Lan­des sehr fair aus un­ter­schied­li­chen Pers­pek­ti­ven dar­stellte: der rumä­ni­schen, der sie­ben­bür­gi­schen, der un­ga­ri­schen und – sei­ner ei­genen! (Bei Ge­schichts­dar­stel­lun­gen spre­che ich ganz be­wusst von „Ver­sio­nen“, denn schon immer gab es „Nar­ra­tive“, je nach­dem wer über ge­nug Geld und Macht für die er­wünschte Aus­le­gungs­art ver­fügte.) Spä­ter hatte ich das Rie­sen­glück, in­di­vi­duelle Tou­ren mit ei­nem rumä­ni­schen Rei­se­an­bie­ter zu­sam­men­stel­len zu kön­nen. So habe ich das Land auch jen­seits der übli­chen Tou­ris­ten­pfade ken­nen und vor allem lie­ben ge­lernt und jede Menge In­sider-Wis­sen ver­mit­telt be­kommen.
Anlässlich meines Jubiläumsjahres – 20 Jah­re Au­to­ren­ar­beit, 15 Jah­re Nico­lae-Saga – habe ich über die Som­mer­mo­nate eine Blog­serie ver­öf­fent­licht, in de­nen ich meine Re­cher­che­rei­sen in Rumä­nien bild­reich prä­sen­tiere. Zwölf Bei­träge mit un­ter­schied­li­chen Schwer­punk­ten sind da­bei ent­standen.
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Eines haben alle gemeinsam: Bei jeder Tour war ich auf den Spu­ren meines Titel­hel­den Nico­lae un­ter­wegs so­wie auf denen zweier Fürsten:
Was fehlt also der Vollständig­keit halber noch im Rumä­nien­ad­vents­ka­lender?
Genau: Die Beiträge
Das will ich in diesem letzten RAK und an­läss­lich unserer ge­mein­samen Ju­bi­läen jetzt nach­holen.
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Auf den Spuren von Vlad Tepes
Denkmal
Wie in der Einleitung bereits er­wähnt, nimmt dieser mit­tel­al­ter­liche Fürst eine be­son­dere Rolle in der Nico­lae-Saga ein. In­fol­ge­des­sen habe ich auf mei­nen Re­cher­che­rei­sen in Rumä­nien Orte auf­ge­sucht, in de­nen er seine Spu­ren hin­ter­las­sen hat.
1. Sighisoara/Schäßburg
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Hier soll er 1431 ge­bo­ren wor­den sein, in dem gel­ben Haus rechts di­rekt beim Stund­turm (tur­nul cu ceas). Wie eine Stein­tafel am Haus be­sagt, hat dort sein Vater, Vlad II. Dra­cul, Mit­glied des Dra­chen­or­dens, von 1431 bis 1435 ge­wohnt – da­rum auch das schmie­de­ei­serne Zunft­schild in Form eines Dra­chens.
Stadtbilder
Stadtbilder
Stadtbilder
Stadtbilder
Stadtbilder
Stadtbilder
Tja, und wie es mit der Ge­schichts­schrei­bung so ist, schei­den sich be­reits hier die Geis­ter. Einige His­to­ri­ker wol­len seine Ge­burt in Nürn­berg ver­or­ten, wo sein Vater zu der Zeit we­gen ei­ner gro­ßen Ver­samm­lung ge­krön­ter Häup­ter weilte; mit ihm auch seine hoch­schwan­gere Frau. An­dere er­klä­ren, dass in je­nen ge­fähr­li­chen Zei­ten Vlad II. seine Frau nie­mals auf eine so ris­kante Rei­se mit­ge­nom­men hätte und sie in der gut ge­schütz­ten Fürs­ten­re­si­denz in der dama­ligen Haupt­stadt Tar­go­viste ge­las­sen hat, wo Klein-Vlad dann zur Welt kam.
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Na, das geht ja gut los, oder? Von An­fang an musste ich mich mit ver­schie­de­nen Ver­sio­nen he­rum­schla­gen. Ich habe im­mer zu der­je­ni­gen ten­diert, die mir am plau­si­bels­ten er­schien, auch wenn es viel­leicht nicht die gän­gi­ge war oder die, die ge­wisse Kreise (auch heute noch!) lieber hören möchten.
gemaltes Bild
Denkmal
Speisekarte
Ritterrüstung
Teller
Brot
Suppe im Brot
Mir jedenfalls gefällt das gelbe Haus in Sighi­soara. Auch das da­rin be­find­liche Res­tau­rant, wo ich eine Boh­nen­suppe im Brot ge­nos­sen habe. Und das biss­chen dort statt­fin­dende Spuk-Theater er­freut nun mal den ge­mei­nen Dra­cula-Fan. Lassen wir ihnen den Spaß und gön­nen den Bür­gern dieser Stadt den Besuch von Tou­ris­ten, die etwas Geld da­lassen.
Sighisoara/Schäß­burg ist ab­ge­sehen da­von ein äu­ßerst se­hens­wer­tes mit­tel­al­ter­li­ches Städt­chen in Trans­si­lva­nien/Sie­ben­bür­gen, mein liebs­tes von den be­kann­tes­ten dreien neben Bra­sov/Kron­stadt und Sibiu/Her­mann­stadt.
Mehr Fotos von Sighisoara zeige ich im nächsten Teil „Auf den Spuren Nicolaes“ sowie in meinem Blog­beitrag „Recherche­reisen Teil 5/1“.
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2. Targoviste
In der ehemaligen Hauptstadt der Wala­chei kann man die Rui­nen des al­ten Fürs­ten­hofes be­sich­ti­gen, wo Vlad Te­pes so­wie viele wei­tere Fürs­ten der Wala­chei resi­diert haben.
Erstaunlich weitläufig ist das Ge­lände mit seinem mar­kan­ten Chindia-Turm. Die­sen hat Vlad Tepes um 1460 er­bauen las­sen. Bei sei­ner Be­stei­gung er­fährt man auf jeder Etage et­was Do­ku­men­ta­ri­sches über die Sta­tionen sei­nes Le­bens mit an­schau­li­chem Kar­ten­ma­terial.
Ruinen einer Burg
Ruinen einer Burg
Ruinen einer Burg
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Ruinen einer Burg
Ruinen einer Burg
Ruinen einer Burg
Oben angekommen hat man einen wun­der­ba­ren Blick auf die mu­seale An­lage und natür­lich auf die Stadt.
Nebenan erstreckt sich der Chindia Park. Dort steht zu Ehren Vlad Tepes eine große Büste, mittig plat­ziert und um­ge­ben von Blu­men­ra­batten.
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Park
Denkmal
Ruine
Auch das Parkrestaurant bedient sich seines Na­mens. Nette Idee: der Ein­gangs­be­reich be­steht aus zwei Minia­tur-Chindia-Türmen über deren Mitte der Name des Restau­rants Beraria Vlad Tepes prangt. Und was steht dort auf dem Spei­se­plan? Natür­lich Spieße! Und köst­liche Biere aus ei­gener Brau­erei: helle, dunkle und – na klar! – rote.
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Biergarten
Bieretikett
Unweit der gut sichtbaren Büste von Vlad Tepes be­fin­det sich au­ßer­dem seine Ahnen­ga­lerie. Wie schon auf der Stein­tafel am Chindia-Turm no­tiert, fin­den sich dort Skulp­turen der Fürs­ten aus dem Hause Basa­rab: Hier zu sehen: Vlads Opa: Mircea cel Batran, sein Vater: Vlad Dracul und natürlich er selbst. Es geht noch weiter, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen.
Büsten
Büsten
Büsten
Mehr dazu im Blogbeitrag „Recherchereisen Teil 5/1“ und „Recherche­reisen Teil 8“.
3. Bukarest: Curtea Veche
Im historischen Stadtkern Buka­rests be­fin­det sich der Alte Fürs­ten­hof Curtea Veche. Kein Gerin­gerer als Vlad Tepes hat ihn er­bau­en las­sen, denn von Buka­rest aus konnte er die Be­we­gun­gen der osma­ni­schen Armee bes­ser ver­fol­gen. 1459 hat er offi­ziell Buka­rest zur wei­teren Resi­denz­stadt er­klärt. Darum tra­gen die an allen wich­ti­gen Plät­zen ste­hen­den Stadt­uhren im Zif­fern­blatt diese Jahres­zahl.
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Uhr
Bei unserem ersten Hauptstadt­be­such konn­ten wir das Kel­ler­ge­wölbe des Al­ten Fürs­ten­hofes be­sich­ti­gen. Ober­ir­disch wa­ren die Sanie­rungs­ar­bei­ten noch in Gange. Außer ein paar Mau­er­res­ten und zer­bro­che­nen Säu­len und Grab­plat­ten bran­co­venes­ker Art gab es dort nicht viel zu sehen – ab­ge­se­hen von dem auf einem So­ckel pos­tier­ten Fürs­ten selbst.
Kellergewölbe
Kellergewölbe
Büste
Kellergewölbe
Kellergewölbe
Kellergewölbe
2019 war die Büste verhüllt und der ge­samte Kom­plex eine ein­zige Bau­stelle. Bei un­se­rem letz­ten Be­such 2023 wa­ren die Bau­ar­bei­ten, die ein mo­der­nes Kon­zept vor­se­hen, lei­der noch nicht ab­ge­schlos­sen. Ich bin ge­spannt, wann der alte Fürs­ten­hof wie­der für die Öffent­lich­keit zu­gäng­lich wird. Oder ist er das schon?
Kirche
Gleich nebenan befindet sich die älteste Kirche der Stadt, was man ihr allerdings nicht ansieht. Die biserica curtea veche – die alte Hofkirche – gehörte wie der Name schon sagt, zum Fürstenhof. In ihr wurden bis 1842 alle Fürsten der Walachei geweiht.
Mehr im Blogbeitrag „Recherchereisen Teil 6
4. Cetatea Poenari
Die Festung Poenari liegt ganz in der Nähe von der Trans­fa­ga­ra­san, einer alpi­nen Pass­straße, die das Ar­ges-Tal in der gro­ßen Wala­chei mit dem Olt-Tal in Trans­sil­va­nien/Sie­ben­bür­gen ver­bin­det. Dieser Pass durch die Süd­kar­pa­ten ver­leiht der Burg eine äu­ßerst stra­te­gi­sche Be­deu­tung.
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Durch einen dichten Wald an einem stei­len Hang und nur mit­hilfe von 1480 Stu­fen ist die Burg­ruine zu er­rei­chen. Der Blick von oben ist sen­sa­tio­nell. Weit ins Arges­tal und auf die ent­ge­gen­ge­setzte Seite ins Faga­ras-Ge­birge fällt der Blick. Auch was zu Füßen der Burg pas­siert, lässt sich von oben gut beo­bachten.
Aufstieg zu einer Burg
Aufstieg zu einer Burg
Aufstieg zu einer Burg
Aufstieg zu einer Burg
Mensch auf einem Pfahl
Ausblick auf Berglandschaft
Ausblick auf Berglandschaft
Ausblick auf Berglandschaft
Infotafel
Andererseits liegt die Festung gut ver­bor­gen und wäre ohne die für Be­su­cher an­ge­leg­ten Trep­pen nur schwer zu er­klim­men. Ein per­fek­ter Zu­fluchts­ort, an den sich Vlad Tepes häu­fig zurück­ge­zo­gen ha­ben soll, um sich von den Schlach­ten mit den Tür­ken oder von den Kämp­fen mit den eige­nen Boya­ren zu er­ho­len.
Entlang des Weges hinauf zur Burg la­den In­for­ma­tions­ta­feln über das Le­ben und Wir­ken Vlad Tepes‘ zum Ver­schnau­fen ein. Oben auf dem Burg­vor­platz an­ge­langt, wer­den Dra­cula-Fans von Ge­pfähl­ten emp­fan­gen. Nun ja.
Siehe dazu auch: „Recherche­reisen Teil 4/1
5. Burg Hunedoara oder Schloss Corvin
Diese wie aus einem Märchen­buch ge­schnit­tene Burg in Hune­doara (Trans­sil­va­nien/Sie­ben­bür­gen) wird auch Schloss Cor­vin ge­nannt. Es war das Stamm­haus der un­ga­ri­schen Adels­fa­milie Hunyadi, mit der Vlad Tepes in einem äu­ßerst pre­kä­ren Ver­hält­nis stand.
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Schloss
Schloss
Schloss
Schloss
Der hoch verehrte ungarische König Mat­thias Cor­vinus (Matei Cor­vin), Sohn des berühm­ten Jo­hann Hunyadi, lebte zeit­gleich mit Vlad Tepes. Sie wa­ren einst Ver­bün­dete. Als solche bot Mat­thias Vlad Schutz auf sei­ner Burg nach des­sen Kreuz­zug ge­gen die Tür­ken. Doch wie so oft, mach­ten poli­tische In­tri­gen und Ver­rat Erz­feinde aus ihnen. Sie­ben Jahre lang ist Vlad Tepes auf Burg Hune­doara fest­ge­halten wor­den. Die ganze ver­zwickte Ge­schichte ist in die Nico­lae-Saga mit ein­ge­flos­sen – aus rumä­ni­scher Sicht, ver­steht sich.
Die Felsenburg bietet, wie man sehen kann, eine per­fekte Ku­lisse für Film­auf­nah­men, wes­we­gen hier schon häu­figer His­to­rien­filme ge­dreht wurden.
Siehe Blogbeitrag „Recherche­reisen Teil 5/3
6. Kloster Comana
Das Kloster Comana, ganz im Süden der Walachei, liegt an der Grenze zu Bulga­rien und da­mit in Donau­nähe. Es wurde 1461 von Vlad Tepes als Klos­ter­fes­tung ge­grün­det. Doch vom ur­sprüng­lichen Klos­ter ist fast nichts mehr er­hal­ten. Im Laufe der Jahr­hun­derte er­fuhr es mehrere Um­bauten.
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Heute präsentiert es sich inner­halb sei­ner hübsch res­tau­rier­ten Wehr­mauern mit sehr viel rumä­nischer Ge­schichte. Auch sein Grün­der Vlad Tepes hat hier seine Büste mit da­vor ab­ge­legten Blüm­chen be­kommen.
Kirche
Bronzetafeln
Museum
Bronzetafeln
So, und hier sind wir wieder mitten in ei­nen His­to­ri­ker­streit hinein­ge­raten. Denn in den 70er Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts hat man bei ar­chäo­lo­gi­schen Ar­bei­ten auf dem Ge­lände des Klos­ters eine kopf­lose Lei­che ge­fun­den. Einige His­to­ri­ker ver­tre­ten nun die Theo­rie, dass es sich da­bei um den Leich­nam von Vlad Tepes han­delt, der auf ei­nem Schlacht­feld in die­ser Ge­gend ge­fal­len sein soll. (Sein Kopf wurde be­kann­ter­ma­ßen zum Sul­tan nach Kon­stan­ti­no­pel ge­bracht, als Nach­weis sei­nes To­des.) Doch wie passt das da­zu, dass das Klos­ter Sna­gov bei Bu­ka­rest seit je­her als letzte Ruhe­stätte des Fürs­ten gilt?
Und noch eine – ziemlich aberwitzige – Theorie ist aktuell in diesem Jahr auf­ge­taucht.
Dazu mehr im Blogbeitrag „Recherchereisen Teil 8
7. Klosterinsel Snagov
Das Kloster befindet sich nur 40 km nörd­lich von Buka­rest und liegt idyl­lisch auf einer Insel in­mit­ten eines Sees. Früher war die Insel nur mit einem Boot zu er­rei­chen, heute ganz be­quem über eine Brücke.
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Hier sollen die sterblichen Über­reste des Fürs­ten Vlad Tepes be­gra­ben lie­gen, un­ter einer schlich­ten Grab­platte di­rekt vor der Altar­wand. Den ein­zi­gen Schmuck bil­den, wie es üb­lich ist, das ewige Licht und ein paar Blüm­chen so­wie ein Bild mit dem Kon­ter­fei des Ver­stor­be­nen. Jähr­lich pil­gern Hun­derte Ver­eh­rer zu die­ser Grab­stätte und be­ten für seine Wie­der­kehr.
Kloster
Kloster
Kloster
Auf der Klosterinsel herrscht ein gerade­zu himm­li­scher Frie­den. Bei einem Spa­zier­gang durch den Klos­ter­gar­ten und am Ufer des Sees fal­len die welt­li­chen Sor­gen so­fort von ei­nem ab. Es er­scheint mir ab­so­lut glaub­wür­dig, dass sich Fürst Vlad III. auch an die­sem einst schwer ein­nehm­ba­ren Ort des Öf­te­ren zu­rück­ge­zo­gen hat, um sich von sei­nen viel­fa­chen Kämp­fen zu er­ho­len. Was liegt also näher, als dass die­ser Ort zu sei­ner letz­ten Ruhe­stätte ge­wor­den ist?
An dieser Stelle muss ich die roman­tische Vor­stel­lung gleich wie­der zer­schla­gen. Denn aus­län­dische Wis­sen­schaft­ler wol­len vor 100 Jahren bei Aus­gra­bun­gen un­ter­halb der Grab­platte nur Tier­kno­chen ge­fun­den haben.
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Fragen:
Antworten darauf gibt es in der Nicolae-Saga.
Mehr zu Kloster Snagov im Blogbeitrag „Recherche­reisen Teil 4/1“ und „Recherche­reisen Teil 5/1
Auf den Spuren meines Roman­helden Nicolae
Bücher
Auch mit Nicolae führe ich Sie zu sie­ben Orten in Rumä­nien, wo­bei es Über­schnei­dun­gen in Sighi­soara/Schäß­burg, Buka­rest und Sna­gov gibt. In die­sem Teil zeige ich je­doch an­dere Bilder.
1. Bucovina – Moldauklöster
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In Band 1 der Nicolae-Saga reist Nico­lae das erste Mal nach Rumä­nien. Als Kind be­glei­tet er seine Mutter zu­nächst in den Kur­ort Vatra Dor­nei in der Buco­vina, die da­mals zum Kron­land Öster­reichs ge­hörte. Dort er­kun­den sie die ber­gige Land­schaft und be­su­chen auch die be­rühm­ten Mol­dau­klöster.
Mehr über die Moldauklöster im Blogbeitrag „Recherche­reisen Teil 3/1
Berglandschaft
Berglandschaft
Berglandschaft
Kloster
Kloster
Kloster
Die Freundschaft zu einem rumä­ni­schen Hotel­pa­gen führt Nico­lae in ein ab­ge­le­ge­nes Berg­dorf, wo das St. Georg-Fest ge­feiert wird. Zum ers­ten Mal be­tritt er eine Bau­ern­hütte …
Die Großeltern und Nachbarn hießen ihn herzlich will­kommen. Die meisten Dorf­be­wohner, wie Grigores Groß­eltern, lebten in alten Holz­katen, soge­nannten Koliben. Es gab in dem Dorf auch kleinere Gestüte, in denen, wie Grigore stolz be­richtete, die be­rühmten Karpaten­ponys gezüchtet wurden.
Beim Mittagstisch erzählte Grigores Groß­vater Geschich­ten aus alten Zei­ten, die Grigore für Nicolae über­setzte. Sie han­delten größten­teils von den Raub­zügen der Türken und den tapferen Hai­ducken, die diese wieder ver­trieben hätten. Die von buschigen Brauen über­dachten Augen des Groß­vaters blitzten trium­phierend, während die Groß­mutter mit einer weg­wer­fenden Hand­be­wegung und einem ver­ächtlichen Grunzen ver­suchte, ihren Mann zum Schweigen zu bringen. Dieser ließ sich jedoch nicht be­irren. Er gab auch Ge­schichten von Wald­geistern zum Besten, die seit Ur­zeiten in den hiesigen Wäldern lebten und den Menschen Streiche spielten. Dabei riss er furcht­sam die Augen auf und die Groß­mutter begann sich zu be­kreuzigen. …
So ärmlich ihm die einfache Bauernkate auf den ersten Blick erschienen war, so heimelig empfand er sie auf den zweiten. Die blauen Fliesen des Kachel­ofens, der eine behagliche Wärme verströmte, waren mit hübschen Mustern versehen. In die breiten Tür­rahmen waren Blüten und Ranken ge­schnitzt. Bunte Web­teppiche und Schals zierten die ge­kalkten Wände und jedes Tuch und jedes Kissen war aufs liebe­vollste bestickt. Selbst die Holz­löffel und irdenen Töpfe neben der Koch­stelle wiesen Motive aus der Natur auf.
(Gekürzte Textpassagen aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
2a. Sighisoara/Schäßburg
Zum Ende ihres Aufenthaltes fahren sie durch Trans­sil­va­nien/Sie­ben­bür­gen Rich­tung Süd­kar­pa­ten. Auf dem Weg machen sie Sta­tion in Sighi­soara/Schäß­burg und Bra­sov/Kron­stadt.
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In Sighisoara ist Nicolae vor allem von den Figu­ren im Stund­turm be­geis­tert, den sie be­stei­gen. Von oben hat man einen fan­tas­ti­schen Blick auf den Schul­berg und auf die Unter­stadt.
Stadtansichten
Stadtansichten
Stadtansichten
Stadtansichten
Stadtansichten
Stadtansichten
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Natürlich beeindruckt ihn auch die Schüler­treppe hi­nauf zur Berg­kirche mit ihren 175 Stu­fen, die er sorg­sam mit­ge­zählt hat. Ich habe das lei­der ver­säumt und so kann ich nicht sa­gen, ob es tat­säch­lich 175 oder doch nur, wie man ab und zu liest, 173 Stu­fen sind. Sei’s drum: zwei mehr oder weni­ger ma­chen den Kohl nicht fett. Jeden­falls ist es ein un­frei­wil­li­ger Früh­sport für die Schü­ler der Berg­schule – ein Gym­na­sium, das 1522 ge­grün­det wurde und so­mit eine der ältes­ten Schu­len der Sie­ben­bür­ger Sach­sen ist. Auf dem Josef-Hal­trich-Gym­na­sium wird in­zwi­schen in deut­scher und rumä­nischer Spra­che un­ter­richtet.
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Am frühen Abend erreichten sie Schäßburg, ein von deutschen Siedlern gegründetes mittel­alter­liches Handels­städtchen mit schief­wink­ligen Häusern, Wehr­türmen und Tor­bögen. Bevor sie andern­tags weiter­reisten, bestiegen sie den bunt be­schindelten Stund­turm, der eine weite Sicht auf die malerische Umgebung bot. Die Barock­figuren in den Turm­fassaden standen für den Tag, die Nacht, den Frieden, die Ge­rech­tig­keit und die Justiz. Beson­deren Gefal­len fand Nicolae an der Turm­uhr, in der zu jeder Vier­tel­stunde eine Tromm­ler­figur auf ihr Bronze-Instru­ment schlug. Direkt darüber kündigte wechsel­weise eine grie­chische, römische oder deutsche Sagen­gestalt den jewei­ligen Wochen­tag an. …
Anschließend stiegen sie in einem langen steilen Holz­tunnel hundert­fünfund­siebzig Stufen – Nicolae hatte genau mit­ge­zählt! – den Schul­berg zur Berg­kirche hinauf. Oben ange­langt, bedauerte er die armen Schüler, die diesen An­stieg täg­lich zu bewäl­tigen hatten. Der massive Sakral­bau, der sich hinter dem Schulge­bäude auftat, impo­nierte ihm zwar auch, aber er konnte nicht ver­stehen, warum sein Paten­onkel sich dermaßen lange mit Wand- und Decken­gemälden sowie Schnitzereien an Chorge­stühl und Sakraments­häuschen auf­hielt.
(Gekürzte Textpassagen aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
2b. Brasov/Kronstadt
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Brasov am Fuße der Südkarpaten mutet m. E. eher öster­rei­chisch an. Nico­lae emp­fin­det den Au­fent­halt dort als ziem­lich un­nötig. Denn er kann es kaum er­war­ten, in die Berg­welt der Süd­kar­pa­ten ein­zu­tau­chen. Doch Mutter und Paten­onkel müssen un­be­dingt noch die Schwarze Kirche be­sich­tigen, die die Stadt mit ihrem mas­si­ven Bau domi­niert.
Stadtansichten
Stadtansichten
Stadtansichten
Um die späte Mittagszeit stießen sie auf eine belebte Land­straße und ihr Kutscher Heinrich ver­meldete, dass sie in Kürze Kronstadt errei­chen würden. Erst als sie um einen ein­zelnen Berg, auf dessen Spitze eine Burg­ruine thronte, herum­ge­fahren waren, er­blickten sie das von Mauern, Türmen und Basteien um­gebene Städtchen, durch dessen westliches Stadttor sie einfuhren.
In einem Gasthaus nahe dem Marktplatz nahmen sie eine Kleinig­keit zu sich. Zu Nicolaes Leid­wesen mussten sie auch hier einen Blick in eine Kirche werfen, „die größte aller gotischen Kirchen Sieben­bürgens“. Ihr Name „Schwarze Kirche“ bedurfte keiner Erklärung, leider aber die unter­schiedlichen Bau­stile, die sie in ihrem Inneren vereinte, vor allem die otto­manische Teppich-Samm­lung aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Zu allem wusste Heinrich etwas zu er­zählen, das Onkel Bob eifrig über­setzte. Unter­dessen machte sich das Jo-Jo in Nicolaes Hosen­tasche ver­führerisch bemerk­bar. Ein Blick über die Schulter be­stätigte ihm, dass die Erwachsenen mit Gucken und Staunen be­schäftigt waren. …
(Gekürzte Textpassage aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
2c. Sibiu/Hermann­stadt
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Sibiu wird in Band 3 der Nicolae-Saga eine be­son­dere Rolle spie­len, denn dort be­sucht Nicolae das Gym­na­sium – das heu­tige Bru­ken­thal-Gym­na­sium. Erst­malig kommt er mit Sie­ben­bür­ger Sach­sen in Kon­takt und muss sich un­ter ihnen be­haup­ten. Die weni­gen rumä­ni­schen Schü­ler dort haben, wie sich den­ken lässt, keinen leich­ten Stand und sind aller­lei Vor­ur­tei­len aus­ge­setzt.
Stadtansichten
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Meterdick lag der Schnee auf dem Schulhof, zu unordent­lichen Haufen zertrampelt. Fast dreihundert Paar Füße waren im Laufe des Vormittages hindurch­gestiefelt, um am großen Tor von ihren Eltern oder Kutschern in Empfang genommen zu werden. Zwei- und vier-, ja sogar sechs­spännige Schlitten­kutschen waren vorge­fahren, auch einige von Ponys oder Ochsen gezogene ein­fache Karren auf Kufen. Mit Letzteren waren die fast fünfzig rumänischen Schüler dieser Schule abgeholt worden. Nur wenige von ihnen hatten in eleganten Pferde­schlitten Platz genommen; so wie der kleine Liviu aus seiner Klasse, dessen Vater ein angesehener Gutsver­walter nördlich von Hermann­stadt war, oder wie Cosmin, Sohn eines Physik­professors. Die meisten stammten aus eher beschei­denen Verhält­nissen, obwohl ihre Väter alle­samt ehren­werte Berufe aus­übten, wie sie oft und gern betonten in dem Ver­langen, mit den sächsischen Schülern mit­halten zu können. Deren Väter schienen alle­samt Amtsräte, Anwälte, Ärzte oder reiche Kauf­leute zu sein. In seiner Klasse gab es sogar einen Ungarn, dessen Vater einen hohen Posten bei der Gen­darmerie inne­hatte; trotz­dem war László bei seinen achtund­zwanzig sächsischen Mit­schülern ebenso wenig gelitten wie die fünf rumänischen Kameraden, was diesen mächtig erboste.
Zum wiederholten Male wanderte Nicolaes Blick zur großen Uhr in der Eingangs­halle, von wo rechter und linker Hand die Flure zu den Klassen­räumen abzweigten. Eine breite Treppe mit barock­ver­schnörkeltem Geländer führte zum oberen Stockwerk, wo die älteren Schüler unter­gebracht waren. Eine Etage höher befand sich die Aula, in der sie sich all­morgendlich zur gemeinsamen Bibel- und Gesangs­stunde versammelten. …
»Wie ist es dir auf dem Gymnasium ergangen?«, fragte seine Tante. »Ein reger Briefwechsel war ja zur schnelleren Einge­wöhnung nicht erwünscht, aber ein paar Zeilen hatten wir uns schon von dir erhofft!« Betroffen senkte er den Blick. »Nun ja, was hätte ich groß schreiben sollen?«, antwortete er aus­weichend. »Es ist wie auf jeder Schule: freundliche und boshafte Lehrer, nette und gehässige Klassen­kameraden, interes­santer und lang­weiliger Unter­richt und ein Kinder­hasser als Pedell. Über allem schwebt ein vorbild­licher und vater­lands­liebender Rektor, dessen oberste Gebote Fleiß und Disziplin heißen und der die Lehr­anstalt für ihre deutschen Tugenden über die Stadt­grenzen hinaus berühmt gemacht hat. Darum wird von uns auch außer­halb des Schul­geländes und der Stadt­mauern ein muster­gültiges Auftreten in der Öffent­lichkeit erwartet. Schließlich sollen die Schüler später ihrem Vater­land, womit natürlich das Deutsche Reich gemeint ist, alle Ehre machen. In der Aula hängen darum gleich neben den Büsten von Cicero und Sophokles Porträts von Fürst Bismarck und Kaiser Wilhelm. Wir, die spezielle Sorte von Schülern, wie die Lehrer uns fünf Rumänen und den einen Ungarn in meiner Klasse nennen, müssen dankbar sein, dass wir der deutschen Tugenden teilhaftig werden dürfen. Hast du sonst noch Fragen, Tante Judith?« »Ich wollte eigentlich nur erfahren, wie es dir dort ergangen ist«, entgegnete sie perplex. »Ich habe gewartet«, antwortete er leise.
(Aus: Band 3 „Nicolae – Jenseits der Wälder“)
Mehr über Sighisoara, Brasov und Sibiu im Blogbeitrag „Recherche­reisen Teil 3/1
3. Bucegi-Gebirge
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Nicolaes wahre Heimat ist ein Schloss in den Süd­kar­pa­ten. Ihr Höhen­nest liegt ein­ge­bettet auf waldigen Höhen, um­ge­ben von den schroffen Gipfeln des Bucegi-Ge­bir­ges. Zwei Berg­dörfer ge­hören zu der heimat­lichen Um­ge­bung sowie ein ent­le­genes Berg­kloster.
Zwar habe ich eine präzise Vorstellung von dem alt­ehr­wür­digen Ge­mäuer, in dem meine Roman­familie lebt, aber es ist weder Castel Bran noch Schloss Peles ab­ge­schaut, wie einige meiner Leser ge­mut­maßt haben. Es ist rein meiner Fan­tasie ent­sprun­gen und den­noch für mich bis ins letzte De­tail greif­bar.
Insofern kann ich nur Fotos aus der realen Welt zei­gen. Leider war es mir bisher nicht ver­gönnt, die bei­den be­rühm­testen Gipfel des Bucegi-Ge­bir­ges zu be­stei­gen: Die rumä­nische Sphinx (sfin­xul) und die alten Wei­ber (ba­bele). Als wir diese Ende April 2023 in An­griff nehmen wollten, hatte die Schnee­schmelze gerade erst ein­ge­setzt und das Wan­dern dort oben ge­fähr­lich ge­macht.
Darum zeige ich hier Bilder aus Sinaia und rund um Bus­teni im Pra­ho­va­tal – wie so oft wol­ken­ver­hangen.
Schloss
Schloss
Schloss
Berglandschaft
Berglandschaft
Berglandschaft
Berglandschaft
Berglandschaft
Berglandschaft
Nicolae nähert sich seinem zukünf­ti­gen Zu­hause – das erste Mal nur be­suchs­weise, das zweite Mal um zu blei­ben – von Sinaia aus, bevor sie in die Ein­sam­keit der Berg­welt ein­tauchen.
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Hierzu dürfen Sie selber Bilder vor Ihrem geis­tigen Auge ent­stehen lassen …
Feuchte Schwaden streckten ihre Arme nach ihnen aus. Von wabernden Nebel­schleiern empfangen, wurden sie geräuschlos in die Tiefen des Waldes gezogen. Das Donnern des fernen Falles drang nur noch schwach an ihr Gehör und wurde schon bald von der beklem­menden Stille gänzlich über­lagert. Es schien, als hätten selbst die Pferde das Atmen ein­gestellt; kein Schnau­ben war zu hören, kein Ächzen der Achsen, kein Knarren der Kutsch­räder, nicht einmal der dumpfe Huf­schlag auf waldigem Boden.
»Mummy«, flüsterte Nicolae atemlos, während er seinen Blick gebannt aus dem Kutsch­fenster richtete, »dies ist der Wald, von dem ich immer wieder träume.« Er war so sehr mit an­dächtigem Staunen beschäftigt, dass er nicht bemerkte, wie sie erschauerte.
Auf verschlungenen Wegen fuhren sie dahin. Kein Licht war zu sehen, kein Laut zu hören, rein gar nichts, das ihren Sinnen Orien­tierung geboten hätte; nur das bloße Sein, ohne Zeit und Raum, als hätte das Nichts sie bereits ver­schluckt.
Nach einer nicht fassbaren Weile tat sich eine Lichtung vor ihnen auf. Ihr Blick fiel auf einen zerklüfteten Fels­vorsprung, der im Schatten einer massiven Gebirgs­wand lag. Das Rauschen eines Wasser­falls drang von dort zu ihnen herüber. Am Fuße des Vor­sprungs erstreckte sich eine Ebene, die eine über­wältigende Aus­sicht auf die dahinter­liegenden Gebirgs­ketten frei­gab. Alles war in das feurige Licht der unter­gehenden Sonne getaucht.
Es brauchte einen Moment, bis sich ihre Augen an das gleißende Licht gewöhnten. Sodann wurde ihr Blick von der davor­liegenden Silhouette ange­zogen. Auf dem Plateau des Fels­vor­sprunges thronte ein von Türmen und Zinnen gekröntes Schloss, dessen dunkles Gemäuer sich im Laufe der Jahr­hunderte völlig an seine Umge­bung an­gepasst hatte. Es schien, als wäre es einst auf ganz natürliche Weise aus dem Felsen heraus­gewachsen. Sein majestätischer Anblick zog sie umgehend in seinen Bann. Das Schloss war von solch altehr­würdiger Erhaben­heit und die Land­schaft, die es umgab, von solch gewaltiger Ursprüng­lichkeit, dass es keinerlei Ver­gleiche zuließ.
»Wir sind am Ziel«, hauchte Nicolae voller Ehrfurcht.
(Aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
Auf ihrem Weg wurden sie bereits von Mond und Sternen begleitet, die immer deutlicher am dämmrigen Abend­himmel hervortraten. Nebel­schwaden stiegen aus den Niede­rungen empor und hüllten die Alm­wiesen in feuchte Schleier. Schon um­schlangen diese die dunklen Baum­stämme des dichten Tannen­waldes, den sie kurz darauf befuhren.
Gespannt klebte Nataly ihre Nase an das nunmehr ge­schlossene Kutsch­fenster, welches die kühle Feuchtigkeit dennoch nicht daran hinderte, zu ihnen ins Wagen­innere zu dringen. »Geister?«, fragte sie mit aufge­rissenen Augen und deutete auf einzelne Schwaden, die sich wabernd auf die Kutsche zu­bewegten.
»Es sind nur Feen, die in ihren weißen Gewändern im Mondlicht tanzen«, beeilte sich Nicolae zu antworten und zog sie auf seinen Schoß, um mit ihr gemeinsam den zauber­haften Erscheinungen nach­zuschauen.
In stiller Bewunderung blickte Judith auf ihren Neffen, der so eifrig bemüht war, seiner Schwester ein Stückchen fabel­hafter Kinder­welt aufzu­bauen, die für ihn längst zusammen­gestürzt war.
Als sie den dunklen Wald hinter sich gelassen hatten, wies Nicolae Heinrich an, die Kutsche anzu­halten. Dies war genau die Stelle, an der sie das Schloss vor zwei Jahren das erste Mal erblickt hatten. Damals hatte es als Silhouette vor der untergehenden Sonne gelegen. Diesmal tauchte der aufgehende Mond es in ein diffuses Licht und ließ es aus dem Schatten des umliegenden Berg­massivs hervor­treten. Beide Kinder schauten wie gebannt zu den Zinnen und Türmen hoch, die sich schwarz gegen den nacht­blauen Sternen­himmel absetzten. Von tief unten leckten Nebel­zungen am dunklen Felsen empor und umwogten ihr neues Zuhause wie ein Meer aus Watte. Es schien, als ob das Schloss, losgelöst von allem Irdischen, auf einer Wolke schwebte, dem Weltall entgegen, nach denen sich seine Türme und Spitzen sehn­süchtig reckten. Die nächtlichen Himmels­körper erfassten es mit weichem Strahl und nahmen es auf in ihrem Welten­meer aus Weisheit und Unend­lichkeit.
Nur Judith sah von all dem Zauber nichts. Verwundert schaute sie den verzückten Blicken der Kinder nach und erkannte lediglich die dunklen Zacken eines Gebirges, das sich kalt und schroff vor einem mondbe­schienenen Abend­himmel abzeichnete. »Was gibt es dort denn so Faszinierendes zu sehen?«, erkundigte sie sich.
»Na, unser neues Zuhause, Tante Judith«, erwiderte Nicolae, ohne den Blick von der nächtlichen Kulisse abzuwenden. »Wir sind da! Schau nur, sieht es nicht aus wie ein Märchen­schloss?« Als sie keine Antwort gab, sah er verwundert zu ihr auf. »Was ist? Findest du es etwa nicht zauberhaft?«
»Ich kann es nicht einmal sehen«, erwiderte sie, angestrengt in die Dunkelheit starrend.
(Aus: Band 2 „Nicolae – Hinter den Pforten“)
Mehr Impressionen aus dem winter­lichen Bucegi-Ge­birge finden Sie im Blog­bei­trag „Recherche­reisen Teil 8
4. Bukarest
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Die Hauptstadt Rumäniens ist immer wieder Schau­platz der Nico­lae-Saga. Im Laufe der Jahr­zehnte er­lebt sie eine un­über­seh­bare Wand­lung von einer eher pro­vin­ziell und orien­ta­lisch an­mu­ten­den zu ei­ner mon­dä­nen euro­pä­ischen Metro­pole. Ihren Höhe­punkt er­lebt sie in der Zwischen­kriegs­zeit.
„Die Stadt an der Dâmboviţa blühte in der Zwischen­kriegszeit förmlich auf. Das Ende des Ersten Welt­krieges hatte uns die lang ersehnte Ver­einigung mit dem Boden unserer Vorväter, mit dem Daker­reich, beschert. Trans­silvanien, das Banat, die Buco­vina und weitere kleine Gebiete ge­hörten nunmehr zum Groß­reich Rumänien. Es er­füllte uns Rumänen mit Stolz und Genug­tuung. Und so war die Haupt­stadt erfüllt von Leben und Lust­barkeiten. Onkel Nick (Nicolae) erzählte uns von den vielen Garten­restaurants, in denen allabend­lich berühmte Sänger und Sängerinnen auftraten und kleine Kapellen groß heraus­kamen, die darauf­hin durchs ganze Land tourten. Bukarest war in Feier­laune und die Calea Victoriei quoll über vor Menschen­massen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass immer mehr Leute verzweifelt nach Arbeit suchten und nur deshalb in die Hauptstadt kamen, um einen Krumen aufzupicken, den ein Kriegs­gewinnler hatte fallen lassen. Im Großen und Ganzen hatte sich für die einfache Bevölkerung nicht viel verändert, nur dass ein mondäner Glanz über dem Schmelz­tiegel Bukarest lag.“
(Ausschnitt aus: Band 7 „Nicolae – An der Quelle“)
Die folgenden historischen Ge­bäude sind über­wie­gend Ende des 19. Jahr­hun­derts oder um die Jahr­hun­dert­wende ent­stan­den und er­zäh­len etwas über den eins­ti­gen Glanz von „Klein Paris“, wie Buka­rest seiner­zeit ge­nannt wurde.
Ausnahme: Das Hanu lui Manuc. Die ur­sprüng­liche Kara­wan­serei wurde be­reits 1808 er­baut. Heute ist es ein gro­ßes Res­tau­rant, das tra­di­tio­nelle Spei­sen an­bie­tet. An Wochen­en­den spielt eine Musik­ka­pelle mit Ge­sang und Tanz. Eine Tisch­re­ser­vie­rung ist un­be­dingt er­for­der­lich.
historische Gebäude
historische Gebäude
historische Gebäude
In der zweiten Hälfte des 19. Jahr­hun­derts, zu Nico­laes Zei­ten, war es ein Grand Hotel mit 107 Gäste­zim­mern im ers­ten Stock und über 15 Wein­kel­lern. Das Hotel Dacia be­her­bergte pro­mi­nente Gäste aus aller Herren Länder. In seinen zwei großen Sälen fan­den Thea­ter­stücke und Bälle statt. Be­kannt war es für die sei­ner­zeit be­lieb­ten Mas­ken­bälle.
historische Gebäude
Im legendären Cafe Capsa trafen sich illustre Gäste. Es wurde 1891 er­öff­net und ist noch heute be­rühmt für sein köst­li­ches Kon­fekt und den Joffre-Schoko­la­den­ku­chen. Das Cafe war ein be­kann­ter Treff­punkt für Lite­ra­ten, Künst­ler und Poli­tiker. Und so hat auch Nico­lae dort spä­ter als Kul­tur-Jour­na­list seine Ohren auf­ge­sperrt und Kon­takte ge­knüpft.
historische Gebäude
Der CEC-Sparkassenpalast wurde um die Jahr­hun­dert­wende nach Plä­nen des fran­zö­si­schen Archi­tek­ten Paul Got­te­reau er­baut. Der Name lei­tet sich von der Casa Natio­nala de Eco­nomii si Cecuri Pos­tale ab, also der Natio­na­len Spar- und Post­scheck­bank. Das Ge­bäude be­findet sich an pro­mi­nen­ter Stelle in der Calea Vic­toriei.
historische Gebäude
Unverkennbar hat die 1893 erbaute Uni­ver­si­täts­bi­blio­thek mit ihren drei Kup­peln den­sel­ben Archi­tekten ge­habt, denn Frank­reich galt seit je­her als großes Vor­bild der Rumä­nen.
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Davor steht das Reiterstand­bild mit König Carol I., dessen Ge­schichte und die seiner Gattin Elisa­beta mit in die Nico­lae-Saga ein­ge­flossen sind.
historische Gebäude
Das Athenäum wurde 1888 fertig­ge­stellt – eben­falls nach Plä­nen eines fran­zö­si­schen Archi­tek­ten. Das Kon­zert­haus be­hei­ma­tet die Staats­phil­har­mo­nie George Enes­cu. Es lohnt sich, einen Blick ins In­nere zu wer­fen. Die Ein­gangs­halle mit ihren Mar­mor­säu­len und ge­wen­delten Trep­pen ist über­aus sehens­wert. Außer­dem stellt die Fres­ken­ma­lerei der Kup­pel in 25 Sze­nen die rumä­nische Ge­schichte dar.
historische Gebäude
Der Sutu-Palast am Universitäts­platz ist einer der äl­testen Adels­häuser der Stadt, der nahe­zu un­ver­än­dert ge­blie­ben ist. Er wurde 1833-1835 erbaut. In der 2. Hälfte des 19. Jahr­hun­derts fan­den hier rau­schende Feste statt. Jedes Jahr wurde dort der erste Ball der Sai­son er­öffnet.
Heute beherbergt er das Buka­rester Stadt­museum.
historische Gebäude
Am nördlichen Ende der Calea Vic­toriei be­fin­det sich der Can­ta­cu­zino-Pa­last, in dem das George-Enes­cu-Mu­seum un­ter­ge­bracht ist. Hier tref­fen Jugend­stil und Neo-Ba­rock auf­ei­nan­der. Der Pa­last wurde 1903 nach Plä­nen eines rumä­nischen Archi­tek­ten er­baut. Auf­trag­ge­ber Gheorghe Grigore Can­ta­cu­zino war Bür­ger­meis­ter von Buka­rest. Sein Sohn und Erbe starb bei einem Auto­un­fall und des­sen Witwe heira­tete 1937 den Kom­po­nis­ten George Enescu.
Mehr von Klein-Paris (Parks, Straßen und mehr) gibt es in meinem Blog zu sehen.
Doch zu Beginn der Nicolae-Saga, die in den 1860ern ihren An­fang nimmt, musste ich mich in das alte Buka­rest hinein­den­ken, wo­bei mir his­to­ri­sches Mate­rial wie Bild­bände, Auto­bio­gra­fien so­wie einige wun­der­bare Romane ge­hol­fen haben.
Eine der ersten Beschreibungen findet sich in Band 2 der Nicolae-Saga:
Bukarester Straßen­leben um 1869
Zurück in der Kutsche betrachtete Judith das rege Treiben auf den Straßen und Plätzen, welches sie nur stockend passieren ließ. Um einen Basar hatte sich allerlei Volk versammelt. Neben exotischen Früchten wurden orientalische Gewürze und Räucher­waren angeboten. Bunte Töpfereien und Teppiche fanden ihre Käufer. Es wurde geschaut, geplaudert und gefeilscht. An fast jeder Ecke, um die sie bogen, standen dunkel­häutige Frauen mit einer Vielzahl halb nackter Kinder und ver­kauften Reisig­besen oder Korb­waren aller Art. Junge Burschen priesen lautstark Tüten mit Sonnen­blumen­kernen oder Korinthen an und liefen eine Weile neben ihrer Kutsche her, bis Heinrich sie mit einer Droh­gebärde verscheuchte. Aus kleinen Kirchen, eingezwängt zwischen Läden, Handwerks­stuben und Wohn­häusern schallten sakrale Gesänge auf die Straße. Alte Frauen standen davor und boten bunte Heiligen­bildchen an. An einem Brunnen lehnte ein blinder Bettler und wurde von einem Gendarm unsanft fort­ge­scheucht, während einige modisch gekleidete Damen sich in einem Kaffee­haus von ihren Ein­käufen er­holten. Diener trugen für ihre Herr­schaften große Schachteln aus den Geschäften zu prunk­vollen Kaleschen, die neben ein­fachen Bauern­karren parkten. Schon bald schwirrte Judith der Kopf. Noch nie zuvor hatte sie so viel städtisches Flair neben provinziellem Treiben erlebt. ...
Die vielen verwinkelten Gassen hinter sich lassend, gelangten sie schließlich auf eine breite Pracht­straße. Feudale Gebäude von teils schlichter klassischer Architektur, teils mit üppiger byzanti­nischer Ornamentik ver­sehen, säumten diese. Judith war froh, als sie am Rande einer grünen Oase anhielten und sich ihre Sinne erholen konnten.
(Auszüge aus: Band 2 „Nicolae – Hinter den Pforten“)
5. Snagov
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Von der Klosterinsel Snagov hatte ich be­reits im vor­he­ri­gen Teil „Auf den Spu­ren von Vlad Tepes“ er­zählt. Sie gilt als letzte Ruhe­stätte des­sen sterb­li­chen Über­reste. Darum hier nur ein kurzer Text­aus­zug aus der Nicolae-Saga mit einigen er­gän­zen­den Fotos.
historische Gebäude
historische Gebäude
historische Gebäude
Ein Mönch hieß sie an der Klosterpforte willkommen und ließ sie ein. Neugierig schlenderte Nicolae innerhalb der Kloster­mauern umher, während sein Vater das Geschäftliche regelte. Danach betraten sie gemeinsam die Kirche. Suchend schaute sich Nicolae darin um und sah dann fragend seinen Vater an.
»Dort vorne, Nicolae, vor der Altarwand.«
Nicolae blieb vor einer hellen im Boden eingelassenen Steinplatte stehen. Verwirrt blickte er auf. »Was soll das, Papa?«
»Ich habe dir doch gesagt, du würdest enttäuscht sein.«
»Ich meinte nicht diese äußerst schmucklose Grabstätte.«
»Wie du weißt, legte er nicht viel Wert auf Pomp«, erwiderte der Graf, ohne auf das Gesagte einzugehen. »Die Schlichtheit der Ruhe­stätte wird ihm gerecht.«
Irritiert kniete Nicolae vor dem Grab nieder, streifte einen Handschuh ab und legte bedächtig seine Finger­kuppen auf die kalte Stein­platte. In sich hinein horchend verharrte er in dieser Stellung.
Schließlich erhob er sich und verließ die Kirche forschen Schrittes, ohne seinen Vater oder den Mönch, der sie begleitet hatte, eines Blickes zu würdigen. Erst an der Kloster­pforte blieb er stehen und wartete dort unge­duldig auf seinen Vater.
»Warum hattest du es plötzlich so eilig, Nicolae?«, fragte dieser, nachdem sich die Pforte hinter ihnen wieder geschlossen hatte.
Nicolaes Hals war wie zugeschnürt. Statt einer Antwort flüchtete er durch das umliegende Wäldchen bis hinunter zum See und schaute mit unstetem Blick auf das gegenüber­liegende Ufer.
»So eine Farce!«, rief er ärgerlich aus, als sein Vater ihn erreichte.
Belustigt hob dieser die Augenbraue. »Das ist der Grund, weshalb ich dich nie mitge­nommen habe.«
»Und? Worauf würde man stoßen, wenn man das Grab öffnete?«
Mit einem kleinen Seufzer zuckte der Graf die Achseln. »Was kümmert es uns?«
»Was soll dann das Ganze?«
»Die Mönche bekommen nicht nur aus alter Familientradition ihren Teil, sondern auch, um das Grab zu schützen.«
»Wovor?«, rief Nicolae verständnislos aus.
»Vor Schändung natürlich.«
»Aber es gibt hier nichts zu schänden.«
»Umso wichtiger, dass alle anderen es glauben, nicht wahr?«
Der bedeutungsvolle Blick seines Vaters ließ ihn endlich begreifen.
(Auszug aus Band 5 „Nicolae – Unter dem Schwert“)
6. Oltenia
In Band 4 der Nicolae-Saga „Abseits der Pfade“ begibt sich mein Titel­held auf Wan­der­schaft (um nicht zu sagen, dass er als 14-Jäh­riger von zu Hause aus­ge­büxt ist) und lernt Land und Leute jen­seits sei­nes be­hü­te­ten Kar­pa­ten­dor­fes und der Buka­rester Pa­läste ken­nen. Eines Tages er­reicht er ei­nen Obst­hof in Oltenia (Kleine Wa­lachei).
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Auf unserer Tour durch Oltenia, wo sich auch das wun­der­volle Bran­co­veanu-Klos­ter in Horezu be­findet (siehe RAK 2021) be­su­chen wir das Dorf­mu­seum in Valcea. Dort finde ich alles so vor, wie ich es mir beim Be­schrei­ben die­ser Ge­gend vor­ge­stellt habe. Die weit­läufige und sanft hüge­lige Land­schaft lädt zum be­schau­li­chen Inne­halten ein. Hier möchte man am liebs­ten für immer blei­ben. Und so ist es wohl auch Nico­lae er­gan­gen, bis ihn die Er­eig­nisse von dort fort­ge­trie­ben haben.
Auf unserer Tour durch Oltenia, wo sich auch das wun­der­volle Bran­co­veanu-Klos­ter in Horezu be­findet (siehe RAK 2021) be­su­chen wir das Dorf­mu­seum in Valcea. Dort finde ich alles so vor, wie ich es mir beim Be­schrei­ben die­ser Ge­gend vor­ge­stellt habe. Die weit­läufige und sanft hüge­lige Land­schaft lädt zum be­schau­li­chen Inne­halten ein. Hier möchte man am liebs­ten für immer blei­ben. Und so ist es wohl auch Nico­lae er­gan­gen, bis ihn die Er­eig­nisse von dort fort­ge­trie­ben haben.
Bergdorf
Bergdorf
Bergdorf
Bergdorf
Bergdorf
Bergdorf
Autorin
Bergdorf
Die für die Region damals üblichen Erd­häu­ser gibt es leider nicht mehr. Aber ich habe sie zu meiner großen Freude so­wohl im Dorf­mu­seum in Buka­rest als auch im Dorf­mu­seum in Golesti ent­deckt.
Nachdem er das Floß verlassen hatte, mit dem er sich für eine Silber­münze über den Olt hatte setzen lassen, stieß er kurze Zeit später auf eine An­siedlung niedriger Stroh­dach­häuser. Sie schauten höchstens einen Meter aus dem Boden heraus und sahen von Ferne aus, als wären sie für Zwerge gebaut. Erst bei genauerem Hinsehen entdeckte er, dass sie tief ins Erdreich gebaut waren.
»Du kommst wohl nicht von hier?«, hörte er einen etwa acht­jährigen Knirps fragen, der neugierig zu ihm hoch­blinzelte, während er sich am Wegesrand sitzend zwischen den Zehen pulte.
»Sieht man mir das an?« Freundlich blickte Nicolae ihn an.
»Mmh. Du guckst so komisch.«
»Weil ich noch nie zuvor so kleine Häuser gesehen habe. Wohnen hier denn nur Kinder? Bin ich gar im Kinder­land?«
Der Gedanke schien dem Kleinen zu gefallen. »Aber nein!«, kicherte er. »Obwohl wir Kinder in meiner Familie in der Über­zahl sind, sagt Groß­mutter und seufzt dabei immer schwer.«
»Wie viele seid ihr denn?«
»Vierzehn. Ich habe sieben Brüder und sieben Schwestern.«
»Das sind mit dir aber fünfzehn!«
»Delia zählt nicht. Die trinkt noch aus Mamas Brust. Großmutter zählt nur die Esser am Tisch.«
»Passt ihr denn über­haupt alle an einen Tisch?«
»Wir essen nacheinander. Die Großen zuerst.«
»Und du? Gehörst du schon zu den Großen, oder musst du essen, was übrig bleibt?«
»Ich bin die Mitte. Ich darf’s mir aus­suchen«, antwortete der Kleine grinsend und ließ eine frische Zahn­lücke sehen.
»Wohnt ihr auch in einem dieser kleinen Häuser?«
»Es sind keine kleinen Häuser. Sie sind genauso groß wie alle anderen, nur dass sie einge­buddelt wurden, damit es im Sommer schön kühl darinnen bleibt und im Winter nicht so kalt wird. Die Erde schützt uns, sagt Großvater.«
»Das ist aber ganz schön schlau von euch.«
»Ja, das sind wir auch, denn wir sind Oltenier. Papa sagt, Oltenier sind schlaue Leute, und ich bin auch einer.«
»Wie ist dein Name, schlauer Oltenier?«
»Călin. Und deiner?«
(Auszug aus Band 4 „Nicolae – Abseits der Pfade“)
7. Turnu Severin
Bis an den südwestlichsten Zipfel Rumäniens treibt es Nicolae in Band 4. Dort, in der Hafen­stadt Turnu Severin, wo einst die römi­sche Traian­brücke die Donau querte, bleibt er un­frei­willig hän­gen. Seine Taschen sind leer. Sein Reit­pferd ist ihm ab­han­den­ge­kom­men. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als hier sein Glück zu ver­su­chen. Turnu Severin ist zu jener Zeit für viele die Stadt der Träume und wird so man­chem zum Ver­hängnis.
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Kurz vor Severin wehte ein anderer Wind; einer aus Richtung Westen, wie manche hoffnungs­froh sagten, die ihre Söhne dorthin geschickt hatten, ihr Glück zu versuchen. Die Stadt an der Donau sei eine moderne Stadt, erklärten sie ehrfürchtig, in welcher der Handel blühe, weswegen sich immer mehr Kaufleute dort niederließen. Ein Bankhaus, eine Brauerei und diverse Handels­gilden brächten Wohl­stand; Kontor­häuser, Schulen, ein Stadt­park, sogar ein Kultur­palast ent­sprechendes An­sehen. Für junge Leute schien Severin die einzige Chance, der bäuer­lichen Armut zu ent­fliehen.
Je näher Nicolae der Stadt kam, desto öfter hörte er Klage­lieder von Vätern, deren Söhne bei der Suche nach dem Glück auf Abwege ge­raten waren, denn in der Stadt gebe es davon viele. Andere hingegen hätten zwar ihr Glück gemacht, kämen aber immer seltener nach Hause und rümpften dann die Nase über den Geruch in der Bauern­stube oder mokierten sich über die tumben Gesichter in der Dorf­schenke. Nach und nach vergäßen sie ihre Her­kunft, schickten gelegent­lich etwas Geld, mit dem im Dorf eine Stange ange­geben wurde, aber der Sohn war für die Familie ver­loren – einge­tauscht gegen Bares.
Nicolae hatte den Reden an den Abend- und Schank­tischen gut zu­gehört und ver­standen, dass sie nichts anderes wollten als leben, gleich, ob sie dabei den alten oder neuen Zeiten dienten. Hauptsache, der Magen war gefüllt, die Stube warm und die Häupter ihrer Lieben voll­zählig. Aber alles zusammen war kaum zu haben.
Im trüben Licht eines frühen Nachmittags kam Nicolae in jener Sehn­suchts­stadt, in der Glück und Unglück so dicht beieinander­lagen, an. Er hatte den süd­west­lichsten Zipfel des Landes er­reicht. Die Donau trennte ihn hier von Serbien im Süden und der Schlag­baum von Öster­reich-Ungarn im Westen.
Und nun? An wessen Tür sollte er klopfen? Wer würde einem Streuner wie ihm hier in der Stadt Einlass gewähren?
Unten am Hafen war er schon gewesen. Doch die derben Männer, die am Löschkai einander in den unter­schied­lichsten Sprachen zu­grölten und unent­wegt aus­spuckten, der Dreck auf den Straßen und die herunter­ge­kommenen Häuser hatten ihn abge­schreckt.
Nun stand er am Donauufer, wo von römischen Truppen anno 105 nach Christus die längste Brücke der Welt er­richtet worden war, um Kaiser Trajan in seinem zweiten Feldzug gegen den Daker­könig Decebal zu unter­stützen, wie eine halb zuge­schneite Tafel am Über­bleibsel des Ufer­pfeilers kundtat. Nach Abzug der Römer sei diese von Kaiser Aurelian wieder zerstört worden. Nur wenige Brocken der steinernen Pfeiler­basis legten noch Zeugnis ab von der gewaltigen hölzernen Bogen­kons­truktion, die den Fluss einst über­spannt hatte.Müde setzte er sich auf einen aus dem Schnee ragenden Stein und schaute hinunter auf die kleinen Kähne, die träge am ver­eisten Ufer dümpelten. Hier also endete die Welt des Fürsten­tums Rumänien, während sich fluss­aufwärts neue Welten auf­taten.
Schiff an der Donau
Donau
Felsen
historische Gebäude
historische Gebäude
Denkmal
Zur Donaustadt Turnu Severin siehe auch Blog­bei­trag „Recherche­reise Teil 5/1
Mit dem letzten Foto sind wir wieder zum An­fang des Rumä­nen­tums zurück­ge­kommen, zum Daker­könig Dece­bal. Er steht im Turnu Seve­riner Park, übri­gens nur 50 km ent­fernt von der be­kann­ten Fel­sen­skulp­tur an der Donau am Fuße des Almaj-Ge­bir­ges. Und so schließt sich der Kreis.
Schlusswort
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Natürlich haben sich insbe­sondere die Städte in den letzten 150 Jahren gra­vie­rend ver­än­dert. Das per­sön­liche Auf­su­chen sol­cher Hand­lungs­orte war da­her eine nach­träg­liche Spu­ren­suche, die für den Schreib­pro­zess nicht aus­schlag­ge­bend ge­we­sen wäre. Hier waren mir his­to­ri­sches Bild­ma­te­rial so­wie doku­men­ta­rische Auf­zeich­nun­gen wert­voller. Trotz­dem ist es jedes Mal auf­re­gend und be­glü­ckend ge­wesen, die Stätten der Nico­lae-Saga mit eige­nen Au­gen zu se­hen und das Be­schrie­bene wieder­zu­er­kennen.
Landschaften unterliegen zwar einem un­gleich gerin­geren Wan­del, doch auch sie ver­än­dern ihr Er­schei­nungs­bild. Berg­gipfel durch Ero­sio­nen, die Wäl­der durch Ab­hol­zun­gen und die Dör­fer durch den Zei­ten­wan­del. Trotz­dem fin­det man in Rumä­nien noch Ecken, auch wenn sie vom Aus­ster­ben be­droht sind, von ur­sprüng­lichem Cha­rak­ter. Und das ist un­fass­bar wert­voll.
In jedem der 7 Bände der Nico­lae-Saga war es mein Ziel, das Ein­zig­ar­tige Rumä­niens für meine Leser spür­bar zu machen. Denn die­ses Land ist ein völlig ver­kann­ter euro­pä­ischer Schatz, den es zu ent­de­cken, zu zei­gen und zu be­wah­ren gilt.
Genau dieses hat auch der Rumänien­ad­vents­ka­len­der 20 Jahre lang mit sei­nen viel­fäl­ti­gen Be­rich­ten und groß­ar­ti­gen Bil­dern ge­tan. Ich werde ihn ver­missen. Und freue mich, dass ich dank Gu­drun und Hans jeder­zeit in die­sen reich­hal­tigen Fun­dus zu­rück­bli­cken und mich er­neut da­ran er­freuen kann.
DANKE allen, die dazu bei­ge­tragen haben!
Herzlichst, Eure Aurelia
Autorin vor einem historischem Gebäude
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