Auf den Spuren von Vlad Tepes und meines Romanhelden Nicolae
von Aurelia L. Porter
Vor 20 Jahren wurde der Rumänienadventskalender (RAK) ins Leben gerufen. Vor 20 Jahren habe ich mit den Romanrecherchen zu meiner 7-bändigen Nicolae-Saga begonnen. Es hätte nicht besser kommen können.
So hat mich der RAK von Anfang an begleitet. Er war all die Jahre über eine wundervolle Ergänzung zu meinen ansonsten eher historisch geprägten Recherchen zu dem vielfältigen Karpatenland.
Bevor ich mit dem Schreiben der Nicolae-Saga begann, die sich im 19. Jahrhundert zuträgt, war Rumänien für mich ein weißer Fleck auf der Landkarte.
Warum es trotzdem zum Haupthandlungsort meiner Familiensaga wurde? Ganz einfach: weil meine Romanfamilie mich dorthin führte.
Rumänien passte perfekt, weil:
es einen starken Kontrast zum viktorianischen England (Nicolaes erste Heimat) bildet; ein Land, wo die Menschen noch in aller Ursprünglichkeit lebten, wo der Glaube noch nicht von Wissenschaft und Technik hinterfragt wurde, wo Spiritualität zum täglichen Leben gehörte und nicht in elitäre Kreise überspannter Wohlstandsbürger, wo heidnisches Gedankengut seinen Platz neben christlichem Brauchtum haben durfte und wo noch Gott und die Natur als höchste Mächte galten.
die Kelten vor und zu Zeiten der Daker ihre DNA in Rumänien hinterlassen haben und die keltische wie die dakische Mythologie die Nicolae-Saga wie ein roter Faden durchzieht.
Rumänien das Land der Sagen und Legenden, Märchen und Mythen ist – genau der Stoff, aus dem die Nicolae-Saga gewebt ist. Jedoch ohne den Boden der Realität zu verlassen, denn ich zeige sehr wohl, wie hart das Leben eines rumänischen Bergbauern seinerzeit war, wie die Oberschicht das einfache Volk unterdrückte und bittere Armut in den Bauernhütten herrschte. Auch wie das blühende England neben Wohlstand und sensationellen modernen Errungenschaften Massenverelendung fabrizierte und Seuchen wie Cholera oder Diphterie die Menschen dahinrafften.
zudem ein berühmt-berüchtigter mittelalterlicher Fürst aus der Walachei ungebeten und ungewollt eine wichtige Rolle in der Nicolae-Saga eingenommen hat, obwohl ich mir geschworen hatte, als Rumänien als Haupthandlungsort feststand, diesen komplett außer Acht zu lassen. Doch dann bin ich während meiner Recherchen laufend über ihn gestolpert (selbst in Fachbüchern über rumänische Literaturgeschichte!) – ihn, dessen Name allen bekannt sein dürfte, die sich auch nur annähernd für Rumänien interessieren. Den anderen spukt er leider nur als Horrorgestalt des schottischen Schriftstellers Bram Stoker im Kopf herum.
Im Schlusswort von Band 7 der Nicolae-Saga bitte ich den ruhelosen Geist von Vlad III. aus dem Hause Basarab ausdrücklich um Verzeihung, dass er abermals für einen Roman (diesmal sogar einer ganzen Buchserie) eines ausländischen Verfassers herhalten musste – wenn auch auf völlig andere Art. Denn ich hoffe inständig, ihm, der so viel Wert auf Gerechtigkeit legte, einigermaßen gerecht geworden zu sein, und ihn trotz der um ihn rankenden Legenden vom Stoker’schen Mantel befreit zu haben.
Als Autor hat man zwar die Zügel in der Hand, aber die Pferde können während des Schreibprozesses trotzdem mit einem durchgehen und einen in ungeahnte Gefilde führen. Das ist gut so! Das macht die Spannung aus! Das ist Schreibabenteuer pur! Letztendlich konnte ich durch meine absolute Entdeckungsfreude an dem Land ein Gespür für das Rumänentum entwickeln und damit – so hoffe ich zumindest – Authentizität entstehen lassen.
Ich habe es meinen Charakteren erlaubt, aus sich selbst heraus zu agieren und die Handlung voranzutreiben. Und so hat mir meine Romanfamilie früh die Feder aus der Hand genommen. Ich habe ihre Geschichte zu Papier gebracht, aber es ist ganz die ihre. Darum waren tatsächlich sie es, die mich nach Rumänien führten.
Das war vor 20 Jahren – 5 Jahre bevor der erste Band der Nicolae-Saga erschien. Zusammen mit meinem Titelhelden, der als Achtjähriger in seine neue Heimat Rumänien kommt, habe ich das Land nach und nach kennengelernt – weit bevor ich selbst das erste Mal meinen Fuß auf rumänischen Boden gesetzt hatte.
Mittlerweile habe ich das Land mehrfach bereist, in die Kreuz und in die Quer. Zuallererst als Kultur- und Wanderrundreise innerhalb einer Kleingruppe. Dann als Studienrundreise, weil ich die Darstellung der Historie als Abgleich zu meinen eigenen Recherchen benötigte. Ich war heilfroh, als ich meine „Version“ bestätigt fand, und das obwohl unser rumänischer Reiseleiter die Geschichte seines Landes sehr fair aus unterschiedlichen Perspektiven darstellte: der rumänischen, der siebenbürgischen, der ungarischen und – seiner eigenen! (Bei Geschichtsdarstellungen spreche ich ganz bewusst von „Versionen“, denn schon immer gab es „Narrative“, je nachdem wer über genug Geld und Macht für die erwünschte Auslegungsart verfügte.) Später hatte ich das Riesenglück, individuelle Touren mit einem rumänischen Reiseanbieter zusammenstellen zu können. So habe ich das Land auch jenseits der üblichen Touristenpfade kennen und vor allem lieben gelernt und jede Menge Insider-Wissen vermittelt bekommen.
Anlässlich meines Jubiläumsjahres – 20 Jahre Autorenarbeit, 15 Jahre Nicolae-Saga – habe ich über die Sommermonate eine Blogserie veröffentlicht, in denen ich meine Recherchereisen in Rumänien bildreich präsentiere. Zwölf Beiträge mit unterschiedlichen Schwerpunkten sind dabei entstanden.
Eines haben alle gemeinsam: Bei jeder Tour war ich auf den Spuren meines Titelhelden Nicolae unterwegs sowie auf denen zweier Fürsten:
den bereits erwähnten mittelalterlichen Fürsten Vlad III. Basarab, auch bekannt als Vlad Tepes (der Pfähler)
und den im 17./18. Jh. lebenden Constantin Brancoveanu, Vater des rumänischen Baustils. Zu Letzterem gibt es bereits zwei Beiträge im RAK:
Was fehlt also der Vollständigkeit halber noch im Rumänienadventskalender?
Genau: Die Beiträge
„Auf den Spuren von Vlad Tepes“ und
„Auf den Spuren meines Titelhelden Nicolae“
Das will ich in diesem letzten RAK und anlässlich unserer gemeinsamen Jubiläen jetzt nachholen.
Auf den Spuren von Vlad Tepes
Wie in der Einleitung bereits erwähnt, nimmt dieser mittelalterliche Fürst eine besondere Rolle in der Nicolae-Saga ein. Infolgedessen habe ich auf meinen Recherchereisen in Rumänien Orte aufgesucht, in denen er seine Spuren hinterlassen hat.
1. Sighisoara/Schäßburg
Hier soll er 1431 geboren worden sein, in dem gelben Haus rechts direkt beim Stundturm (turnul cu ceas). Wie eine Steintafel am Haus besagt, hat dort sein Vater, Vlad II. Dracul, Mitglied des Drachenordens, von 1431 bis 1435 gewohnt – darum auch das schmiedeeiserne Zunftschild in Form eines Drachens.
Tja, und wie es mit der Geschichtsschreibung so ist, scheiden sich bereits hier die Geister. Einige Historiker wollen seine Geburt in Nürnberg verorten, wo sein Vater zu der Zeit wegen einer großen Versammlung gekrönter Häupter weilte; mit ihm auch seine hochschwangere Frau. Andere erklären, dass in jenen gefährlichen Zeiten Vlad II. seine Frau niemals auf eine so riskante Reise mitgenommen hätte und sie in der gut geschützten Fürstenresidenz in der damaligen Hauptstadt Targoviste gelassen hat, wo Klein-Vlad dann zur Welt kam.
Na, das geht ja gut los, oder? Von Anfang an musste ich mich mit verschiedenen Versionen herumschlagen. Ich habe immer zu derjenigen tendiert, die mir am plausibelsten erschien, auch wenn es vielleicht nicht die gängige war oder die, die gewisse Kreise (auch heute noch!) lieber hören möchten.
Mir jedenfalls gefällt das gelbe Haus in Sighisoara. Auch das darin befindliche Restaurant, wo ich eine Bohnensuppe im Brot genossen habe. Und das bisschen dort stattfindende Spuk-Theater erfreut nun mal den gemeinen Dracula-Fan. Lassen wir ihnen den Spaß und gönnen den Bürgern dieser Stadt den Besuch von Touristen, die etwas Geld dalassen.
Sighisoara/Schäßburg ist abgesehen davon ein äußerst sehenswertes mittelalterliches Städtchen in Transsilvanien/Siebenbürgen, mein liebstes von den bekanntesten dreien neben Brasov/Kronstadt und Sibiu/Hermannstadt.
Mehr Fotos von Sighisoara zeige ich im nächsten Teil „Auf den Spuren Nicolaes“ sowie in meinem Blogbeitrag „Recherchereisen Teil 5/1“.
2. Targoviste
In der ehemaligen Hauptstadt der Walachei kann man die Ruinen des alten Fürstenhofes besichtigen, wo Vlad Tepes sowie viele weitere Fürsten der Walachei residiert haben.
Erstaunlich weitläufig ist das Gelände mit seinem markanten Chindia-Turm. Diesen hat Vlad Tepes um 1460 erbauen lassen. Bei seiner Besteigung erfährt man auf jeder Etage etwas Dokumentarisches über die Stationen seines Lebens mit anschaulichem Kartenmaterial.
Oben angekommen hat man einen wunderbaren Blick auf die museale Anlage und natürlich auf die Stadt. Nebenan erstreckt sich der Chindia Park. Dort steht zu Ehren Vlad Tepes eine große Büste, mittig platziert und umgeben von Blumenrabatten.
Auch das Parkrestaurant bedient sich seines Namens. Nette Idee: der Eingangsbereich besteht aus zwei Miniatur-Chindia-Türmen über deren Mitte der Name des Restaurants Beraria Vlad Tepes prangt. Und was steht dort auf dem Speiseplan? Natürlich Spieße! Und köstliche Biere aus eigener Brauerei: helle, dunkle und – na klar! – rote.
Unweit der gut sichtbaren Büste von Vlad Tepes befindet sich außerdem seine Ahnengalerie. Wie schon auf der Steintafel am Chindia-Turm notiert, finden sich dort Skulpturen der Fürsten aus dem Hause Basarab: Hier zu sehen: Vlads Opa: Mircea cel Batran, sein Vater: Vlad Dracul und natürlich er selbst. Es geht noch weiter, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen.
Im historischen Stadtkern Bukarests befindet sich der Alte Fürstenhof Curtea Veche. Kein Geringerer als Vlad Tepes hat ihn erbauen lassen, denn von Bukarest aus konnte er die Bewegungen der osmanischen Armee besser verfolgen. 1459 hat er offiziell Bukarest zur weiteren Residenzstadt erklärt. Darum tragen die an allen wichtigen Plätzen stehenden Stadtuhren im Ziffernblatt diese Jahreszahl.
Bei unserem ersten Hauptstadtbesuch konnten wir das Kellergewölbe des Alten Fürstenhofes besichtigen. Oberirdisch waren die Sanierungsarbeiten noch in Gange. Außer ein paar Mauerresten und zerbrochenen Säulen und Grabplatten brancovenesker Art gab es dort nicht viel zu sehen – abgesehen von dem auf einem Sockel postierten Fürsten selbst.
2019 war die Büste verhüllt und der gesamte Komplex eine einzige Baustelle. Bei unserem letzten Besuch 2023 waren die Bauarbeiten, die ein modernes Konzept vorsehen, leider noch nicht abgeschlossen. Ich bin gespannt, wann der alte Fürstenhof wieder für die Öffentlichkeit zugänglich wird. Oder ist er das schon?
Gleich nebenan befindet sich die älteste Kirche der Stadt, was man ihr allerdings nicht ansieht. Die biserica curtea veche – die alte Hofkirche – gehörte wie der Name schon sagt, zum Fürstenhof. In ihr wurden bis 1842 alle Fürsten der Walachei geweiht.
Die Festung Poenari liegt ganz in der Nähe von der Transfagarasan, einer alpinen Passstraße, die das Arges-Tal in der großen Walachei mit dem Olt-Tal in Transsilvanien/Siebenbürgen verbindet. Dieser Pass durch die Südkarpaten verleiht der Burg eine äußerst strategische Bedeutung.
Durch einen dichten Wald an einem steilen Hang und nur mithilfe von 1480 Stufen ist die Burgruine zu erreichen. Der Blick von oben ist sensationell. Weit ins Argestal und auf die entgegengesetzte Seite ins Fagaras-Gebirge fällt der Blick. Auch was zu Füßen der Burg passiert, lässt sich von oben gut beobachten.
Andererseits liegt die Festung gut verborgen und wäre ohne die für Besucher angelegten Treppen nur schwer zu erklimmen. Ein perfekter Zufluchtsort, an den sich Vlad Tepes häufig zurückgezogen haben soll, um sich von den Schlachten mit den Türken oder von den Kämpfen mit den eigenen Boyaren zu erholen. Entlang des Weges hinauf zur Burg laden Informationstafeln über das Leben und Wirken Vlad Tepes‘ zum Verschnaufen ein. Oben auf dem Burgvorplatz angelangt, werden Dracula-Fans von Gepfählten empfangen. Nun ja.
Diese wie aus einem Märchenbuch geschnittene Burg in Hunedoara (Transsilvanien/Siebenbürgen) wird auch Schloss Corvin genannt. Es war das Stammhaus der ungarischen Adelsfamilie Hunyadi, mit der Vlad Tepes in einem äußerst prekären Verhältnis stand.
Der hoch verehrte ungarische König Matthias Corvinus (Matei Corvin), Sohn des berühmten Johann Hunyadi, lebte zeitgleich mit Vlad Tepes. Sie waren einst Verbündete. Als solche bot Matthias Vlad Schutz auf seiner Burg nach dessen Kreuzzug gegen die Türken. Doch wie so oft, machten politische Intrigen und Verrat Erzfeinde aus ihnen. Sieben Jahre lang ist Vlad Tepes auf Burg Hunedoara festgehalten worden. Die ganze verzwickte Geschichte ist in die Nicolae-Saga mit eingeflossen – aus rumänischer Sicht, versteht sich.
Die Felsenburg bietet, wie man sehen kann, eine perfekte Kulisse für Filmaufnahmen, weswegen hier schon häufiger Historienfilme gedreht wurden.
Das Kloster Comana, ganz im Süden der Walachei, liegt an der Grenze zu Bulgarien und damit in Donaunähe. Es wurde 1461 von Vlad Tepes als Klosterfestung gegründet. Doch vom ursprünglichen Kloster ist fast nichts mehr erhalten. Im Laufe der Jahrhunderte erfuhr es mehrere Umbauten.
Heute präsentiert es sich innerhalb seiner hübsch restaurierten Wehrmauern mit sehr viel rumänischer Geschichte. Auch sein Gründer Vlad Tepes hat hier seine Büste mit davor abgelegten Blümchen bekommen.
So, und hier sind wir wieder mitten in einen Historikerstreit hineingeraten. Denn in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hat man bei archäologischen Arbeiten auf dem Gelände des Klosters eine kopflose Leiche gefunden. Einige Historiker vertreten nun die Theorie, dass es sich dabei um den Leichnam von Vlad Tepes handelt, der auf einem Schlachtfeld in dieser Gegend gefallen sein soll. (Sein Kopf wurde bekanntermaßen zum Sultan nach Konstantinopel gebracht, als Nachweis seines Todes.) Doch wie passt das dazu, dass das Kloster Snagov bei Bukarest seit jeher als letzte Ruhestätte des Fürsten gilt?
Und noch eine – ziemlich aberwitzige – Theorie ist aktuell in diesem Jahr aufgetaucht.
Das Kloster befindet sich nur 40 km nördlich von Bukarest und liegt idyllisch auf einer Insel inmitten eines Sees. Früher war die Insel nur mit einem Boot zu erreichen, heute ganz bequem über eine Brücke.
Hier sollen die sterblichen Überreste des Fürsten Vlad Tepes begraben liegen, unter einer schlichten Grabplatte direkt vor der Altarwand. Den einzigen Schmuck bilden, wie es üblich ist, das ewige Licht und ein paar Blümchen sowie ein Bild mit dem Konterfei des Verstorbenen. Jährlich pilgern Hunderte Verehrer zu dieser Grabstätte und beten für seine Wiederkehr.
Auf der Klosterinsel herrscht ein geradezu himmlischer Frieden. Bei einem Spaziergang durch den Klostergarten und am Ufer des Sees fallen die weltlichen Sorgen sofort von einem ab. Es erscheint mir absolut glaubwürdig, dass sich Fürst Vlad III. auch an diesem einst schwer einnehmbaren Ort des Öfteren zurückgezogen hat, um sich von seinen vielfachen Kämpfen zu erholen. Was liegt also näher, als dass dieser Ort zu seiner letzten Ruhestätte geworden ist?
An dieser Stelle muss ich die romantische Vorstellung gleich wieder zerschlagen. Denn ausländische Wissenschaftler wollen vor 100 Jahren bei Ausgrabungen unterhalb der Grabplatte nur Tierknochen gefunden haben.
Fragen:
Was hatten ausländische Wissenschaftler dort überhaupt zu buddeln?
Warum liegt die Grabstätte vor der Ikonostase, obwohl ansonsten der Vorraum dafür üblich ist?
Wo, wenn nicht dort, sind die sterblichen Überreste abgeblieben? (Den Fund beim Kloster Comana lasse ich außer Acht, da nicht offiziell belegt.)
Und falls das Grab tatsächlich leer sein sollte, wozu das Ganze überhaupt?
Auch mit Nicolae führe ich Sie zu sieben Orten in Rumänien, wobei es Überschneidungen in Sighisoara/Schäßburg, Bukarest und Snagov gibt. In diesem Teil zeige ich jedoch andere Bilder.
1. Bucovina – Moldauklöster
In Band 1 der Nicolae-Saga reist Nicolae das erste Mal nach Rumänien. Als Kind begleitet er seine Mutter zunächst in den Kurort Vatra Dornei in der Bucovina, die damals zum Kronland Österreichs gehörte. Dort erkunden sie die bergige Landschaft und besuchen auch die berühmten Moldauklöster.
Die Freundschaft zu einem rumänischen Hotelpagen führt Nicolae in ein abgelegenes Bergdorf, wo das St. Georg-Fest gefeiert wird. Zum ersten Mal betritt er eine Bauernhütte …
Die Großeltern und Nachbarn hießen ihn herzlich willkommen. Die meisten Dorfbewohner, wie Grigores Großeltern, lebten in alten Holzkaten, sogenannten Koliben. Es gab in dem Dorf auch kleinere Gestüte, in denen, wie Grigore stolz berichtete, die berühmten Karpatenponys gezüchtet wurden.
Beim Mittagstisch erzählte Grigores Großvater Geschichten aus alten Zeiten, die Grigore für Nicolae übersetzte. Sie handelten größtenteils von den Raubzügen der Türken und den tapferen Haiducken, die diese wieder vertrieben hätten. Die von buschigen Brauen überdachten Augen des Großvaters blitzten triumphierend, während die Großmutter mit einer wegwerfenden Handbewegung und einem verächtlichen Grunzen versuchte, ihren Mann zum Schweigen zu bringen. Dieser ließ sich jedoch nicht beirren. Er gab auch Geschichten von Waldgeistern zum Besten, die seit Urzeiten in den hiesigen Wäldern lebten und den Menschen Streiche spielten. Dabei riss er furchtsam die Augen auf und die Großmutter begann sich zu bekreuzigen. …
So ärmlich ihm die einfache Bauernkate auf den ersten Blick erschienen war, so heimelig empfand er sie auf den zweiten. Die blauen Fliesen des Kachelofens, der eine behagliche Wärme verströmte, waren mit hübschen Mustern versehen. In die breiten Türrahmen waren Blüten und Ranken geschnitzt. Bunte Webteppiche und Schals zierten die gekalkten Wände und jedes Tuch und jedes Kissen war aufs liebevollste bestickt. Selbst die Holzlöffel und irdenen Töpfe neben der Kochstelle wiesen Motive aus der Natur auf.
(Gekürzte Textpassagen aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
2a. Sighisoara/Schäßburg
Zum Ende ihres Aufenthaltes fahren sie durch Transsilvanien/Siebenbürgen Richtung Südkarpaten. Auf dem Weg machen sie Station in Sighisoara/Schäßburg und Brasov/Kronstadt.
In Sighisoara ist Nicolae vor allem von den Figuren im Stundturm begeistert, den sie besteigen. Von oben hat man einen fantastischen Blick auf den Schulberg und auf die Unterstadt.
Natürlich beeindruckt ihn auch die Schülertreppe hinauf zur Bergkirche mit ihren 175 Stufen, die er sorgsam mitgezählt hat. Ich habe das leider versäumt und so kann ich nicht sagen, ob es tatsächlich 175 oder doch nur, wie man ab und zu liest, 173 Stufen sind. Sei’s drum: zwei mehr oder weniger machen den Kohl nicht fett. Jedenfalls ist es ein unfreiwilliger Frühsport für die Schüler der Bergschule – ein Gymnasium, das 1522 gegründet wurde und somit eine der ältesten Schulen der Siebenbürger Sachsen ist. Auf dem Josef-Haltrich-Gymnasium wird inzwischen in deutscher und rumänischer Sprache unterrichtet.
Am frühen Abend erreichten sie Schäßburg, ein von deutschen Siedlern gegründetes mittelalterliches Handelsstädtchen mit schiefwinkligen Häusern, Wehrtürmen und Torbögen. Bevor sie anderntags weiterreisten, bestiegen sie den bunt beschindelten Stundturm, der eine weite Sicht auf die malerische Umgebung bot. Die Barockfiguren in den Turmfassaden standen für den Tag, die Nacht, den Frieden, die Gerechtigkeit und die Justiz. Besonderen Gefallen fand Nicolae an der Turmuhr, in der zu jeder Viertelstunde eine Trommlerfigur auf ihr Bronze-Instrument schlug. Direkt darüber kündigte wechselweise eine griechische, römische oder deutsche Sagengestalt den jeweiligen Wochentag an. …
Anschließend stiegen sie in einem langen steilen Holztunnel hundertfünfundsiebzig Stufen – Nicolae hatte genau mitgezählt! – den Schulberg zur Bergkirche hinauf. Oben angelangt, bedauerte er die armen Schüler, die diesen Anstieg täglich zu bewältigen hatten. Der massive Sakralbau, der sich hinter dem Schulgebäude auftat, imponierte ihm zwar auch, aber er konnte nicht verstehen, warum sein Patenonkel sich dermaßen lange mit Wand- und Deckengemälden sowie Schnitzereien an Chorgestühl und Sakramentshäuschen aufhielt.
(Gekürzte Textpassagen aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
2b. Brasov/Kronstadt
Brasov am Fuße der Südkarpaten mutet m. E. eher österreichisch an. Nicolae empfindet den Aufenthalt dort als ziemlich unnötig. Denn er kann es kaum erwarten, in die Bergwelt der Südkarpaten einzutauchen. Doch Mutter und Patenonkel müssen unbedingt noch die Schwarze Kirche besichtigen, die die Stadt mit ihrem massiven Bau dominiert.
Um die späte Mittagszeit stießen sie auf eine belebte Landstraße und ihr Kutscher Heinrich vermeldete, dass sie in Kürze Kronstadt erreichen würden. Erst als sie um einen einzelnen Berg, auf dessen Spitze eine Burgruine thronte, herumgefahren waren, erblickten sie das von Mauern, Türmen und Basteien umgebene Städtchen, durch dessen westliches Stadttor sie einfuhren.
In einem Gasthaus nahe dem Marktplatz nahmen sie eine Kleinigkeit zu sich. Zu Nicolaes Leidwesen mussten sie auch hier einen Blick in eine Kirche werfen, „die größte aller gotischen Kirchen Siebenbürgens“. Ihr Name „Schwarze Kirche“ bedurfte keiner Erklärung, leider aber die unterschiedlichen Baustile, die sie in ihrem Inneren vereinte, vor allem die ottomanische Teppich-Sammlung aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Zu allem wusste Heinrich etwas zu erzählen, das Onkel Bob eifrig übersetzte. Unterdessen machte sich das Jo-Jo in Nicolaes Hosentasche verführerisch bemerkbar. Ein Blick über die Schulter bestätigte ihm, dass die Erwachsenen mit Gucken und Staunen beschäftigt waren. …
(Gekürzte Textpassage aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
2c. Sibiu/Hermannstadt
Sibiu wird in Band 3 der Nicolae-Saga eine besondere Rolle spielen, denn dort besucht Nicolae das Gymnasium – das heutige Brukenthal-Gymnasium. Erstmalig kommt er mit Siebenbürger Sachsen in Kontakt und muss sich unter ihnen behaupten. Die wenigen rumänischen Schüler dort haben, wie sich denken lässt, keinen leichten Stand und sind allerlei Vorurteilen ausgesetzt.
Meterdick lag der Schnee auf dem Schulhof, zu unordentlichen Haufen zertrampelt. Fast dreihundert Paar Füße waren im Laufe des Vormittages hindurchgestiefelt, um am großen Tor von ihren Eltern oder Kutschern in Empfang genommen zu werden. Zwei- und vier-, ja sogar sechsspännige Schlittenkutschen waren vorgefahren, auch einige von Ponys oder Ochsen gezogene einfache Karren auf Kufen. Mit Letzteren waren die fast fünfzig rumänischen Schüler dieser Schule abgeholt worden. Nur wenige von ihnen hatten in eleganten Pferdeschlitten Platz genommen; so wie der kleine Liviu aus seiner Klasse, dessen Vater ein angesehener Gutsverwalter nördlich von Hermannstadt war, oder wie Cosmin, Sohn eines Physikprofessors. Die meisten stammten aus eher bescheidenen Verhältnissen, obwohl ihre Väter allesamt ehrenwerte Berufe ausübten, wie sie oft und gern betonten in dem Verlangen, mit den sächsischen Schülern mithalten zu können. Deren Väter schienen allesamt Amtsräte, Anwälte, Ärzte oder reiche Kaufleute zu sein. In seiner Klasse gab es sogar einen Ungarn, dessen Vater einen hohen Posten bei der Gendarmerie innehatte; trotzdem war László bei seinen achtundzwanzig sächsischen Mitschülern ebenso wenig gelitten wie die fünf rumänischen Kameraden, was diesen mächtig erboste.
Zum wiederholten Male wanderte Nicolaes Blick zur großen Uhr in der Eingangshalle, von wo rechter und linker Hand die Flure zu den Klassenräumen abzweigten. Eine breite Treppe mit barockverschnörkeltem Geländer führte zum oberen Stockwerk, wo die älteren Schüler untergebracht waren. Eine Etage höher befand sich die Aula, in der sie sich allmorgendlich zur gemeinsamen Bibel- und Gesangsstunde versammelten. …
»Wie ist es dir auf dem Gymnasium ergangen?«, fragte seine Tante. »Ein reger Briefwechsel war ja zur schnelleren Eingewöhnung nicht erwünscht, aber ein paar Zeilen hatten wir uns schon von dir erhofft!« Betroffen senkte er den Blick. »Nun ja, was hätte ich groß schreiben sollen?«, antwortete er ausweichend. »Es ist wie auf jeder Schule: freundliche und boshafte Lehrer, nette und gehässige Klassenkameraden, interessanter und langweiliger Unterricht und ein Kinderhasser als Pedell. Über allem schwebt ein vorbildlicher und vaterlandsliebender Rektor, dessen oberste Gebote Fleiß und Disziplin heißen und der die Lehranstalt für ihre deutschen Tugenden über die Stadtgrenzen hinaus berühmt gemacht hat. Darum wird von uns auch außerhalb des Schulgeländes und der Stadtmauern ein mustergültiges Auftreten in der Öffentlichkeit erwartet. Schließlich sollen die Schüler später ihrem Vaterland, womit natürlich das Deutsche Reich gemeint ist, alle Ehre machen. In der Aula hängen darum gleich neben den Büsten von Cicero und Sophokles Porträts von Fürst Bismarck und Kaiser Wilhelm. Wir, die spezielle Sorte von Schülern, wie die Lehrer uns fünf Rumänen und den einen Ungarn in meiner Klasse nennen, müssen dankbar sein, dass wir der deutschen Tugenden teilhaftig werden dürfen. Hast du sonst noch Fragen, Tante Judith?« »Ich wollte eigentlich nur erfahren, wie es dir dort ergangen ist«, entgegnete sie perplex. »Ich habe gewartet«, antwortete er leise.
Nicolaes wahre Heimat ist ein Schloss in den Südkarpaten. Ihr Höhennest liegt eingebettet auf waldigen Höhen, umgeben von den schroffen Gipfeln des Bucegi-Gebirges. Zwei Bergdörfer gehören zu der heimatlichen Umgebung sowie ein entlegenes Bergkloster.
Zwar habe ich eine präzise Vorstellung von dem altehrwürdigen Gemäuer, in dem meine Romanfamilie lebt, aber es ist weder Castel Bran noch Schloss Peles abgeschaut, wie einige meiner Leser gemutmaßt haben. Es ist rein meiner Fantasie entsprungen und dennoch für mich bis ins letzte Detail greifbar.
Insofern kann ich nur Fotos aus der realen Welt zeigen. Leider war es mir bisher nicht vergönnt, die beiden berühmtesten Gipfel des Bucegi-Gebirges zu besteigen: Die rumänische Sphinx (sfinxul) und die alten Weiber (babele). Als wir diese Ende April 2023 in Angriff nehmen wollten, hatte die Schneeschmelze gerade erst eingesetzt und das Wandern dort oben gefährlich gemacht. Darum zeige ich hier Bilder aus Sinaia und rund um Busteni im Prahovatal – wie so oft wolkenverhangen.
Nicolae nähert sich seinem zukünftigen Zuhause – das erste Mal nur besuchsweise, das zweite Mal um zu bleiben – von Sinaia aus, bevor sie in die Einsamkeit der Bergwelt eintauchen.
Hierzu dürfen Sie selber Bilder vor Ihrem geistigen Auge entstehen lassen …
Feuchte Schwaden streckten ihre Arme nach ihnen aus. Von wabernden Nebelschleiern empfangen, wurden sie geräuschlos in die Tiefen des Waldes gezogen. Das Donnern des fernen Falles drang nur noch schwach an ihr Gehör und wurde schon bald von der beklemmenden Stille gänzlich überlagert. Es schien, als hätten selbst die Pferde das Atmen eingestellt; kein Schnauben war zu hören, kein Ächzen der Achsen, kein Knarren der Kutschräder, nicht einmal der dumpfe Hufschlag auf waldigem Boden.
»Mummy«, flüsterte Nicolae atemlos, während er seinen Blick gebannt aus dem Kutschfenster richtete, »dies ist der Wald, von dem ich immer wieder träume.« Er war so sehr mit andächtigem Staunen beschäftigt, dass er nicht bemerkte, wie sie erschauerte.
Auf verschlungenen Wegen fuhren sie dahin. Kein Licht war zu sehen, kein Laut zu hören, rein gar nichts, das ihren Sinnen Orientierung geboten hätte; nur das bloße Sein, ohne Zeit und Raum, als hätte das Nichts sie bereits verschluckt. Nach einer nicht fassbaren Weile tat sich eine Lichtung vor ihnen auf. Ihr Blick fiel auf einen zerklüfteten Felsvorsprung, der im Schatten einer massiven Gebirgswand lag. Das Rauschen eines Wasserfalls drang von dort zu ihnen herüber. Am Fuße des Vorsprungs erstreckte sich eine Ebene, die eine überwältigende Aussicht auf die dahinterliegenden Gebirgsketten freigab. Alles war in das feurige Licht der untergehenden Sonne getaucht.
Es brauchte einen Moment, bis sich ihre Augen an das gleißende Licht gewöhnten. Sodann wurde ihr Blick von der davorliegenden Silhouette angezogen. Auf dem Plateau des Felsvorsprunges thronte ein von Türmen und Zinnen gekröntes Schloss, dessen dunkles Gemäuer sich im Laufe der Jahrhunderte völlig an seine Umgebung angepasst hatte. Es schien, als wäre es einst auf ganz natürliche Weise aus dem Felsen herausgewachsen. Sein majestätischer Anblick zog sie umgehend in seinen Bann. Das Schloss war von solch altehrwürdiger Erhabenheit und die Landschaft, die es umgab, von solch gewaltiger Ursprünglichkeit, dass es keinerlei Vergleiche zuließ. »Wir sind am Ziel«, hauchte Nicolae voller Ehrfurcht.
(Aus: Band 1 „Nicolae – Zwischen den Welten“)
Auf ihrem Weg wurden sie bereits von Mond und Sternen begleitet, die immer deutlicher am dämmrigen Abendhimmel hervortraten. Nebelschwaden stiegen aus den Niederungen empor und hüllten die Almwiesen in feuchte Schleier. Schon umschlangen diese die dunklen Baumstämme des dichten Tannenwaldes, den sie kurz darauf befuhren.
Gespannt klebte Nataly ihre Nase an das nunmehr geschlossene Kutschfenster, welches die kühle Feuchtigkeit dennoch nicht daran hinderte, zu ihnen ins Wageninnere zu dringen. »Geister?«, fragte sie mit aufgerissenen Augen und deutete auf einzelne Schwaden, die sich wabernd auf die Kutsche zubewegten.
»Es sind nur Feen, die in ihren weißen Gewändern im Mondlicht tanzen«, beeilte sich Nicolae zu antworten und zog sie auf seinen Schoß, um mit ihr gemeinsam den zauberhaften Erscheinungen nachzuschauen.
In stiller Bewunderung blickte Judith auf ihren Neffen, der so eifrig bemüht war, seiner Schwester ein Stückchen fabelhafter Kinderwelt aufzubauen, die für ihn längst zusammengestürzt war.
Als sie den dunklen Wald hinter sich gelassen hatten, wies Nicolae Heinrich an, die Kutsche anzuhalten. Dies war genau die Stelle, an der sie das Schloss vor zwei Jahren das erste Mal erblickt hatten. Damals hatte es als Silhouette vor der untergehenden Sonne gelegen. Diesmal tauchte der aufgehende Mond es in ein diffuses Licht und ließ es aus dem Schatten des umliegenden Bergmassivs hervortreten. Beide Kinder schauten wie gebannt zu den Zinnen und Türmen hoch, die sich schwarz gegen den nachtblauen Sternenhimmel absetzten. Von tief unten leckten Nebelzungen am dunklen Felsen empor und umwogten ihr neues Zuhause wie ein Meer aus Watte. Es schien, als ob das Schloss, losgelöst von allem Irdischen, auf einer Wolke schwebte, dem Weltall entgegen, nach denen sich seine Türme und Spitzen sehnsüchtig reckten. Die nächtlichen Himmelskörper erfassten es mit weichem Strahl und nahmen es auf in ihrem Weltenmeer aus Weisheit und Unendlichkeit.
Nur Judith sah von all dem Zauber nichts. Verwundert schaute sie den verzückten Blicken der Kinder nach und erkannte lediglich die dunklen Zacken eines Gebirges, das sich kalt und schroff vor einem mondbeschienenen Abendhimmel abzeichnete. »Was gibt es dort denn so Faszinierendes zu sehen?«, erkundigte sie sich.
»Na, unser neues Zuhause, Tante Judith«, erwiderte Nicolae, ohne den Blick von der nächtlichen Kulisse abzuwenden. »Wir sind da! Schau nur, sieht es nicht aus wie ein Märchenschloss?« Als sie keine Antwort gab, sah er verwundert zu ihr auf. »Was ist? Findest du es etwa nicht zauberhaft?« »Ich kann es nicht einmal sehen«, erwiderte sie, angestrengt in die Dunkelheit starrend.
(Aus: Band 2 „Nicolae – Hinter den Pforten“)
Mehr Impressionen aus dem winterlichen Bucegi-Gebirge finden Sie im Blogbeitrag „Recherchereisen Teil 8“
4. Bukarest
Die Hauptstadt Rumäniens ist immer wieder Schauplatz der Nicolae-Saga. Im Laufe der Jahrzehnte erlebt sie eine unübersehbare Wandlung von einer eher provinziell und orientalisch anmutenden zu einer mondänen europäischen Metropole. Ihren Höhepunkt erlebt sie in der Zwischenkriegszeit.
„Die Stadt an der Dâmboviţa blühte in der Zwischenkriegszeit förmlich auf. Das Ende des Ersten Weltkrieges hatte uns die lang ersehnte Vereinigung mit dem Boden unserer Vorväter, mit dem Dakerreich, beschert. Transsilvanien, das Banat, die Bucovina und weitere kleine Gebiete gehörten nunmehr zum Großreich Rumänien. Es erfüllte uns Rumänen mit Stolz und Genugtuung. Und so war die Hauptstadt erfüllt von Leben und Lustbarkeiten. Onkel Nick (Nicolae) erzählte uns von den vielen Gartenrestaurants, in denen allabendlich berühmte Sänger und Sängerinnen auftraten und kleine Kapellen groß herauskamen, die daraufhin durchs ganze Land tourten. Bukarest war in Feierlaune und die Calea Victoriei quoll über vor Menschenmassen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass immer mehr Leute verzweifelt nach Arbeit suchten und nur deshalb in die Hauptstadt kamen, um einen Krumen aufzupicken, den ein Kriegsgewinnler hatte fallen lassen. Im Großen und Ganzen hatte sich für die einfache Bevölkerung nicht viel verändert, nur dass ein mondäner Glanz über dem Schmelztiegel Bukarest lag.“
(Ausschnitt aus: Band 7 „Nicolae – An der Quelle“)
Die folgenden historischen Gebäude sind überwiegend Ende des 19. Jahrhunderts oder um die Jahrhundertwende entstanden und erzählen etwas über den einstigen Glanz von „Klein Paris“, wie Bukarest seinerzeit genannt wurde.
Ausnahme: Das Hanu lui Manuc. Die ursprüngliche Karawanserei wurde bereits 1808 erbaut. Heute ist es ein großes Restaurant, das traditionelle Speisen anbietet. An Wochenenden spielt eine Musikkapelle mit Gesang und Tanz. Eine Tischreservierung ist unbedingt erforderlich.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, zu Nicolaes Zeiten, war es ein Grand Hotel mit 107 Gästezimmern im ersten Stock und über 15 Weinkellern. Das Hotel Dacia beherbergte prominente Gäste aus aller Herren Länder. In seinen zwei großen Sälen fanden Theaterstücke und Bälle statt. Bekannt war es für die seinerzeit beliebten Maskenbälle.
Im legendären Cafe Capsa trafen sich illustre Gäste. Es wurde 1891 eröffnet und ist noch heute berühmt für sein köstliches Konfekt und den Joffre-Schokoladenkuchen. Das Cafe war ein bekannter Treffpunkt für Literaten, Künstler und Politiker. Und so hat auch Nicolae dort später als Kultur-Journalist seine Ohren aufgesperrt und Kontakte geknüpft.
Der CEC-Sparkassenpalast wurde um die Jahrhundertwende nach Plänen des französischen Architekten Paul Gottereau erbaut. Der Name leitet sich von der Casa Nationala de Economii si Cecuri Postale ab, also der Nationalen Spar- und Postscheckbank. Das Gebäude befindet sich an prominenter Stelle in der Calea Victoriei.
Unverkennbar hat die 1893 erbaute Universitätsbibliothek mit ihren drei Kuppeln denselben Architekten gehabt, denn Frankreich galt seit jeher als großes Vorbild der Rumänen.
Davor steht das Reiterstandbild mit König Carol I., dessen Geschichte und die seiner Gattin Elisabeta mit in die Nicolae-Saga eingeflossen sind.
Das Athenäum wurde 1888 fertiggestellt – ebenfalls nach Plänen eines französischen Architekten. Das Konzerthaus beheimatet die Staatsphilharmonie George Enescu. Es lohnt sich, einen Blick ins Innere zu werfen. Die Eingangshalle mit ihren Marmorsäulen und gewendelten Treppen ist überaus sehenswert. Außerdem stellt die Freskenmalerei der Kuppel in 25 Szenen die rumänische Geschichte dar.
Der Sutu-Palast am Universitätsplatz ist einer der ältesten Adelshäuser der Stadt, der nahezu unverändert geblieben ist. Er wurde 1833-1835 erbaut. In der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts fanden hier rauschende Feste statt. Jedes Jahr wurde dort der erste Ball der Saison eröffnet. Heute beherbergt er das Bukarester Stadtmuseum.
Am nördlichen Ende der Calea Victoriei befindet sich der Cantacuzino-Palast, in dem das George-Enescu-Museum untergebracht ist. Hier treffen Jugendstil und Neo-Barock aufeinander. Der Palast wurde 1903 nach Plänen eines rumänischen Architekten erbaut. Auftraggeber Gheorghe Grigore Cantacuzino war Bürgermeister von Bukarest. Sein Sohn und Erbe starb bei einem Autounfall und dessen Witwe heiratete 1937 den Komponisten George Enescu.
Mehr von Klein-Paris (Parks, Straßen und mehr) gibt es in meinem Blog zu sehen.
Doch zu Beginn der Nicolae-Saga, die in den 1860ern ihren Anfang nimmt, musste ich mich in das alte Bukarest hineindenken, wobei mir historisches Material wie Bildbände, Autobiografien sowie einige wunderbare Romane geholfen haben.
Eine der ersten Beschreibungen findet sich in Band 2 der Nicolae-Saga:
Bukarester Straßenleben um 1869
Zurück in der Kutsche betrachtete Judith das rege Treiben auf den Straßen und Plätzen, welches sie nur stockend passieren ließ. Um einen Basar hatte sich allerlei Volk versammelt. Neben exotischen Früchten wurden orientalische Gewürze und Räucherwaren angeboten. Bunte Töpfereien und Teppiche fanden ihre Käufer. Es wurde geschaut, geplaudert und gefeilscht. An fast jeder Ecke, um die sie bogen, standen dunkelhäutige Frauen mit einer Vielzahl halb nackter Kinder und verkauften Reisigbesen oder Korbwaren aller Art. Junge Burschen priesen lautstark Tüten mit Sonnenblumenkernen oder Korinthen an und liefen eine Weile neben ihrer Kutsche her, bis Heinrich sie mit einer Drohgebärde verscheuchte. Aus kleinen Kirchen, eingezwängt zwischen Läden, Handwerksstuben und Wohnhäusern schallten sakrale Gesänge auf die Straße. Alte Frauen standen davor und boten bunte Heiligenbildchen an. An einem Brunnen lehnte ein blinder Bettler und wurde von einem Gendarm unsanft fortgescheucht, während einige modisch gekleidete Damen sich in einem Kaffeehaus von ihren Einkäufen erholten. Diener trugen für ihre Herrschaften große Schachteln aus den Geschäften zu prunkvollen Kaleschen, die neben einfachen Bauernkarren parkten. Schon bald schwirrte Judith der Kopf. Noch nie zuvor hatte sie so viel städtisches Flair neben provinziellem Treiben erlebt. ...
Die vielen verwinkelten Gassen hinter sich lassend, gelangten sie schließlich auf eine breite Prachtstraße. Feudale Gebäude von teils schlichter klassischer Architektur, teils mit üppiger byzantinischer Ornamentik versehen, säumten diese. Judith war froh, als sie am Rande einer grünen Oase anhielten und sich ihre Sinne erholen konnten.
(Auszüge aus: Band 2 „Nicolae – Hinter den Pforten“)
5. Snagov
Von der Klosterinsel Snagov hatte ich bereits im vorherigen Teil „Auf den Spuren von Vlad Tepes“ erzählt. Sie gilt als letzte Ruhestätte dessen sterblichen Überreste. Darum hier nur ein kurzer Textauszug aus der Nicolae-Saga mit einigen ergänzenden Fotos.
Ein Mönch hieß sie an der Klosterpforte willkommen und ließ sie ein. Neugierig schlenderte Nicolae innerhalb der Klostermauern umher, während sein Vater das Geschäftliche regelte. Danach betraten sie gemeinsam die Kirche. Suchend schaute sich Nicolae darin um und sah dann fragend seinen Vater an. »Dort vorne, Nicolae, vor der Altarwand.« Nicolae blieb vor einer hellen im Boden eingelassenen Steinplatte stehen. Verwirrt blickte er auf. »Was soll das, Papa?« »Ich habe dir doch gesagt, du würdest enttäuscht sein.« »Ich meinte nicht diese äußerst schmucklose Grabstätte.« »Wie du weißt, legte er nicht viel Wert auf Pomp«, erwiderte der Graf, ohne auf das Gesagte einzugehen. »Die Schlichtheit der Ruhestätte wird ihm gerecht.« Irritiert kniete Nicolae vor dem Grab nieder, streifte einen Handschuh ab und legte bedächtig seine Fingerkuppen auf die kalte Steinplatte. In sich hinein horchend verharrte er in dieser Stellung. Schließlich erhob er sich und verließ die Kirche forschen Schrittes, ohne seinen Vater oder den Mönch, der sie begleitet hatte, eines Blickes zu würdigen. Erst an der Klosterpforte blieb er stehen und wartete dort ungeduldig auf seinen Vater. »Warum hattest du es plötzlich so eilig, Nicolae?«, fragte dieser, nachdem sich die Pforte hinter ihnen wieder geschlossen hatte. Nicolaes Hals war wie zugeschnürt. Statt einer Antwort flüchtete er durch das umliegende Wäldchen bis hinunter zum See und schaute mit unstetem Blick auf das gegenüberliegende Ufer. »So eine Farce!«, rief er ärgerlich aus, als sein Vater ihn erreichte. Belustigt hob dieser die Augenbraue. »Das ist der Grund, weshalb ich dich nie mitgenommen habe.« »Und? Worauf würde man stoßen, wenn man das Grab öffnete?« Mit einem kleinen Seufzer zuckte der Graf die Achseln. »Was kümmert es uns?« »Was soll dann das Ganze?« »Die Mönche bekommen nicht nur aus alter Familientradition ihren Teil, sondern auch, um das Grab zu schützen.« »Wovor?«, rief Nicolae verständnislos aus. »Vor Schändung natürlich.« »Aber es gibt hier nichts zu schänden.« »Umso wichtiger, dass alle anderen es glauben, nicht wahr?« Der bedeutungsvolle Blick seines Vaters ließ ihn endlich begreifen.
(Auszug aus Band 5 „Nicolae – Unter dem Schwert“)
6. Oltenia
In Band 4 der Nicolae-Saga „Abseits der Pfade“ begibt sich mein Titelheld auf Wanderschaft (um nicht zu sagen, dass er als 14-Jähriger von zu Hause ausgebüxt ist) und lernt Land und Leute jenseits seines behüteten Karpatendorfes und der Bukarester Paläste kennen. Eines Tages erreicht er einen Obsthof in Oltenia (Kleine Walachei).
Auf unserer Tour durch Oltenia, wo sich auch das wundervolle Brancoveanu-Kloster in Horezu befindet (siehe RAK 2021) besuchen wir das Dorfmuseum in Valcea. Dort finde ich alles so vor, wie ich es mir beim Beschreiben dieser Gegend vorgestellt habe. Die weitläufige und sanft hügelige Landschaft lädt zum beschaulichen Innehalten ein. Hier möchte man am liebsten für immer bleiben. Und so ist es wohl auch Nicolae ergangen, bis ihn die Ereignisse von dort fortgetrieben haben.
Auf unserer Tour durch Oltenia, wo sich auch das wundervolle Brancoveanu-Kloster in Horezu befindet (siehe RAK 2021) besuchen wir das Dorfmuseum in Valcea. Dort finde ich alles so vor, wie ich es mir beim Beschreiben dieser Gegend vorgestellt habe. Die weitläufige und sanft hügelige Landschaft lädt zum beschaulichen Innehalten ein. Hier möchte man am liebsten für immer bleiben. Und so ist es wohl auch Nicolae ergangen, bis ihn die Ereignisse von dort fortgetrieben haben.
Die für die Region damals üblichen Erdhäuser gibt es leider nicht mehr. Aber ich habe sie zu meiner großen Freude sowohl im Dorfmuseum in Bukarest als auch im Dorfmuseum in Golesti entdeckt.
Nachdem er das Floß verlassen hatte, mit dem er sich für eine Silbermünze über den Olt hatte setzen lassen, stieß er kurze Zeit später auf eine Ansiedlung niedriger Strohdachhäuser. Sie schauten höchstens einen Meter aus dem Boden heraus und sahen von Ferne aus, als wären sie für Zwerge gebaut. Erst bei genauerem Hinsehen entdeckte er, dass sie tief ins Erdreich gebaut waren. »Du kommst wohl nicht von hier?«, hörte er einen etwa achtjährigen Knirps fragen, der neugierig zu ihm hochblinzelte, während er sich am Wegesrand sitzend zwischen den Zehen pulte. »Sieht man mir das an?« Freundlich blickte Nicolae ihn an. »Mmh. Du guckst so komisch.« »Weil ich noch nie zuvor so kleine Häuser gesehen habe. Wohnen hier denn nur Kinder? Bin ich gar im Kinderland?« Der Gedanke schien dem Kleinen zu gefallen. »Aber nein!«, kicherte er. »Obwohl wir Kinder in meiner Familie in der Überzahl sind, sagt Großmutter und seufzt dabei immer schwer.« »Wie viele seid ihr denn?« »Vierzehn. Ich habe sieben Brüder und sieben Schwestern.« »Das sind mit dir aber fünfzehn!« »Delia zählt nicht. Die trinkt noch aus Mamas Brust. Großmutter zählt nur die Esser am Tisch.« »Passt ihr denn überhaupt alle an einen Tisch?« »Wir essen nacheinander. Die Großen zuerst.« »Und du? Gehörst du schon zu den Großen, oder musst du essen, was übrig bleibt?« »Ich bin die Mitte. Ich darf’s mir aussuchen«, antwortete der Kleine grinsend und ließ eine frische Zahnlücke sehen. »Wohnt ihr auch in einem dieser kleinen Häuser?« »Es sind keine kleinen Häuser. Sie sind genauso groß wie alle anderen, nur dass sie eingebuddelt wurden, damit es im Sommer schön kühl darinnen bleibt und im Winter nicht so kalt wird. Die Erde schützt uns, sagt Großvater.« »Das ist aber ganz schön schlau von euch.« »Ja, das sind wir auch, denn wir sind Oltenier. Papa sagt, Oltenier sind schlaue Leute, und ich bin auch einer.« »Wie ist dein Name, schlauer Oltenier?« »Călin. Und deiner?« …
(Auszug aus Band 4 „Nicolae – Abseits der Pfade“)
7. Turnu Severin
Bis an den südwestlichsten Zipfel Rumäniens treibt es Nicolae in Band 4. Dort, in der Hafenstadt Turnu Severin, wo einst die römische Traianbrücke die Donau querte, bleibt er unfreiwillig hängen. Seine Taschen sind leer. Sein Reitpferd ist ihm abhandengekommen. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als hier sein Glück zu versuchen. Turnu Severin ist zu jener Zeit für viele die Stadt der Träume und wird so manchem zum Verhängnis.
Kurz vor Severin wehte ein anderer Wind; einer aus Richtung Westen, wie manche hoffnungsfroh sagten, die ihre Söhne dorthin geschickt hatten, ihr Glück zu versuchen. Die Stadt an der Donau sei eine moderne Stadt, erklärten sie ehrfürchtig, in welcher der Handel blühe, weswegen sich immer mehr Kaufleute dort niederließen. Ein Bankhaus, eine Brauerei und diverse Handelsgilden brächten Wohlstand; Kontorhäuser, Schulen, ein Stadtpark, sogar ein Kulturpalast entsprechendes Ansehen. Für junge Leute schien Severin die einzige Chance, der bäuerlichen Armut zu entfliehen.
Je näher Nicolae der Stadt kam, desto öfter hörte er Klagelieder von Vätern, deren Söhne bei der Suche nach dem Glück auf Abwege geraten waren, denn in der Stadt gebe es davon viele. Andere hingegen hätten zwar ihr Glück gemacht, kämen aber immer seltener nach Hause und rümpften dann die Nase über den Geruch in der Bauernstube oder mokierten sich über die tumben Gesichter in der Dorfschenke. Nach und nach vergäßen sie ihre Herkunft, schickten gelegentlich etwas Geld, mit dem im Dorf eine Stange angegeben wurde, aber der Sohn war für die Familie verloren – eingetauscht gegen Bares. Nicolae hatte den Reden an den Abend- und Schanktischen gut zugehört und verstanden, dass sie nichts anderes wollten als leben, gleich, ob sie dabei den alten oder neuen Zeiten dienten. Hauptsache, der Magen war gefüllt, die Stube warm und die Häupter ihrer Lieben vollzählig. Aber alles zusammen war kaum zu haben.
Im trüben Licht eines frühen Nachmittags kam Nicolae in jener Sehnsuchtsstadt, in der Glück und Unglück so dicht beieinanderlagen, an. Er hatte den südwestlichsten Zipfel des Landes erreicht. Die Donau trennte ihn hier von Serbien im Süden und der Schlagbaum von Österreich-Ungarn im Westen. Und nun? An wessen Tür sollte er klopfen? Wer würde einem Streuner wie ihm hier in der Stadt Einlass gewähren? Unten am Hafen war er schon gewesen. Doch die derben Männer, die am Löschkai einander in den unterschiedlichsten Sprachen zugrölten und unentwegt ausspuckten, der Dreck auf den Straßen und die heruntergekommenen Häuser hatten ihn abgeschreckt. Nun stand er am Donauufer, wo von römischen Truppen anno 105 nach Christus die längste Brücke der Welt errichtet worden war, um Kaiser Trajan in seinem zweiten Feldzug gegen den Dakerkönig Decebal zu unterstützen, wie eine halb zugeschneite Tafel am Überbleibsel des Uferpfeilers kundtat. Nach Abzug der Römer sei diese von Kaiser Aurelian wieder zerstört worden. Nur wenige Brocken der steinernen Pfeilerbasis legten noch Zeugnis ab von der gewaltigen hölzernen Bogenkonstruktion, die den Fluss einst überspannt hatte.Müde setzte er sich auf einen aus dem Schnee ragenden Stein und schaute hinunter auf die kleinen Kähne, die träge am vereisten Ufer dümpelten. Hier also endete die Welt des Fürstentums Rumänien, während sich flussaufwärts neue Welten auftaten.
Mit dem letzten Foto sind wir wieder zum Anfang des Rumänentums zurückgekommen, zum Dakerkönig Decebal. Er steht im Turnu Severiner Park, übrigens nur 50 km entfernt von der bekannten Felsenskulptur an der Donau am Fuße des Almaj-Gebirges. Und so schließt sich der Kreis.
Schlusswort
Natürlich haben sich insbesondere die Städte in den letzten 150 Jahren gravierend verändert. Das persönliche Aufsuchen solcher Handlungsorte war daher eine nachträgliche Spurensuche, die für den Schreibprozess nicht ausschlaggebend gewesen wäre. Hier waren mir historisches Bildmaterial sowie dokumentarische Aufzeichnungen wertvoller. Trotzdem ist es jedes Mal aufregend und beglückend gewesen, die Stätten der Nicolae-Saga mit eigenen Augen zu sehen und das Beschriebene wiederzuerkennen.
Landschaften unterliegen zwar einem ungleich geringeren Wandel, doch auch sie verändern ihr Erscheinungsbild. Berggipfel durch Erosionen, die Wälder durch Abholzungen und die Dörfer durch den Zeitenwandel. Trotzdem findet man in Rumänien noch Ecken, auch wenn sie vom Aussterben bedroht sind, von ursprünglichem Charakter. Und das ist unfassbar wertvoll.
In jedem der 7 Bände der Nicolae-Saga war es mein Ziel, das Einzigartige Rumäniens für meine Leser spürbar zu machen. Denn dieses Land ist ein völlig verkannter europäischer Schatz, den es zu entdecken, zu zeigen und zu bewahren gilt.
Genau dieses hat auch der Rumänienadventskalender 20 Jahre lang mit seinen vielfältigen Berichten und großartigen Bildern getan. Ich werde ihn vermissen. Und freue mich, dass ich dank Gudrun und Hans jederzeit in diesen reichhaltigen Fundus zurückblicken und mich erneut daran erfreuen kann.